Erstmals werden historische Produktfotografien der WMF präsentiert. Der Stadtarchivar Hartmut Gruber (links) und Heinz Scheiffele, der Leiter des historischen Warenarchivs der WMF, haben die Ausstellung gemeinsam initiiert. Foto: Ines Rudel

In den 1920er Jahren mauserte sich die Fotografie zu einem Werbemedium. Die aktuelle Weihnachtsausstellung im Alten Bau ist der Produktfotografie gewidmet. Die Arbeiten haben einen hohen künstlerischen Anspruch.

Geislingen - Bei Fotografen gilt die Produktfotografie als Königsdisziplin. Die aktuelle Weihnachtsausstellung im Alten Bau in Geislingen stellt eindrücklich unter Beweis, wie schwierig es ist, alltägliche Gegenstände ins rechte Licht zu rücken. Zu sehen sind dort Produktfotografien aus dem Archiv der Württembergischen Metallwarenfabrik (WMF) aus den späten 1920er bis in die 1960er Jahre hinein. Bei den Schwarz-Weiß-Aufnahmen handelt es sich um Originalabzüge, die der Öffentlichkeit bisher noch nie gezeigt wurden. Ergänzt werden die Fotografien durch ausgewählte Produkte der WMF.

Auf die Arbeiten von vier Fotografen konzentriert sich die Ausstellung „Neues Sehen“ im Wesentlichen. Der Titel bezieht sich auf eine Stilrichtung der Fotografie in den Zwanzigerjahren, die mit Traditionen brach und dem Bauhaus nahestand. Heinz Scheiffele, der seit 25 Jahren Leiter des historischen Warenarchivs der WMF ist, hat mit Hans Finsler und Adolf Lazi zwei bekannte Vertreter ihrer Zunft ausgewählt und ihnen mit Emil Jäger und Karl Schuhmacher zwei WMF-Werksfotografen zur Seite gestellt. Die Aufgabe dieser sogenannten Industriefotografen war es, mit ihren Aufnahmen Begehrlichkeiten beim Betrachter zu wecken. Doch obgleich es sich im weitesten Sinne um Werbung handelt, offenbaren die gezeigten Fotografien einen hohen künstlerischen Anspruch.

Gegenstände bekommen ein Eigenleben

Der Schweizer Fotograf Hans Finsler (1891 – 1972), einer der Protagonisten der Neuen Fotografie und der Neuen Sachlichkeit, arrangiert so profane Gegenstände wie Lampenschirme, Teetassen und Vasen so, dass sie wie Stillleben wirken. „Das war Ende der Zwanzigerjahre revolutionär“, erläutert Heinz Scheiffele. Seine Fotografien verleihen den Objekten durch ein geschicktes Spiel mit Licht und Schatten ein Eigenleben. Auf diese Weise setzt er eine Kristallschale mit einer unglaublichen Dramatik in Szene. Der Gegenstand und sein Schatten sind fast nicht auseinanderzuhalten.

Anders, aber mit nicht weniger Finesse, arbeitete der Stuttgarter Fotograf Adolf Lazi (1884 bis 1955). Er verzichtete auf harte Schatten und arrangierte die Produkte häufig vor einem schwarzen Hintergrund, sodass sie zu schweben scheinen. „Die Plastizität ist phänomenal“, sagt Heinz Scheiffele und deutet auf eine Aufnahme, die einen Ausschnitt von mehreren übereinandergelegten Chippendale-Tabletts zeigt. Auf der anderen Seite der Stellwand findet sich eine Fotografie mit einer Schmuck- und Puderdose, die geheimnisvoll glänzend vor einem gefältelten Stück Stoff in Szene gesetzt ist. Unnachahmlich ist auch, wie Lazi simples Besteck ablichtet. Es wirkt als ob die Gabel, Löffel und Messer sich aufrichteten.

Reduktion auf das Wesentliche

Hinter diesen zu ihrer Zeit sehr populären Industriefotografen brauchen sich die beiden WMF-Werkfotografen nicht zu verstecken, wie Heinz Scheiffele findet. Karl Schuhmacher (1914 – 2006) arbeitete gerne mit Überschneidungen und Spiegelungen. Vor einem hellen Hintergrund inszeniert er etwa eine mit Wasser gefüllte Vase, in der sich zwei Gerbera befinden. Das Arrangement erinnert an fernöstliche Motive. Manche der Objekte auf den Fotografien sind auch im Original in der Ausstellung zu sehen. Das ist besonders reizvoll. Zum einen zeigen diese Exponate, wie treu sich die WMF in ihrem puristischen Design geblieben ist. Zum anderen ist es interessant, was die Fotografen aus diesen Gegenständen „machten“. So wirkt eine Obstschale aus Messing in Karl Schuhmachers Aufnahme daneben wie ein Ufo bei der Landung. Ein Geislinger Gewächs ist der Werksfotograf Emil Jäger, der gerne mit Negativ-Positiv-Montagen, Überschneidungen und Mehrfachbelichtung arbeitete. „Kurioserweise wissen wir von ihm am wenigsten“, sagt Hartmut Gruber, der Geislinger Stadtarchivar, bedauernd. Auch Jägers Fotografien bestechen durch ihre Klarheit und Reduktion auf das Wesentliche.