In den Neunzigern wusste die Stadt sich nicht mehr anders zu helfen, als Flüchtlinge in Containern einzuquartieren. Foto: Archiv Michael Steinert

Nachbarn protestieren gegen den Plan, an der Katharinenstraße Asylbewerber unterzubringen. Manche fürchten um den Wert ihrer Eigentumswohnungen, andere argwöhnen, dass die Unterkunft zum Hort der Kriminalität wird.

S-Mitte - Gegen das Vorhaben, an der Katharinenstraße rund 50 Flüchtlinge unterzubringen, regt sich Widerstand. Anwohner aus der Nachbarschaft beklagen in Briefen an die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle, dass die Standortwahl im Leonhardsviertel ein Fehler sei, aus verschiedenem Grund: Manche fürchten um den Wert ihrer Eigentumswohnungen, andere argwöhnen, dass die Unterkunft zum Hort der Kriminalität wird.

Anwohner protestieren keineswegs nur in der Stadtmitte gegen geplante Flüchtlingsheime. Oberbürgermeister Fritz Kuhn hat inzwischen einen Arbeitskreis zum Thema gegründet. Die Freien Wähler im Gemeinderat wollen die Abstimmung über die Liste vertagen. Die FDP fordert, dass die Bürger über die Standorte mitentscheiden dürfen. Der Gemeinderat möge nur Unterkünfte beschließen, die in den Bezirksbeiräten unumstritten sind. Alle weiteren angepeilten Adressen sollen vor einer Entscheidung mit den Anwohnern diskutiert werden.

Diskussionsabend im Rathaus ist geplant

Was die Katharinenstraße betrifft, wäre dieser Vorschlag allerdings wirkungslos. Einzelne Bezirksbeiräte der Stadtmitte hatten Bedenken gegen eine Unterkunft in direkter Nachbarschaft zum Rotlichtmilieu, stimmten dem Vorschlag letztlich aber zu (wir berichteten). Im Zentrum der Landeshauptstadt fehlen schlicht die Alternativen. Die Lokalpolitiker hatten ursprünglich vorgeschlagen, die zwischenzeitlich leer stehende Neckarrealschule am Fuß des Wagenburgtunnels als Quartier zu nutzen. Der Finanzbürgermeister Michael Föll vermietete den Bau aber an das Kolping-Bildungswerk.

Kienzle will die Anwohner der Katharinenstraße zu einem Diskussionsabend ins Rathaus einladen. Als Termin ist der 21. Januar angepeilt. Die Einladungen sollen noch vor Weihnachten verschickt werden. Einige der Einwände „sind nachvollziehbar und berechtigt“, sagt Kienzle, „über andere muss ich mich wundern“.

Risiko des Abrutschens in die Kriminalität

Die Katharinenstraße gehört zu den Straßen rund ums Leonhardsviertel, auf denen Stadt und Polizei erfolglos versucht haben, den illegalen Straßenstrich zu verdrängen. Einzelne Bezirksbeiräte sind der Meinung, dass Flüchtlingen diese Umgebung nicht zumutbar sei, insbesondere Familien mit Kindern. Letztere sollen nach Aussage des Sozialamts, das für die Unterkünfte verantwortlich ist, an diesem Standort ohnehin nicht einquartiert werden.

Einige Anwohner argumentieren dagegen nicht mit Zumutbarkeit für Zuwanderer. Sie argwöhnen, dass Asylbewerber im Umfeld illegaler Prostitution selbst kriminell werden. Dass Flüchtlingen „Achtung, Respekt, Freundlichkeit und Unterstützung entgegenzubringen“ seien, sei selbstverständlich, schreibt ein Ehepaar. Ungeachtet dessen sei ein Abrutschen in die Kriminalität an jenem Standort naheliegend. Dementsprechend mögen andere Häuser in unverdächtiger Umgebung gefunden werden.

Straßenstrich soll verdrängt werden

Kienzle und die Mehrzahl der Bezirksbeiräte argumentieren allerdings umgekehrt: Nicht eine legale Flüchtlingsunterkunft möge dem illegalen Straßenstrich weichen, sondern die Bemühungen sollen verstärkt werden, den Straßenstrich zu verdrängen. Um zu verhindern, dass Freier sich aus dem Auto heraus käufliche Frauen suchen, ist im Rathaus sogar über die Sperrung der Straße diskutiert worden.

Um für das Vorhaben zu werben, hat die Bezirksvorsteherin sich inzwischen zweimal mit Anwohnern getroffen. Gemessen an den Erfahrungen der Vergangenheit scheint die Aufregung unnötig. Keine Gehminute entfernt wohnten einst im Hotel Türmle Flüchtlinge. Beschwerden gab es nie. Das hat sich in jüngerer Vergangenheit geändert. Inzwischen ist das Haus ein Quartier für Prostituierte. In nächster Nähe, an der Heusteigstraße, leben Asylbewerber unterschiedlichster Herkunft, ohne dass sie je aufgefallen wären. Die Unterkunft existiert seit rund 40 Jahren.