Handarbeit ab 4.30 Uhr: Für frische Wurst muss Thomas Klingler auch früh aufstehen. Foto: Patricia Sigerist

In einer Serie stellen wir Menschen vor, die für besondere Produkte aus der Region stehen. Thomas Klingler, Chef von der Metzgerei Klingler, steht für Bodenständigkeit, für handwerklich saubere Arbeit, für echten, unverfälschten Geschmack – und für ausgezeichnete Produkte.

Fellbach - Gerauchte Schinkenwurst hat er persönlich am liebsten. Und auch mit einem Presskopf kann sich Thomas Klingler anfreunden, gerne auch ein wenig angeraucht. Das sagt viel aus über einen Metzger, der mit seiner Wurst zu Fellbach gehört wie das Entenbrünnele und der Turm der Lutherkirche. Klingler steht für Bodenständigkeit, für handwerklich saubere Arbeit, für echten, unverfälschten Geschmack – und für ausgezeichnete Produkte.

Der Beruf gilt als hart, blutig und grobschlächtig

Das ist keine Schleichwerbung, das hat der Metzgermeister erst jüngst wieder mal schriftlich bekommen. Das Hamburger Gourmet-Magazin Feinschmecker hat den Fellbacher Traditionsbetrieb als eine der 500 besten Adressen für Fleisch und Wurst benannt – bei bundesweit knapp 13 000 Metzgereien ist das schon so etwas wie ein kleines Gütesiegel. „Studieren kann jeder, aber Wurst machen können nur die Besten“, heißt es in der Branche. Der Beruf gilt als hart, blutig und grobschlächtig, bei der Suche nach Nachwuchs tun sich Metzger schwer. Doch wer sein Handwerk versteht, hat seine Kundschaft: Auch wenn dank der vegetarischen Welle fleischfreier Aufschnitt boomt, essen nach wie vor mehr als zwei Drittel der Bundesbürger mindestens einmal pro Woche Wurst.

Das Grundrezept besteht fast immer aus mindestens 50 Prozent Fleisch, 20 bis 30 Prozent Speck, Salz und Gewürzen

Aufs Jahr gerechnet werden pro Kopf 23 Kilogramm Wurst verspeist. Auf 1500 Sorten wird der regional recht unterschiedlich ausgeprägte Ideenreichtum deutscher Metzger geschätzt, gerade der Südwesten gilt mit Bayern als Paradies für die Vielfalt bei der Fleischeslust. Bei dem, was drin ist in der Wurst, gibt es aber zumindest auf der handwerklichen Ebene keine großen Unterschiede. Das Grundrezept besteht fast immer aus mindestens 50 Prozent Fleisch, 20 bis 30 Prozent Speck, Salz und Gewürzen. Wichtig ist nicht nur für die Geschmeidigkeit der Wurstmasse, sondern auch für den Geschmack ein ausreichend hoher Fettanteil – ein Grund, weshalb manch Wurstliebhaber bei Geflügellyoner oder fettreduzierter Light-Ware dankend abwinkt. Für Thomas Klingler allerdings ist die wichtigste Zutat seiner Wurst die Frische. Klar, ein Saitenwürstle braucht auch den richtigen Biss, eine Rostbratwurst ist ohne Majoran kaum vorstellbar.

Doch der Chef muss schon mit ins Hamsterrad

Doch ohne den kurzen Weg zum Kunden hilft auch die schönste Gewürzmischung nichts. „Wie frisch die Ware ist, merken die Kunden spätestens in ihrem Kühlschrank“, sagt der Metzgermeister. Deshalb wird in der Wurstküche an der Ecke von Cannstatter Straße und Mozartstraße an jedem Werktag produziert – montags beim Schlachttag stehen Leberwurst und Kochwürste auf dem Programm, dienstags geht es an die Sülzen, Donnerstag ist Lyonertag. Die große Kunst ist, zwar so viel herzustellen, dass der Kunde aus der Fülle wählen kann – aber nur so wenig, dass man nicht wegwerfen muss, was nicht verkauft wurde. Bratwürste werden bei Klingler deshalb sogar dreimal die Woche produziert – es sei denn, es gehen in einer Woche wie jetzt vor dem Fellbacher Herbst noch Zusatzbestellungen ein. Für den Metzgermeister heißt das, dass er an diesem Montag seit 4.30 Uhr auf den Beinen steht. Nicht allein, der Betrieb beschäftigt in Wurstküche und Verkauf immerhin 40 Mitarbeiter. Doch der Chef muss schon mit ins Hamsterrad. Nur so gelingt es, dass bei Ladenöffnung wirklich frische Wurst in der Auslage liegt – und nicht der im Kühlraum zwischengelagerte Aufschnitt vom Vortag.

Der zweite Unterschied zur Massenware zeigt sich bei der Zutatenliste

Den Metzgermeister und seine Handwerkskollegen unterscheidet vor allem das von der Wurst aus dem Discounter. Was aus der Fabrik ins Supermarktregal kommt, hat in der Regel lange Transportwege hinter sich und wird deshalb oft mit Konservierungsstoffen haltbar gemacht. Die isst man mit, ebenso wie Geschmacksverstärker und Nitritpökelsalz. Der zweite Unterschied zur Massenware zeigt sich bei der Zutatenliste. Eine allein aus Schweinefleisch bestehende Wurst etwa ist zwar deutlich billiger herstellbar als ein auch aus Rind bestehendes Brät. Ohne zugesetzte Kleber aber hält sie nicht zusammen. Normalkunden bemerken den Trick höchstens an der gummiartigen Konsistenz der Supermarkt-Ware. Auch das Untermischen von maschinell von Abfallknochen gelöstem Separatorenfleisch ist für Laien kaum erkennbar. Leichter wird es, wenn Werbesprüche wie „mit Joghurt verfeinert“ auf der Packung stehen – der Kunde darf getrost davon ausgehen, dass statt Billigfleisch ein noch ein paar Cent billigeres Magermilchpulver drin ist.

