Die Frühjahrsmüdigkeit überkommt eine Löwin im Duisburger Zoo Foto: dpa

Draußen grünt und blüht es – doch selbst ist man schlapp und müde. Dass es die Frühjahrsmüdigkeit gibt, daran zweifeln selbst Experten nicht mehr. Die gute Nachricht: Man kann die Müdigkeit abschütteln.

Stuttgart - „Ja, es umgibt uns eine neue Welt!“ So frohlockte schon Goethe, als sich die ersten Zeichen des Frühlings zeigten. Die Tage werden wieder länger und wärmer, in den ergrünenden Wiesen sieht man erste Schmetterlinge. Das wirkt nicht gerade wie ein passendes Szenario für Abgeschlagenheit und trübe Stimmung. Und doch antworteten in einer Emnid-Umfrage 39 Prozent der Frauen und 22 Prozent der Männer, dass sie alljährlich zwischen März und Juni vom ernüchternden Gefühl der Frühjahrsmüdigkeit heimgesucht werden.

Sie wurden lange Zeit sowohl von ihrer Umwelt als auch ihrem Arzt irgendwo zwischen Simulanten und chronischen Schwarzsehern eingeordnet. Doch es mehren sich wissenschaftliche Hinweise darauf, dass ihr Problem ernst zu nehmen ist. So ermittelten die Schweizer Chronobiologen Verena Lacoste und Anna Wirz-Justice, dass im Frühjahr die Zahl der Morgenmuffel um die Hälfte zurückgeht, doch dafür auch Nervosität und psychosomatische Beschwerden deutlich zunehmen.

Im Frühjahr sind viele einerseits aufgekratzt, andererseits müde

Das spricht für einen hohen Erregungszustand des vegetativen Nervensystems. Es passt zu den Berichten vieler Betroffener, die sich einerseits aufgekratzt und fahrig, andererseits aber motivationslos und erschlagen fühlen. „Diese Empfindungen können durchaus zwei Seiten derselben Medaille sein“, erklärt der Psychiater John Sharp von der Harvard Medical School in Boston (USA). Man denke nur an die bipolare Störung, bei der sich manische und depressive Phasen abwechseln, bis zur Suizidgefahr.

Wer jetzt glaubt, dass der Vergleich im Zusammenhang mit der Frühjahrsmüdigkeit hinkt, ist auf dem Holzweg. Denn laut einer Studie der Medizinischen Universität Wien steigt die Suizidrate im März gegenüber dem Februar tatsächlich um etwa 20 Prozent. Sie geht erst wieder zurück, wenn der Sommer naht. Erklärbar wird dieser Trend dadurch, dass depressive Menschen ihre Krankheit stärker spüren, wenn überall um sie herum das Leben erwacht. Dazu kommt der Pollenflug. Der stellt bei Allergikern nicht nur seelisch, sondern auch körperlich die Schalter auf Verzweiflung. Denn ihre hyperaktive Immunabwehr produziert viele Zytokine – Proteine, von denen ist bekannt, dass sie Entzündungen anschieben und dadurch für Antriebsschwäche und Müdigkeit sorgen.

Der Winter hat die Vitamin-D-Reserve aufgezehrt

Gerade der April mit seinen Wetterkapriolen sorgt zudem dafür, dass sich die Hautblutgefäße in ständigem Wechsel weit und eng stellen müssen, was den Körper belastet und auslaugt. Ganz zu schweigen davon, dass der vorausgegangene Winter an den Reserven eines Biostoffes gezehrt hat, dessen Bildung von den Sonnenstrahlen abhängt: Vitamin D. „Im Winter waren die Tage kürzer“, erklärt Bernhard Uehleke vom Naturheilkunde-Lehrstuhl der Berliner Charité. „Außerdem wurden durch die wettergemäße Kleidung allenfalls noch Gesicht und Hände von der Sonne bestrahlt“. Der Vitamin-D-Pegel geht in den Keller und mit ihm oft auch die Stimmung. Denn Wissenschaftler fanden unlängst Vitamin-D-Rezeptoren in genau jenen Hirnregionen, die für Gedächtnis und Stimmungslage zuständig sind.

Die Frühjahrsmüdigkeit hat also viele Ursachen. Was aber auch bedeutet, dass man mit vielen Maßnahmen dagegen steuern kann. So sollten Pollenallergiker noch vor den ersten Symptomen mit der Einnahme von Antihistaminen beginnen, damit ihr Körper weniger ermüdende Zytokine bildet. Vermeiden sollte man darüber hinaus, den Schlaf in die Länge zu ziehen – in der Hoffnung, dann tagsüber wacher zu sein. Tatsächlich bereite diese Strategie, wie der Psychiater John Sharp warnt, „nur den Boden für Stimmungstiefs“. Denn nicht etwa der Schlaf, sondern der Schlafentzug werde zur Therapie von Depressionen eingesetzt, weil er stimmungsaufhellende Mechanismen im Gehirn anstößt.

Das hilft bei Frühjahrsmüdigkeit

Joggen und Radfahren wappnet Herz und Kreislauf

Besser also, man stellt den Wecker wie sonst auch und nutzt stattdessen die länger werdenden Tage für Sportarten wie Joggen und Radfahren. Das mobilisiert nicht nur die Produktion von Vitamin D und stimmungsaufhellenden Hormonen, sondern wappnet auch Herz und Kreislauf für die Wetterumschwünge des Frühlings.

„Auch durch regelmäßige Saunagänge lässt sich das Blutgefäßsystem trainieren“, sagt Uehleke. Wirkungsvoll seien zudem Kneippsche Anwendungen, bei denen man etwa bei der morgendlichen Dusche den Duschkopf mit abwechselnd kaltem und warmem Wasserstrahl über Arme und Beine zum Herzen hin bewegt.

Die Ernährung sollte auf gut verträgliche Lebensmittel umgestellt werden, um den Körper nicht zusätzlich mit Verdauungsarbeit zu belasten. Statt Wurst und Fleisch mit deftigen Saucen sollten also mehr Fisch, Obst und Gemüse auf den Tisch kommen. Wobei die letztgenannten auch jede Menge Vitamin C liefern, das die Anpassungsfähigkeit des Körpers an das Wetter verbessert.

Heilfasten regt die Bildung von Immunglobulinen an

Heilfastenkuren befreien den Körper zwar nicht – wie gerne behauptet wird – von den Schlacken des Winters. Doch wissenschaftlich untermauert ist, dass sie die Bildung von Immunglobulinen anregen, die eine Speerspitze im Kampf gegen Infekte bilden. Dieser Effekt hält teilweise auch noch drei Monate nach dem Ende der Kur an.

Yuriy Zverev von der Universität Malawi entdeckte zudem, dass Fasten den Geschmackssinn schärft. „Vor allem unser Geschmackssinn für Süßes und Salziges“, erklärt der Physiologe, „reagiert danach sensibler als vorher.“ Schokolade und Kuchen sowie Räucherschinken und deftige Mettwurst werden nach dem Heilfasten nicht mehr in dem gleichen Umfang konsumiert wie vorher. Oder anders ausgedrückt: Wo man sich früher noch einen Nachschlag gegönnt hat, winkt man nun ab. Das kann im Kampf um die Bikini-Figur für den nahenden Sommer ja nur ein Vorteil sein.

Nicht nur Menschen, sondern auch Tiere haben mit Müdigkeit zu kämpfen, wie folgendes Video beweist: