Heinz Scheiffele (vorne rechts), der Leiter des Warenarchivs, demonstriert die historischen Töpfe. Foto: Ines Rudel

Mehr als 11 000 Produkte der Firma aus den vergangenen 160 Jahren schlummerten lange Zeit im Verborgenen – bis das Landesdenkmalamt anklopfte. Jetzt denkt das Unternehmen über ein Museum nach.

Geislingen - Ob Besteck, Schnellkochtöpfe oder Gewürzsteuer – WMF-Produkte finden sich in nahezu jedem Haushalt. Was allerdings die Wenigsten wissen: Das Unternehmen mit Sitz in Geislingen, das 1853 von Daniel Straub als „Straub & Sohn“ gegründet und 1880 durch Fusion der Esslinger Metallwarenfabrik „Ritter & Co“ zur Württembergischen Metallfabrik wurde, hat im Laufe seiner mehr als 160-jährigen Geschichte auch bunte Vasen, Kerzenständer im Jugendstil und Skulpturen hergestellt. Mehr als 11 000 dieser bekannten und weniger bekannten Produkte, die von der Firmengründung bis heute hergestellt wurden, sind Teil des historischen Warenarchivs des schwäbischen Traditionsunternehmens. Jetzt ist das Warenarchiv in das Denkmalbuch des Landes Baden-Württemberg eingetragen worden. Am Dienstag hat Wolfgang Reimer, der Regierungspräsident des Regierungsbezirks Stuttgart, die dazugehörige Urkunde in Geislingen überreicht.

„Im Dezember 2016 ist ein Schreiben des Landesamts für Denkmalpflege bei uns eingegangen, in dem von einem Entfernungsverbot für das Warenarchiv die Rede war“, sagt Volker Lixfeld, Vorstandsvorsitzender der WMF Group, bei der Urkundenübergabe. Er habe daraufhin erfahren, dass Heinz Scheiffele „irgendwo in den Katakomben Produkte archiviert und nie das Tageslicht sieht“. Die beiden vereinbarten ein Treffen, sechs Wochen später waren einige Exponate zusammengestellt.

Weimer hofft auf ein öffentliches Museum

„Ich muss zugeben, ich war überrascht, als ich von Claus Wolff, dem Chef des Landesdenkmalamts, von der Sammlung erfahren habe“, sagt Regierungspräsident Reimer. Schließlich würden zwar auch bewegliche Gegenstände in das Denkmalbuch des Landes eingetragen, trotzdem denke man beim Thema Denkmalschutz zunächst an Gebäude. Reimer weiß: „Natürlich ist es erst mal ein Schock für ein Unternehmen, wenn es heißt, bei der Ware handelt es sich um einen historischen Bestand, der nicht aus dem Land gebracht werden darf.“ Er halte das Warenarchiv aber für ein „einzigartiges Dokument der Geschichte einer der renommiertesten Firmen des Landes“. Weimer hofft, dass ein Museum entsteht, das öffentlich zugänglich gemacht wird.

Die aktuelle Ausstellung in der WMF-Erlebniswelt oberhalb des Showrooms steht nur Kunden und Mitarbeitern offen. Das Gebäude, sagt Lixfeld, biete sich zwar für ein öffentliches Museum an – auch deshalb, weil es wider Erwarten im Besitz der WMF bleibe und nicht an die Mutschler-Gruppe verkauft werde. Trotzdem brauche das Unternehmen für die Einrichtung eines öffentlichen Museums die Unterstützung von Stadt und Land sowie ein klares Konzept. „Schließlich brauchen wir mehrere tausend Quadratmeter Platz und das Gebäude muss außerhalb des Betriebsgeländes zugänglich sein“, sagt Lixfeld.

Solche Sammlungen sind selten

Derzeit sind von den gut 11 000 Produkten, die zur Sammlung des historischen Warenarchivs gehören, nur rund 800 ausgestellt. Darunter: Die erste Kaffeemaschine aus dem Jahr 1880 und ein Modell in komplett neuem Design aus den 50er Jahren. „Zur gleichen Zeit wurde auch der WMF-Kundendienst ins Leben gerufen“, klärt Lixfeld auf. Der Motorradanhänger, der dem damaligen Kundendiensttechniker Emil Schiele als Transportmittel diente, steht ebenfalls in der WMF-Erlebniswelt. Zum Inventar gehören auch Skulpturen, die in der Galvanoplastischen Kunstanstalt, einer Tochterfirma der WMF, entstanden sind. Die Ausstellung zeigt verschiedene Modelle des bekannten Sicherheitskochers („Siko“), Besteck in den unterschiedlichsten Formen und die berühmten Gewürzstreuer „Max und Moritz“ des Bauhaus-Schülers Wilhelm Wagenfeld, einem der bedeutendsten Industriedesigner des 20. Jahrhunderts. Laut Claus Wolff, dem Abteilungspräsidenten des Landesamts für Denkmalpflege Baden-Württemberg, ist es „ein seltener Fall, dass die Produkte nicht verloren gegangen sind“.

Volker Lixfeld ist vor allem auf einen Bestandteil besonders stolz: Die Nachbildung der Paradistüre des Florentiner Baptisteriums. Die sechs auf vier Meter große und zwei Tonnen schwere Tür war von der Galvanoplastischen Kunstanstalt einst für das Städtische Museum in Stettin reproduziert worden. Weil das Museum die Kosten aber nicht begleichen konnte, wurde die Tür 1928 nach Geislingen zurückgeholt. Für Lixfeld wäre das vergoldete Kunstwerk der optimale Startpunkt eines öffentlichen Museumskomplexes.