Die Schauspielerin Maria Furtwängler bei der Vorstellung der Studie in Berlin Foto: dpa

Auf TV-Bildschirmen und Kinoleinwänden beherrschen Männer das Bild. Frauen dagegen sind unterrepräsentiert, wie eine in Berlin vorgestellte Studie zeigt. Den Anstoß zu der Untersuchung gab die Schauspielerin Maria Furtwängler.

Berlin - Kennen Sie Magda? Falls nicht, dann sollten Sie sie unbedingt kennenlernen. Denn die Hauptdarstellerin der RTL-Sitcom „Magda macht das schon“ ist nicht nur eine der stärksten Frauenfiguren, die das deutsche Fernsehen in diesem Jahr hervorgebracht hat – eine polnische Pflegekraft, die den Alltag von Oma Waltraud und der Familie Holtkamp durcheinanderwirbelt. Für den RTL-Geschäftsführer Frank Hoffmann zeigt sie auch, dass sich Frauen keine Sorgen machen müssen, dass sie im Fernsehen unterrepräsentiert werden. Von RTL, versicherte er jetzt bei einer Pressekonferenz in Berlin, würden Frauen regelrecht hofiert, besonders die über Fünfzigjährigen. Katja Burkard erkläre ihnen die Welt, Antonia Rados die Außenpolitik – und Frauke Ludowig die Welt der Promis.

Mit dieser Meinung stand der RTL-Chef jedoch allein da. Sie deckte sich auch nicht mit dem Ergebnis einer Studie, die das Institut für Medienforschung der Uni Rostock jetzt im Auftrag der Stiftung Malisa der Schauspielerin Maria Furtwängler vorgestellt hat. Nach 3500 Stunden Fernsehen fiel das Ergebnis der Forscher wenig überraschend aus: Auf eine Frau kommen zwei Männer – über alle Fernsehprogramme hinweg. Bis zum dreißigsten Lebensjahr ist das Geschlechterverhältnis noch ausgeglichen. In Daily Soaps wie „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ (RTL) oder Telenovelas wie „Rote Rosen“ (ARD) liegen die Frauen sogar leicht vorn. Ab Mitte dreißig geht die Schere dann aber immer weiter auseinander. Seinen Höhepunkt erreicht dieser Trend bei den über Fünfzigjährigen. Hier kommen auf eine Frau acht Männer. Frauen in den besten Jahren, so das ernüchternde Fazit der Studie, kommen im Fernsehen so gut wie gar nicht mehr vor. Und wenn doch, dann in traditionellen Rollen als Oma oder abgelegte Ehefrau. In den Polittalks von Maybrit Illner oder Anne Will bleiben die Herren meistens unter sich. Die Moderatorinnen sind häufig die einzigen Frauen in ihrer Sendung – das berühmte „Gruppenbild mit Dame“.

Ein beschämendes Ergebnis. Alle reden gerade von Diversität. Sogar die Modebranche hat inzwischen erkannt, dass sie den Gesetzen der Marktwirtschaft Rechnung trägt, wenn sie die Vielfalt der Menschen auf dem Laufsteg abbildet. Und ausgerechnet das wichtigste Medium, das Fernsehen, reproduziert stereotype Geschlechterrollen, die sich mehr an Barbie & Ken orientieren als an der Realität. Schlimmer noch: Schon Kinder werden mit diesen Klischees groß. Von fünf Figuren ist nur eine weiblich. Besonders stark geht die Schere bei den fiktionalen Produktionen auseinander. Selbst Tierrollen in Zeichentrickfilmen sind zu 87 Prozent männlich. Die Welt der Monster und Kreaturen wird zu 69 Prozent von ihnen regiert. Man kann sagen: Ausgerechnet das Kinderfernsehen dreht das Rad der Emanzipation gerade wieder zurück. Die ARD-Vorsitzende Karola Wille, die als MDR-Intendantin verantwortlich ist für den Kinderkanal, formulierte es diplomatischer. „Gerade im Kinderalter werden doch Geschlechterrollen geprägt.“

Armutszeugnis für das gebührenfinanzierte Fernsehen

Wille klang zerknirscht. Es ist ein Armutszeugnis für das gebührenfinanzierte Fernsehen, das sich im Rundfunkstaatsvertrag zur Gleichstellung verpflichtet hat. Aber kann das Ergebnis die Intendanten von ARD und ZDF ernsthaft überrascht haben? Auch die Schlüsselpositionen hinter der Kamera sind fest in männlicher Hand. Das hatte Anfang dieses Jahres eine Studie der Uni Rostock zur Frauenquote in der Filmproduktion ans Licht gebracht. Das Ergebnis fiel noch krasser aus. Männer führten in 83 Prozent der untersuchten Filme Regie. Ihr Anteil bei den Kameramännern lag sogar bei 92 Prozent. Pflichtschuldig hatte das ZDF daraufhin ein Förderprogramm für Regisseurinnen angekündigt. Die ARD hatte schon 2015 angekündigt, den Anteil der Regisseurinnen bei fiktionalen Programmen zu erhöhen. Von einer Zwanzig-Prozent-Marke war die Rede.

Den Anstoß für die Studie hatte die Schauspielerin Maria Furtwängler gegeben. Man fragt sich ja schon, wie ausgerechnet sie auf die Idee gekommen ist, eine Lanze für die Frauen zu brechen, Deutschlands beliebteste „Tatort“-Kommissarin? Schließlich ist sie eine der am meisten beschäftigten Schauspielerinnen. Und es entbehrt nicht der Koketterie, wenn ausgerechnet sie sagt: „Dieses diffuse Gefühl, dass die Rollenangebote nach dem 51. Geburtstag weniger werden, haben wir alle.“

Es geht ihr schon um die Sache als solche, nicht um sich. Sie sagt, sie habe sich vor acht Jahren bei einem Flug von Berlin nach München dabei ertappt, wie sie in Panik geriet. Dabei sei der Anlass völlig banal gewesen. Der Pilot war eine Pilotin. Sie hatte sich auch als solche vorgestellt. Furtwängler sagt, spätestens jetzt sei ihr bewusst geworden, wie stark sie selber in Stereotypen gefangen sei – und welche Macht Bilder hätten, wie sie das Fernsehen verbreite. Vor zwei Jahren, sagt Furtwängler, sei ihr eine Studie aus den USA über die Darstellung von Frauen im Fernsehen in die Hände gefallen. Und da habe sie sich gefragt: Wie sieht das eigentlich in Deutschland aus?

Nun haben es die Senderchefs schwarz auf weiß. Alle taten betroffen. Alle versprachen, sie würden die Studie „in ihre Sender tragen“. Es wird höchste Zeit. Die BBC hat sich schon 1995 ein sogenanntes Gender Monitoring auferlegt. Seither muss sie in regelmäßigen Abständen berichten, welche Fortschritte sie auf dem Weg zur Gleichberechtigung gemacht hat. Es ist ein mühseliger Weg, aber es geht voran. Die Zahl der vom Fernsehen interviewten Frauen ist von 17 auf 24 Prozent gestiegen.