Brigitte Meier ist Vorsitzende des Gerlinger Weltladenvereins. Sie verfolgte die Debatte im Gemeinderat Foto: /factum/Jürgen Bach

Um den fairen Handel zu unterstützen, streben die Grünen eine Zertifizierung an, welches die Stadt in einigen Bereichen verpflichtet. Das stört vor allem die Christdemokraten. In der Diskussion standen sich vor allem diese beiden Fraktionen gegenüber. Das Ergebnis war am Ende deutlich.

Gerlingen - Darf Gerlingen bei städtischen Veranstaltungen keinen Apfelsaft von heimischen Streuobstwiesen mehr anbieten, wenn die Kommune Fairtrade-Town ist? Auch um diese Frage ging es diese Woche in einer Diskussion im Gerlinger Gemeinderat.

Die Stadträte hatten über einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abzustimmen. Darin forderten die Grünen, die Auszeichnung als Fairtrade-Town anzustreben. Sie begründeten ihren Antrag damit, dass ein Ergebnis des Stadtentwicklungsprozesses sei, dass sich viele Bürger eine Ausweitung des fairen Handels in ihrer Stadt wünschen, die zudem zur Fairtrade-Stadt werden solle.

Ursprung geht auf Nachhaltigkeitsgipfel der UN zurück

Die Zertifizierung zur Fairtrade-Town hat ihren Ursprung in der Agenda 2030. Diese wurde im September 2015 auf dem Nachhaltigkeitsgipfel der Vereinten Nationen in New York verabschiedet. Sie gilt für alle Staaten der Welt. Kern sind 17 Ziele, die soziale, ökologische und ökonomische Aspekte von Nachhaltigkeit umfasst.

„Wir wollen uns auf den Weg machen, Mitglied einer weltweiten Kampagne zu werden“, warb der parteilose Bürgermeister Dirk Oestringer für den Antrag. Ihmzufolge sind bereits mehr als 2200 Kommunen in 36 Ländern beteiligt. Als Fairtrade-Town stärke Gerlingen zudem „das internationale Profil der Stadt und zeigt das Engagement für fairen Handel auf“.

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Mit der Zertifizierung wolle man den Gedanken des fairen Handels „in der Gesellschaft etablieren“. Gleichwohl betonte er, dass man in der Stadt „in vielen Bereichen schon weit sei“, manches gar über die Vorgaben hinausgehe. Er verwies dabei auch auf den Weltladen sowie auf die verwaltungsintern geltenden Regelungen, wonach Kaffee und Tee aus fair gehandelten Produkten ausgeschenkt wird und fair gehandelte Schokolade angeboten werde.

In der Diskussion regte sich dennoch Widerstand gegen den Antrag, vor allem aus den Reihen der Christdemokraten.

Um die Zertifizierung zu erreichen, muss das Thema im Ort verankert werden. Dafür müssen fünf Kriterien erfüllt werden. Unter anderem ist ein entsprechender Gemeinderatsbeschluss nötig.

Zudem sollen Geschäfte und Gaststätten, fair gehandelte Produkte anbieten. So sehr sie dies im Grundsatz begrüße, störe sie sich am Zwang, sagte etwa die Christdemokratin Gabriele Badenhausen. „Wir verpflichten uns nicht gerne.“ Man solle nur darauf verweisen, dass dies der bessere Weg sei.

Die Christdemokraten sahen zudem einen Widerspruch zu ihrem eigenen Bestreben, regionale Produkte zu fördern. „Die Welt verbessern ist gut, aber wir sehen ja in der Krise, dass alles um uns rum funktioniert“, betonte Irmgard Schopf die Bedeutung der regionalen Versorgung. „Kaffee wächst nicht im Kreis Ludwigsburg, aber Apfelsaft gibt es von unseren Streuobstwiesen.“

Steuerungsgruppe wird eingesetzt

Der Grünen-Rat Björn Maier argumentierte, an diesem auch weiterhin festhalten zu können. „Das ist kein Widerspruch zu lokalen Produkten.“ Bei Kaffee oder aber Cola könne man fortan fair gehandelte Produkte wählen. Er ging noch weiter: Wenn man als Partei das Christliche im Namen habe, sollte man sich überlegen, „ob man den Antrag ablehnen will“, attackierte er die CDU-Räte – was den CDU-Fraktionschef Christian Haag sichtlich ärgerte. Er habe nicht davon gesprochen, nicht zuzustimmen, betonte er: „Ich habe nicht gesagt, dass wir den Antrag ablehnen.“ Haag hatte argumentiert, dass man die gesellschaftlichen Gruppierungen vorher hätte darauf ansprechen können. „Es wäre gut gewesen, positive Signale mitbringen zu können“, sagte er an die Grünen gewandt. So werde nun über Dritte entschieden, was diese zu tun haben. Bürgermeister Dirk Oestringer machte keinen Hehl daraus, dass er dies für den falschen Weg gehalten hätte. Das Bekenntnis sei wichtig, wolle man als Stadt das Thema grundsätzlich voranbringen.

Er warb zugleich vor dem bisherigen Engagement der Stadt dafür, „die Angelegenheit nicht zu hoch zu hängen“. Bei fünf Enthaltungen beschloss der Gemeinderat letztlich, Fairtrade-Town werden zu wollen. Als nächstes soll eine Steuerungsgruppe gegründet werden, um den Prozess voranzutreiben.