Rainer Neske, früherer Privatkundenvorstand der Deutschen Bank, wird Nachfolger von LBBW-Chef Hans-Jörg Vetter Foto: dpa

Mit der vorzeitigen Berufung eines neuen LBBW-Chefs ist den Eignern ein Coup gelungen. Im November soll der ehemalige Deutsche-Bank-Vorstand Rainer Neske das Steuer übernehmen.

Stuttgart - Die LBBW vollzieht den Generationswechsel an der Spitze und der Beifall in der Branche ist ihr sicher. Der ehemalige Deutsche-Bank-Vorstand Rainer Neske ist eine Hausnummer. Ein Gewinn für die Landesbank. „Dass die Eigner einen Banker von dem Kaliber nach Stuttgart holen, hätte ich nicht gedacht“, ist am Bankenplatz Stuttgart zu hören, als sich die Nachricht verbreitet. Das steht wohl dafür, dass „auch in der Finanzbranche kleinere Brötchen gebacken werden“.

Seit seinem Abgang in Frankfurt im vergangenen Jahr war es etwas ruhig geworden um den 51-jährigen Neske. Lange war spekuliert worden, ob er möglicherweise Martin Blessing als Chef der Commerzbank beerbt. Auch die NordLB steht vor einem Generationswechsel an der Führungsspitze. Da mussten die LBBW-Eigner – die baden-württembergischen Sparkassen, das Land und die Stadt Stuttgart – schnell einen Entschluss fassen. Spitzenbanker wachsen nicht auf den Bäumen.

Neske wird allseits zugetraut, dass er die größte deutsche Landesbank in eine neue Ära führt. Er muss Wachstumsfelder identifizieren und sie erfolgreich erschließen. Und das in einer Zeit, in der Nullzinsen, eine ausufernde Bürokratie und die Digitalisierung allen Banken ernsthaft zusetzen. Es ist gerade nicht leicht Geld zu verdienen in der Branche. Auch wenn Neske, wie er sagt, sich auf seine neue Aufgabe in Stuttgart freut, ganz einfach wird der Wechsel nicht. Der Bankenplatz Stuttgart ist nicht mit der Finanzmetropole Frankfurt zu vergleichen. Auch hat eine Landesbank ganz andere Strukturen als eine börsennotierte Großbank, auch wenn der „Umgang mit der Politik beizeiten so strapaziös sein kann wie mit Aktionären“, wie ein Beobachter sagt.

Neske ist nicht der Typ des aalglatten Bankers

Umstellen muss sich Neske auf jeden Fall beim Gehalt. Die knapp 4,4 Millionen Euro, die er 2014 bei der Deutschen Bank verdient hat, sind in Stuttgart bei weitem nicht drin. Bei der LBBW hatten die sechs Vorstandsmitglieder 2014 insgesamt rund fünf Millionen Euro an Fixgehalt und 2,79 Millionen als Bonus erhalten.

Bei der Deutschen Bank war der in Münster geborene Neske für das Privat- und Geschäftskunden verantwortlich. Er hätte den Bereich gerne ausgebaut. 25 Jahre hat er für das Institut gearbeitet, davon 15 Jahre im Vorstand. Neske war dabei anerkanntermaßen erfolgreich. Im Mai vergangenen Jahres allerdings zog er von sich aus einen Schlussstrich – aus Frust darüber, dass er sich gegen den damals noch amtierenden Co-Chef Anshu Jain und die Investmentbanker nicht durchsetzen konnte. Neske wollte die Trennung von der Postbank nicht akzeptieren und noch weniger die Schließung von 200 der rund 700 Filialen der Bank, nachdem seit 2000 schon mehrere hundert Ableger weggefallen waren.

Letztlich war der Diplom-Informatiker, der in Karlsruhe studiert hat, stets zurückhaltend auftritt und nicht der Typ des aalglatten Bankers ist, Opfer der vielen Skandale und Rechtsstreitigkeiten, die die Bank bis heute rund 15 Milliarden Euro gekostet haben und zum Sparen und Umbau zwingen. Dabei hatte Brillenträger Neske nicht im Ansatz etwas mit den Unregelmäßigkeiten und Betrügereien zu tun, er soll sich darüber massiv geärgert haben. Dafür waren Jain und die Investmentbanker verantwortlich. Dass Jain nur wenige Woche später gehen musste, dürfte für Neske eine Genugtuung gewesen sein. Zugeben würde das der Vater von drei Kindern nie.

