Spitzenkandidaten der AfD im Osten: Urban, Kalbitz und Höcke (v.l.) Foto: dpa

Die erwarteten Erfolge der AfD bei den anstehenden Landtagswahlen im Osten könnten die Machtverhältnisse in der Partei verändern. Darauf setzt der völkisch-nationale „Flügel“. Gemäßigte Kräfte warnen.

Potsdam/Dresden - Wie erfolgreich auch immer die AfD bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen abschneidet – Regierungsverantwortung kann sie weder in Potsdam noch in Dresden übernehmen. Denn: Die Partei ist auch im Osten vollkommen isoliert, alle Mitbewerber haben eine Zusammenarbeit mit ihr ausgeschlossen. Ihr bleibt also nur die Oppositionsrolle.

Mögliche Folgen eines starken Abschneidens der AfD wurden zuletzt breit diskutiert. Vor allem mit der Stoßrichtung, dass es künftig schwieriger sein dürfte, stabile Regierungen zu bilden. Zudem waren auch mögliche Auswirkungen mit Blick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Osten ein Thema.

AfD-intern dagegen sieht man den Wahlen unter ganz anderen Vorzeichen entgegen. Insbesondere Vertreter und Anhänger der völkisch-nationalen Gruppierung „Der Flügel“ setzen darauf, dass Wahlerfolge im Osten helfen könnten, das innerparteiliche Machtgefüge zu verschieben. Hintergrund: In mehreren westdeutschen Landesverbänden, darunter auch der baden-württembergische, liefern sich gemäßigte und radikalere AfD-Vertreter seit Monaten einen Machtkampf.

Der „Flügel“ – ein Verdachtsfall für den Verfassungsschutz

Die Auseinandersetzung eskalierte, nachdem sich die Parteispitze um Jörg Meuthen und Alexander Gauland im vergangenen Herbst angesichts einer drohenden Beobachtung durch den Verfassungsschutz gezwungen sah, das völkisch-nationale Lager zur Mäßigung zu zwingen, unter anderem mit der Androhung und Einleitung von Parteiausschlussverfahren. Inzwischen sind die Verhältnisse in mehreren Landesparteien und –fraktionen heillos zerrüttet.

Während der „Flügel“ in den meisten westlichen Landesverbänden jeweils starke und gut organisierte Minderheiten stellt, befinden sich die Ostverbände mehr oder weniger fest im Griff der Gruppierung. Andreas Kalbitz, AfD-Spitzenkandidat in Brandenburg, gilt als enger Vertrauter des Thüringers Björn Höcke, dessen „Erfurter Erklärung“ die Gründungsurkunde des „Flügels“ darstellt. Höcke selbst ist AfD-Spitzenmann in Thüringen, wo Ende Oktober ebenfalls gewählt wird. Der sächsische AfD-Spitzenkandidat Jörg Urban gilt als Anhänger des „Flügels“, tritt aber in der Öffentlichkeit deutlich gemäßigter auf als Kalbitz und Höcke.

Der „Flügel“ wird seit Januar vom Verfassungsschutz als sogenannter Verdachtsfall geführt, die Organisation wird nun auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet. Das im Herbst bekannt gewordene Gutachten des Verfassungsschutzes zur AfD sieht Hinweise dafür, dass die Gruppierung die grundgesetzliche Garantie der Menschenwürde in Frage stellt, indem sie diese an die Volkszugehörigkeit knüpfe. Auch Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip stelle der „Flügel“ in Frage.

Gemäßigte: AfD wird trotz Höcke gewählt

Vertreter und Anhänger des „Flügels“ betrachten sich als Bewahrer der AfD-Gründungsideale. Ihren Gegnern werfen sie vor, möglichst schnell an die Fleischtöpfe der Macht gelangen zu wollen. Sie passten sich den anderen Parteien an, um koalitionsfähig zu werden. Nach diesem Selbstverständnis sollen die Landtagswahlen den innerparteilichen Gegnern im Westen beweisen, dass der völkisch-nationale Kurs einer klaren Abgrenzung vom verhassten „Kartell der Altparteien“ erfolgreicher ist. Motto: Lasse man dem „Flügel“ freie Hand, seien auch im Westen Wahlergebnisse in Richtung 20 Prozent möglich.

Gemäßigte Kräfte widersprechen vehement. Der Berliner AfD-Schatzmeister Frank-Christian Hansel verwies schon im Juli auf Grundlage von Analysen zu den Europa- und Kommunalwahlen darauf, dass die Wähler sich nicht wegen Höcke und Kalbitz, sondern den „Flügel“-Vormännern zum Trotz für die AfD entschieden hätten. Tatsächlich holte Höcke im Eichsfeld, seinem Wahlkreis, mit 18,7 Prozent bei der Europawahl das schlechteste Resultat unter allen Kreisen in Thüringen. Bei der Kommunalwahl erhielt er nur 13,5 Prozent, während gemäßigte Bewerber teils auf knapp 30 Prozent kamen.

Eine Insa-Umfrage vom März stützt Hansels Sichtweise. Danach wünschten bundesweit 45 Prozent der AfD-Anhänger eine stärkere Abgrenzung gegenüber den Rechtsaußen, in Thüringen 55 Prozent. Auch der Politikwissenschaftler Hajo Funke vertritt die Auffassung, dass Kalbitz und Höcke den AfD-Wahlkämpfern nicht helfen. Deren „Hetze“ lehnten viele Wähler ab.