Jeder Bürger kann zu Gesundheit oder Rechtsproblemen im Kontakt mit den Kassen bei der Unabhängigen Patientenberatung beraten lassen. Foto: Juice Images/F1 ONLINE

Claudia Schmidtke, Patientenbeauftragte der Bundesregierung, will ein neues Konzept der Gesundheitsinformationen für Bürger. Denn die Institution der Unabhängigen Patientenberatung ist kaum bekannt.

Berlin - Das Gesundheitswesen ist schwer zu durchschauen. Die großen Spieler Krankenkassen, Ärzte und Kliniken haben Sonderinteressen. Da ist es gut, wenn Patienten ein neutrale Stelle haben, an der sich kompetenten Rat einholen können, etwa bei Rechtsfragen. Das soll die Unabhängige Patientenberatung leisten (UPD) leisten. Das Geld kommt von den Kassen, die operativen Aufgaben der Beratung werden alle sieben Jahre ausgeschrieben und vergeben. Zuletzt an ein privates Unternehmen. Daran gibt es immer wieder Kritik. Nun legt die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Schmidtke, ein Konzept vor.

Frau Schmidtke , die UPD bekommt jährlich neun Millionen Euro, ist aber in der Bevölkerung herzlich unbekannt. Ist daraus zu schließen, dass sie eigentlich überflüssig ist, weil mündige Patienten viele Quellen haben, um sich zu informieren?

Ich halte daran fest, dass wir eine solche neutrale Informationsquelle brauchen. Natürlich sind auch die Krankenkassen zur Auskunft verpflichtet. Aber sie sind nicht neutral. Rund zwei Drittel der Anfragen bei der UPD haben juristische Probleme zum Gegenstand, die sich unter anderem aus dem Verhältnis von Patient zu Krankenkasse ergeben. Da ist eine objektive, faire, kostenlose Information für die Patientinnen und Patienten ein wichtiges Angebot. Auch für die Politik sind die Anfragen an die UPD ein wichtiger Spiegel, der zeigt, wo die aktuellen Probleme im Gesundheitswesen liegen.

Es gibt viel Kritik an der UPD. Teilen Sie die Ansicht, dass die derzeitige Situation der UPD unbefriedigend ist?

Nein. Ich habe mir die Arbeit der UPD auch vor Ort genau angeschaut. Ich höre auch auf die Wortmeldungen des Beirates. Die UPD wird ja jeweils für eine Periode von sieben Jahren ausgeschrieben. Zu Beginn dieser Phase hat sie nicht optimal gearbeitet. Ich bescheinige der UPD sehr viele Verbesserungen in der Qualität und Struktur ihrer Arbeit. Das zeigt auch die Zufriedenheit derjenigen, die bei ihr Rat gesucht haben. Im Rahmen einer Nutzerbefragung gaben über 99 Prozent der Ratsuchenden an, die UPD weiterempfehlen zu wollen. Und die UPD wird in ihrer Arbeit vielfältig begleitet und objektiv überprüft: über einen Beirat, eine Auditorin und durch eine fortlaufende Evaluation des Prognos-Instituts. Es gibt kaum eine Institution im Gesundheitswesen, die so gut kontrolliert wird wie die UPD.

Das Unternehmen Sanvartis hatte versprochen, die Telefonberatungen von 82 000 auf 200 000 pro Jahr zu steigern. 2019 lag die Zahl sehr weit darunter ...

Wir haben heute jedenfalls Beratungszahlen, die deutlich über dem Stand der Vorgänger von Sanvartis liegen. Die Ankündigungen von Sanvartis erreichen wir aber tatsächlich nicht. Ich sehe das Problem, dass die UPD zwar fundierte Arbeit leistet, aber in der Breite nicht bekannt genug ist. Das muss sich ändern.

Der zweite große Kritikpunkt ist die Tatsache, dass das operative Geschäft für je sieben Jahre ausgeschrieben wird. Auch der Bundesrechnungshof hat das kritisiert. Das führt im Effekt zu einer hohen Fluktuation bei der Mitarbeiterschaft.

Diese Kritik trifft aus meiner Sicht tatsächlich den Kern des Problems, nämlich die Frage, wie die Unabhängige Patientenberatung zukünftig ausgestaltet werden soll. Die UPD-Mitarbeiter sind qualifiziert und fachkundig. Aber sie wissen auch um die zeitliche Begrenztheit ihrer Aufgabe. Sie haben keine Sicherheit. Das führt dann auch zum regelmäßigen Abfluss von Kompetenz. Dabei geht zu viel Wissen und Qualität verloren. Deshalb ist für mich der entscheidende Punkt: Eine dauerhaft hohe Kompetenz und eine kontinuierliche Arbeit kann nicht gewährleistet werden, wenn die UPD alle sieben Jahre ausgeschrieben wird. Jeder neue Gewinner einer Ausschreibung muss sich die erreichte Kompetenz erst wieder mühsam erarbeiten. Das kann man vermeiden, wenn man künftig auf Ausschreibungen verzichtet.

Also plädieren Sie in dieser Hinsicht für eine Gesetzänderung?

Ja, genau. Ich setze mich für eine Gesetzesänderung mit dem Ziel ein, die UPD zu verstetigen. Wenn die durch eine Ausschreibung und zeitlich befristete Vergabe verursachten Brüche in dem Beratungsangebot zukünftig vermieden werden, stärkt das eine kontinuierliche und qualitativ hochwertige Beratung für die Patientinnen und Patienten.

Das bedeutete aber das Ende des Konzeptes, die operative Arbeit der UPD von einem privatwirtschaftlichen Betreiber erledigen zu lassen.

Ich habe bereits im Frühjahr ein Gutachten in Auftrag gegeben, das ergebnisoffen prüfen soll, wie das neue Modell aussehen könnte. Es wird im Herbst vorliegen. Hier sind verschiedene Ansätze denkbar, zum Beispiel eine Stiftungslösung. Dabei spricht jedenfalls aus meiner Sicht viel dafür, zukünftig auf die Vergabe der UPD an ein gewinnorientiertes Unternehmen zu verzichten. Eine Vergabe verträgt sich zum einem nicht mit dem Ziel, das Beratungsangebot langfristig aufzubauen. Zudem sah sich die UPD durch die privatwirtschaftliche Trägerschaft in der Vergangenheit immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, nicht unabhängig zu arbeiten. Dieser Vorwurf war zwar falsch. Dennoch sollten wir für die Zukunft die Lehre ziehen, dass das zukünftige Modell frei von jedem Verdacht einer möglichen Einflussnahme sein muss, um die Glaubwürdigkeit und die Akzeptanz der UPD zu stärken.

Finden Sie es in Ordnung, dass eine unabhängige Patientenberatung von den Krankenkassen getragen wird, von denen auch das Geld kommt?

Auch die Finanzierungsfrage ist Gegenstand des Gutachtens. Ich bin offen für verschiedene Möglichkeiten. Wenn wie bisher sichergestellt wird, dass der GKV-Spitzenverband keinen inhaltlichen Einfluss auf die Arbeit und die Neutralität der UPD nimmt, sehe ich aber nicht unbedingt, warum die Patientenberatung nicht mehr von den Krankenkassen finanziert werden sollte.