Vetters Job ist getan

Auf der Hauptversammlung im Mai vergangenen Jahres wurde der Westfale von den Aktionären mit starkem Applaus verabschiedet. Manche sagten, sein Abgang sei „fast schon eine Katastrophe“, andere es gehe „ein Bankier und nicht ein Banker“. Neske selbst bestätigte diesen Eindruck: Er verzichtete auf eine Abfindung, obwohl sein Vertrag noch bis Mai 2017 gelaufen wäre.

Dass der Generationenwechsel in Stuttgart nun früher vollzogen wird, als geplant, überrascht nicht wirklich. Schon länger gab es Spekulationen, dass LBBW-Chef Hans-Jörg Vetter seinen Vertrag nicht bis Ende der Laufzeit im August 2017 erfüllen werde. Der gebürtige Göppinger wäre dann 65 Jahre alt. Wohl auch deshalb hat der baden-württembergische Sparkassenpräsident Peter Schneider ein ums andere Mal mit der Wahrheit taktiert. „Wenn er morgen sagt, ich mache noch weiter, wäre ich hocherfreut“, so Schneider noch zu Beginn des Monats. Die Frage nach einem Nachfolger stelle sich derzeit nicht, betonte er. Zu diesem Zeitpunkt war sie vermutlich schon beantwortet.

Vetters Job ist getan, so die einhellige Meinung. Der 63-Jährige übernahm die Landesbank in ihrer schwersten Zeit. Die Bank stand am Abgrund. Sie hatte sich mit spekulativen Papieren verzockt und musste von ihren Eignern mit einer milliardenschweren Kapitalspritze gerettet werden. Vetter führte die Bank durch das schwierige Verfahren mit der EU-Kommission, die diese Hilfe nur unter großen Auflagen genehmigte. Der von Brüssel verordnete Schrumpfungsprozess, in dessen Verlauf 2500 Mitarbeiter die Bank verlassen mussten, verlief mehr oder weniger geräuschlos. Etwas, was die Eigentümer überaus schätzten. In den vergangenen sieben Jahren hat Vetter als Aufräumer brilliert. Unter seiner Ägide hat sich die Bank im Schnellverfahren von einem Berg von Schrottpapieren getrennt, der in der Spitze ein Volumen von 95 Milliarden Euro hatte. Vetter stellte den Immobilienbereich neu auf und konzentrierte die Bank auf das Geschäft mit mittelständischen und vermögenden Kunden.

Inzwischen ist die Landesbank wieder auf Kurs. Ein Teil der Staatshilfen ist zurückgegeben, für 2014 zahlte die LBBW wieder eine Dividende. Dass der Bankchef bisweilen einen rauen Umgangsstil im Vorstand und auch mit Mitarbeitern pflegte, hat seinem Ansehen nicht geschadet.

Die Landesbank ist wieder auf Kurs

Den öffentlichen Auftritt liebt Vetter nicht. In der Öffentlichkeit ist er all die Jahre nicht groß in Erscheinung getreten. Das, so die Hoffnung in der Finanzszene, ändere sich vielleicht unter seinem Nachfolger. Die Landesbank, die über 11 000 Mitarbeiter beschäftigt und es auf rund 280 Milliarden Euro Bilanzsumme bringt, brauche ein Gesicht, so die Meinung.

Am Dienstag war die Stunde des Lobes. Die Sparkassen schätzen die Arbeit von Hans-Jörg Vetter sehr, ließ Schneider mitteilen. Er habe die LBBW nicht nur durch die Krise geführt, sondern sie auch zukunftsfest aufgestellt. „An diese erfolgreiche Zeit wollen wir nahtlos mit Rainer Neske anknüpfen.“ Und auch der LBBW-Chef ist mit der Entscheidung des Aufsichtsrates zufrieden: „Herr Neske ist eine exzellente Lösung für den Vorstandsvorsitz der LBBW ab dem Herbst.“