Der Siebtklässler Mats erläutert dem Regierungspräsidenten Wolfgang Reimer das Coaching. Foto: Gottfried Stoppel

Wie lernt es sich, wenn Schüler aller Niveaustufen in einem Klassenzimmer sitzen? Der Regierungspräsident Wolfgang Reimer hat das in der Gemeinschaftsschule in Korb hinterfragt.

Korb - Alle vier bis fünf Wochen beugt sich Mats mit seinem Klassenlehrer Joachim Menne über eine Zielscheibe. Auf ihr stellt der Siebtklässler Spielfiguren mal näher, mal weiter entfernt von dem Smiley in der Mitte auf – je nachdem, wie es gerade läuft mit dem Lernen, dem Unterricht, den Mitschülern und dem Lehrer. Auch, ob zu Hause alles in Ordnung ist oder nicht kann Mats auf der Zielscheibe darstellen.

Regelmäßiges Gespräch mit dem Klassenlehrer

Dieses Coaching gibt es für jeden Schüler der Gemeinschaftsschule Korb, zwei Stunden pro Woche sieht das Deputat der Lehrer für solche Gespräche vor. Es gehe darum, die Kinder dazu zu befähigen, eigenständig Probleme zu lösen, erklärt Joachim Menne. Gemeinsam vereinbare man Ziele, die gut umsetzbar seien. „Mir persönlich bringt das Coaching, dass ich im Unterricht besser mitkomme und Probleme zu Hause lösen kann“, sagt Mats. „Mir bringt es, dass ich mich wohlfühle“, ergänzt seine Mitschülerin Anna am Dienstagmorgen anlässlich des Besuchs von Wolfgang Reimer an der Korber Gemeinschaftsschule.

Der Regierungspräsident ist gekommen, um zu sehen, wie sich die umstrittene Schulform entwickelt hat. Während Mats und Anna erzählen, geht plötzlich die Tür eines Klassenzimmers auf – ein Schüler wird rausgeschmissen. Konflikte gibt es auch hier – und doch unterscheidet sich die Gemeinschaftsschule von anderen Einrichtungen.

17 Preise für gute Leistungen

„Die Leistungen der ersten beiden Realschulprüfungs-Jahrgänge waren außergewöhnlich gut“, berichtet der Schulleiter Jochen Binder. Demnach haben von 42 Schülern 30 einen Notendurchschnitt besser als 2,5 erzielt, 17 Preise für besonders gute Leistungen sind vergeben worden. Fragt man die Schüler, von denen einige den Regierungspräsidenten sowie Vertreter des Schulamts und der Gemeinde durch die Schule führen, hört man immer wieder, wie persönlich die Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern seien. „Die Betreuung ist eine andere, hier kennt man die Lehrer besser“, sagt Lina. Die junge Frau besucht inzwischen die zwölfte Klasse eines Wirtschaftsgymnasiums und hat daher einen direkten Vergleich. An den Frontalunterricht an ihrer neuen Schule habe sie sich erst einmal gewöhnen müssen, weil sie es von der Gemeinschaftsschule gewohnt sei, sich den Lernstoff größtenteils selbst zu erarbeiten.

Unterschiedliche Lernniveaus

Wie das mit ganz unterschiedlichen Leistungsniveaus funktioniert, können die Besucher in einer fünften Klasse beobachten. Die Kinder schätzen ihr Können selbstständig ein und bearbeiten dann die entsprechenden Aufgaben. Sie notieren auch, ob ihnen diese leicht oder schwer gefallen sind. Durchmogeln könne man sich dabei nicht: „Wir sind ganz klar eine Schule, die Leistung fordert“, betont Schulleiter Binder.

Und doch könnten die Kinder auch mal ein Tief haben, „ohne dass die Türen gleich zugeschlagen sind“, sagt Michaela Branz, die Elternbeiratsvorsitzende. Beim dreigliedrigen Schulsystem, bei dem schon nach der vierten Klasse über die weitere Schullaufbahn entschieden wird, sei das so kaum möglich. An der Gemeinschaftsschule hingegen könnten die Schüler ganz unterschiedlich in den einzelnen Fächern begabt sein – und trotzdem gestärkt rausgehen. „Weil sie wissen, sie können was“, erklärt Branz. Ein Beispiel dafür ist Theo. „In der Grundschule war ich halt sehr faul“, gibt der Jugendliche zu. Deshalb hatte er eine Empfehlung für die Hauptschule. Doch Theo absolvierte die Gemeinschaftsschule, besucht jetzt ein agrarwissenschaftliches Gymnasium und macht im nächsten Jahr sein Abitur.

Es gibt viele Vorurteile

Niemand werde an der Gemeinschaftsschule als schwacher Schüler abgestempelt, im Gegenteil: „Jeder profitiert von jedem – deshalb ist die Durchmischung ganz wichtig“, sagt Schulleiter Binder. Dass viele Vorurteile und Gerüchte über die Schulart kursierten, mache es mitunter allerdings schwierig, das Vertrauen der Eltern zu gewinnen, so Binder. Er wünsche sich, dass die guten Ergebnisse, wie die des jüngsten Abschlussjahrgangs, in der Öffentlichkeit besser kommuniziert würden. Zumindest der Regierungspräsident scheint überzeugt: „Man spürt den Geist, der an der Schule herrscht, viel Empathie und Engagement“, lobt Reimer.

Info: Die Gemeinschaftsschule Korb

Geschichte: Im Jahr 2012 ging die Gemeinschaftsschulein Korb – als erste im Rems-Murr-Kreis – an den Start. In der Region Stuttgart wurden damals außerdem die Grund- und Werkrealschule Döffingen (Kreis Böblingen) sowie die Heinrich-Schickhardt- und die Blumhardtschule in Bad Boll (Kreis Göppingen) zu Gemeinschaftsschulen.

Gegenwart: Heute besuchen rund 650 Schülerinnen und Schüler an drei Standorten von der ersten bis zur maximal zehnten Klasse die Korber Gemeinschaftsschule. Sie können den Haupt- oder den Realschulabschluss machen. Das Kollegium umfasst 48 Lehrkräfte. Die Schüler werden in ihren Klassen auf verschiedenen Niveaustufen unterrichtet.