Das Podium: Martin Haar, Karin Maag, Kerstin Zentgraf, Gabriele Reich-Gutjahr, Jessica Martin, Dr. Stephan Schlosser und Carolin Klinger (von links). Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Nur über Gesundheit zu reden, war zu wenig an diesem Abend. Die Teilnehmer und Zuhörer des Stadtgesprächs Gesundheit durften sich auch bewegen. Um zu zeigen, wie sinnvoll Bewegung ist.

Stuttgart - Rückenschmerzen nach Tagen im Bürostuhl oder einer anstrengenden Schicht auf der Pflegestation, Augenflimmern vor dem Bildschirm, Erschöpfungsgefühle und Stresssymptome: Gesundheitliche Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz haben viele Gesichter. Mit dem demografischen Wandel gewinnt das Thema des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) zusätzlich an Bedeutung: für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, wie Werner Wölfle, Bürgermeister für Soziales und gesellschaftliche Integration am Dienstagabend anlässlich des Stadtgesprächs Gesundheit betonte, zu dem die AOK Stuttgart-Böblingen am Dienstag ins Glashaus des Theaterhauses geladen hatte. Gesundheitliche Vorsorge sei nicht nur ein Wirtschaftsfaktor, der garantiere, dass man noch effizienter an Mitarbeitern verdienen könne. Es es gehe auch um eine moralische Verpflichtung.

Es geht um Achtsamkeit

Dass es im Interesse von Unternehmen liegen sollte, durch gezielte Angebote zu Aktivitäten zu ermuntern, die zu größerem Wohlbefinden und weniger Fehltagen beitragen, leuchtet ein. Weit weniger leicht ist die Frage nach der Zielgruppe für entsprechende Maßnahmen zu beantworten, wie der Vorsitzende des Landesverbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte Württemberg, Stephan Schlosser, festhielt: „Sprechen wir die Starken an, die sich leicht motivieren lassen oder wenden wir uns an die Schwächeren, die einen viel größeren Unterstützungsbedarf haben?“ Das sei ebenso entscheidend wie die Frage nach dem eigentlichen Problem. „Wir haben es zunehmend mit psychischen Faktoren zu tun“, so Schlosser.

„Wenn jemand das Gefühl hat, seine Arbeit sei sinnlos und werde von niemandem geschätzt, dann kann sich das genauso fatal auswirken, wie ein körperliches Leiden. Mit Sport ist dem allerdings nicht beizukommen.“ Es geht um Achtsamkeit gegenüber sich selbst und den Mitarbeitern, darin sind sich alle Teilnehmer des von den Redakteuren unserer Zeitung Martin Haar und Carolin Klinger moderierten Podiums einig.

Eine bewegte Pause ist sinnvoll

Kerstin Zentgraf ist als Bereichsleiterin der Sportvereinigung Feuerbach/Vitadrom Dienstleisterin im Bereich Betriebliches Gesundheitsmanagement. Auch sie sieht beträchtliche Hürden, die es zu überwinden gilt, ehe Gesundheitsförderung greifen kann: „Für viele Arbeitnehmer war der Schulsport eine Qual“, weiß die studierte Sportwissenschaftlerin. Es sei daher wichtig, klein anzufangen, etwa mit einer bewegten Pause. Damit sich die 60 Zuhörer im restlos besetzten Glashaus besser vorstellen können, worum es geht, leitet Zentgraf sie zu einer Probeeinheit an: ein wenig Schulterkreisen, ein Moment auf Zehenspitzen – das wirkt laut der Expertin oft schon Wunder. Auch Karin Maag, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion begnügt sich im politischen Alltag oft mit einem Minimalprogramm. „Ich gehe gern ins Sportstudio oder zum Schwimmen. Im Trubel einer Berliner Arbeitswoche muss es aber auch der Fußweg von 2,5 Kilometern bis zum Büro tun“, verrät sie. Während sich große Firmen eigene Sportbereiche leisten können, sind kleinere Unternehmen stärker auf Beratung und Förderung angewiesen. Ein erster Schritt wäre es schon, so der Konsens der Runde, der auch die FDP-Landtagsabgeordnete Gabriele Reich-Gutjahr und Jessica Martin vom Diakonie-Klinikum Stuttgart angehörten, wenn sich die Erkenntnis durchsetzen würde, welche Chancen in der gesundheitlichen Vorsorge liegen.

Man unterstütze die Aufklärungs- und Beratungsarbeit, versicherte Christian Kratzke, Geschäftsführer der AOK Stuttgart-Böblingen abschließend. Vor allem müsse es aber gelingen, zum Nachdenken über das physische und psychische Wohlbefinden am Arbeitsplatz anzuregen. Der vierten Auflage des Stadtgesprächs Gesundheit ist das fraglos gelungen.