Die Sanierung des Geislinger Michelberggymnasiums ist völlig missglückt. Dadurch ist der Kommune ein Schaden von rund 21 Millionen Euro entstanden. Foto: / Ines Rudel

Ludwig Kraus, Werner Gass (ehemals Freie Wähler) und Holger Schrag (Offene Liste) formieren sich zu einer neuen Fraktion. Sie verlangen, dass die Verwaltung die Fehler bei der missglückten Sanierung des Geislinger Michelberggymnasium benennt.

Geislingen - Im Zuge der Konflikte rund um die missglückte Sanierung am Michelberggymnasium hat nicht nur der frühere Leiter des städtischen Bauamts das Handtuch geworfen und seine Stelle gekündigt. Auch einige Mitglieder des Geislinger Gemeinderats haben persönliche Konsequenzen gezogen. Drei Mitglieder haben die Fraktion der Freien Wähler verlassen. Außerdem hat Holger Schrag, der für die Offene Liste im Gemeinderat sitzt, seine Funktion als Gast der Grünen-Fraktion aufgegeben.

Während der Fraktionssprecher Ludwig Kraus und der Gemeinderat Werner Gass (beide Freie Wähler) lediglich die Fraktion verlassen haben, hat ihre Kollegin Bettina Maschke auch ihr Mandat niedergelegt. Inzwischen haben sich die fraktionslosen Stadträte Gass, Kraus und Schrag zusammengeschlossen. Ihr Bündnis nennt sich „Die neue Fraktion“ (DNF).

Für Bettina Maschke ist die Grenze des Erträglichen erreicht

Bettina Maschke begründete ihren Rückzug aus der Kommunalpolitik mit großer seelischer und körperlicher Belastung. Für sie sei eine Grenze des Erträglichen erreicht. Ihr Amt als Ortsvorsteherin von Weiler wolle sie aber weiter ausüben. Mit ihrem Rücktritt wolle sie ein gesellschaftspolitisches Zeichen setzen und Platz machen für ein neues, in Sachen Michelberggymnasium unbelastetes Gemeinderatsmitglied.

Für Maschke steht fest, dass der Gemeinderat und die Verwaltung gemeinsam Fehlentscheidungen getroffen haben. „Wir haben an den falschen Architekten vergeben“, dafür trügen alle gemeinsam die Verantwortung. Die hartnäckige Verfolgung einzelner Aspekte in der Aufklärungsdebatte verletze die Persönlichkeitsrechte, Grundrechte und Datenschutzbelange einzelner Mitglieder der Verwaltung. Dies sei für sie eindeutig grenzüberschreitend. Wegen dieser „unrechtmäßigen, gnadenlosen und menschenverachtenden Aufklärung“ seien momentan große Teile der Verwaltung und des Gemeinderats nicht fähig, konstruktive und zukunftsorientierte Lösungen für das Michelberggymnasium zu finden.

Kritiker sprechen von Intransparenz und mangelnden Aufklärungswillen

Damit spielt Maschke auf das Vorgehen von Kritikern im Gemeinderat an – zu denen Kraus (Freie Wähler), Sascha Binder (SPD) und Schrag (Offene Liste ) zählen. Die Kritiker werfen der Verwaltung im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe zur Sanierung des Michelberggymnasiums an den Siegener Architekten Horst Höfler Intransparenz, mangelnden Aufklärungswillen und eine mangelhafte Information des Gemeinderats vor.

Strittig sind die Fragen, ob Höfler beauftragt werden musste, weil er das Urheberrecht an dem Schulbau besaß, ob seine Leistungsfähigkeit als Architekt ausreichend geprüft worden sei und ob die Schulsanierung nicht doch europaweit hätte ausgeschrieben werden müssen.

Dem Stühlerücken in der Fraktion der Freien Wähler war eine Erklärung vorausgegangen. In dieser forderten Jörg Bopp, Stephan Schweizer und Bettina Maschke (Freie Wähler) sowie Bernhard Lehle (Grüne) ein Ende der internen Aufarbeitung zugunsten einer rechtlichen Aufarbeitung, da Forderungen nach weiterer, noch ausführlicherer Aufarbeitung die Verwaltung in der Tagesarbeit so sehr hemmten, dass deren Handlungsfähigkeit existenziell bedroht sei.

Ludwig Kraus: Es ist unsere Pflicht, die Verwaltung zu kontrollieren

Nicht nur inhaltlich, auch formal geht Ludwig Kraus mit diesem Papier nicht konform. Er sieht die Verwaltung keineswegs gelähmt, stört sich am nicht abgesprochenen Vorpreschen seiner ehemaligen Fraktionskollegen und spricht von einem Vertrauensverlust, der ihn zum Austritt aus der Fraktion bewogen habe. Zudem verwahrt sich Kraus gegenüber Maschkes Formulierung, in der die Ortsvorsteherin von „menschenverachtender Aufklärung“ spricht. „Was ist daran menschenverachtend? Wir haben uns nur an Fakten orientiert. Es ist unsere Pflicht, die Verwaltung zu kontrollieren“, verteidigt Kraus eine Debatte im Gemeinderat, die nach Akteneinsicht durch die vier Räte Kraus, Binder, Thomas Reiff (SPD) sowie Holger Schrag (Offene Liste) erfolgte und in deren Verlauf der Verwaltung Versäumnisse vorgeworfen wurden. Kraus fordert nun die Rückkehr zur sachlichen Auseinandersetzung zum Wohle der Stadt und dazu gehöre auch die Frage, welche konkreten Fehler die Verwaltung gemacht habe.

Auch Holger Schrag versteht sich als Gemeinderat, der der Verwaltung auf die Finger schaut, dafür sehe er einen klaren Wählerauftrag: „Wir suchen keinen Schuldigen, sondern arbeiten lösungsorientiert.“ Sein Kurs sei verwaltungskritischer, deshalb habe er seinen Gaststatus bei den Grünen aufgegeben. Wenn er 2013 gewusst hätte, was er heute wisse und worüber er aus Rücksicht auf laufende Klageverfahren nicht sprechen dürfe, hätte er damals nicht so schnell zugestimmt.