Wichtig für den Metzger selbst ist eine Esskultur

Den Preiskampf im Discounter sehen Handwerks-Metzger wie Thomas Klingler mit durchaus gemischten Gefühlen. Mithalten können sie nämlich nur mit Frische und Qualität. Und die kostet nun mal mehr. Den 55-Jährigen schreckt das allerdings wenig: „Unsere Kunden möchten für ihr Geld auch gute Ware erhalten – ob die ein paar Cent mehr oder weniger kostet, spielt keine so entscheidende Rolle“, weiß er. Ohnehin sieht Klingler auch Zeichen für eine Kehrtwende. Plastikverpackung und Transportwege, der beim Einkauf auf der grünen Wiese sterbende Innenstadt-Einzelhandel – all das sind Themen, über die aus seiner Sicht inzwischen wieder mehr nachgedacht wird als vor Jahren. Wichtig für den Metzger selbst ist eine Esskultur, in der nicht weggeworfen wird, was gerade nicht auf den Speiseplan passt. „Aus Respekt vor dem Tier sollten alle Teile verwertet werden – nicht nur das Filet“, sagt der Metzgermeister. Deshalb gibt’s bei Klingler Schweinsrüssele und frischen Ochsenmaulsalat. „From nose to tail“ heißt das Zauberwort, von der Nase bis zum Schwanz soll das, was geschlachtet wird, auch auf dem Teller landen.

Klingler hat deshalb extra vor zwei Jahren noch mal die Schulbank gedrückt – und sich in Augsburg zu einem der ersten deutschen Fleisch-Sommeliers ausbilden lassen. Gelehrt wurden Steakschnitte von Onglet bis Cuscino – und die Erkenntnis, dass der Speiseplan nicht nur aus Entrecote und T-Bone-Steak bestehen kann. Genuss-Macher wie Thomas Klingler wissen: Das Filet mag zwar das zarteste Fleisch liefern. Mehr Geschmack allerdings steckt oft in ganz anderen Partien.

Rezeptidee

Seit acht Jahren ist Philipp Kovacs der Küchenchef im Restaurant Goldberg in Fellbach, 2015 gab’s einen Michelin-Stern. Für unsere Serie liefert der Fan der Cross-Culture-Küche diese Rezeptidee:

Gehört ein Schweinebauch nur auf den Grill? Oder lässt sich mit dem etwas aus der Mode gekommenen Fleischstück auch etwas anderes zaubern außer Kesselfleisch und deftige Brotzeit? Der Fellbacher Sternekoch Philipp Kovacs hat sich für die Serie „Genuss-Macher“ ein Rezept ausgedacht, bei dem er den Schweinebauch mit Langusten, Kokosmilch, Zitronengras und Erdnussbutter kombiniert – und eine deutlich fernöstliche Note auf den Teller bringt. Die Zutaten: – Buchweizennudeln (Soba, 300 Gramm)– Langusten, ausgebrochen (4 Stück)– Schweinebauch, gegart (100 Gramm)– Chilli (1 Stück) – Cashewkerne, gehackt, geröstet (10 Gr.)– Sesam gemischt (20 Gr.)– Korianderkresse (10 Gr.)– Minimais blanchiert (4 Stück) – Unagi-Sauce Asialaden, 20 Gr.

Sauce:

150 ml Kokosmilch, 150 ml Geflügelfond, 100 ml Nolly Prat, 1 Schalotte geschnitten, 1 Knoblauchzehe in feinen Würfeln, 1 Stk. Zitronengras geschnitten, 20 g. Ingwerwürfel, 10 ml geröstetes Sesamöl, 10 ml Traubenkernöl, 30 g Tandoori-Paste, 20 g Erdnussbutter, 10 g Korianderstiele, Salz, Zitronensaft

Für die Sauce werden die beiden Öle leicht erwärmt. Schalotte, Knoblauch, Zitronengras, Ingwer farblos anschwitzen. Mit Nolly Prat ablöschen und mit der Brühe auffüllen. Tandoori Paste und Erdnussbutter zugeben und um die Hälfte einreduzieren. Anschließend mit Kokosmilch auffüllen und Korianderstiele auflegen. Nach 20 Minuten abpassieren und mit Salz und Zitronensaft abschmecken

Die Langostinos trocken tupfen und kurz in Olivenöl angrillen, mit Unagi-Sauce lackieren und gehackten Cashewkernen bestreuen. Der Schweinebauch wird ebenfalls knusprig gegrillt, mit der Unagi Sauce lackiert und mit Sesam bestreut. Die Soba-Nudeln werden in Salzwasser für 5 Minuten gekocht. Beliebig mit Chilli, Korianderkresse und Minimais dekorieren. Mit aufgeschäumter Sauce abrunden.