Fünf Jahrhunderte lang haben Feuchteschäden dem Gebälk des Prachtbaus zugesetzt, nun werden teilweise neue Balken eingezogen. Foto: Stadt Geislingen

Die Verwandlung hat begonnen: Der Alte Zoll in Geislingen wird saniert. Aber nur drei von sieben Etagen werden modernisiert – das hat seine Gründe.

Geislingen - Viele Stadtgeschichten in Geislingen verbinden sich mit dem prächtigen Alten Zoll – darunter auch eine Liebesgeschichte. Immerhin heiratete der unangepasste Dichter Christian Friedrich Daniel Schubart, der den Geislingern kulturelles Bewusstsein einimpfte, gleich zu Beginn seines sechsjährigen Aufenthalts in der Fünftälerstadt Christine Bühler, die Tochter des örtlichen Zollbeamten. Gut 255 Jahre später pfeift wieder ein frischer Wind durch das alte Fachwerk, denn das Zollgebäude wird von Grund auf saniert.

Sechs Millionen Euro kostet die Verwandlung

In dichte Planen verpackt steht das Fachwerkgebäude in der Geislinger Fußgängerzone bereit zur Verwandlung: Bis zum Frühjahr 2022 soll der mittelalterliche Prachtbau ein neues Innenleben erhalten und in ein Verwaltungsgebäude umgebaut werden mit einer modernen Infrastruktur samt komplett neuer Heizung, neuer Elektrik, neuen Sanitäreinrichtungen und allem, was dazu gehört. Das gilt zumindest für drei der stattlichen sieben Geschosse, denn für den Ausbau der übrigen vier Dachetagen fehlt der Großen Kreisstadt angesichts der auch so schon sehr stolzen Baukosten in Höhe von gut sechs Millionen Euro schlichtweg das Geld. Ohne Spenden und Zuschüsse in Höhe von insgesamt 3,2 Millionen Euro von Bund, Land, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und der baden-württembergischen Denkmalstiftung wäre wohl selbst die Teilsanierung nicht möglich.

Ein neues Unterdach soll vor Feuchteschäden schützen

Sehr zufrieden mit dem Baufortschritt zeigt sich Irene Cziriak, die das Geislinger Bauverwaltungsamt leitet. Noch im Herbst soll das Dach neu gedeckt und das Gebäude winterfest gemacht werden, und dann steht noch eine neue Gründung mit Hilfe einer 25 Zentimeter starken Betonplatte an, um ein weiteres Absacken des Alten Zolls zu verhindern. Voll im Gange sind außerdem die Zimmermannsarbeiten, mit deren Hilfe die Schäden aus der 500-jährigen Geschichte des Hauses beseitigt werden sollen. Mit einem von außen nicht sichtbaren Unterdach aus Holzfaserplatten möchte man den Wert der mittelalterlichen Holzbaukunst für viele weitere Generationen sichern und vor allem vor Feuchtigkeit schützen.

Die Stadt kaufte das recht verlotterte Gebäude im Jahr 2012

Neben dem Erhalt der denkmalgeschützten Bausubstanz zielt die Geislinger Verwaltung bei der Sanierung darauf, mehr Leben in die Fußgängerzone zu bringen. Publikumsverkehr werden sicher das neue Bürgerbüro und der i-Punkt der Stadtverwaltung bringen, die einmal in das Erdgeschoss einziehen sollen. Und weil eine moderne Verwaltung eine ganze Menge Platz braucht, sind das erste und zweite Obergeschoss für die Wohngeldstelle, die Ausländer- und die Straßenbehörde, das Gewerbeamt und die Bußgeldstelle vorgesehen. Bevor die Stadt den recht verlotterten Alten Zoll im Jahr 2012 von privaten Eigentümern erwarb, waren im Erdgeschoss noch Ladengeschäfte untergebracht. Und in früheren Jahrhunderten hatten die Zollbeamten der einst Ulmerischen Herrschaft dort ihren Dienst getan, während die Familie von besagter Christine Bühler, deren Vater als Oberzoller fungierte, im ersten Stock des Gebäudes mit dem Baujahr 1495 wohnte.

Seit Jahren investiert die Kommune Geld und Ideen, um die Haupteinkaufsmeile in der Oberen Stadt attraktiver zu machen. Das ist kein leichtes Unterfangen, seitdem nicht nur immer mehr kleinere Läden leer stehen, sondern sich auch noch das Sonne-Einkaufszentrum nach dem Wegzug des Mediamarkts und dem Verkauf an eine Immobilienverwaltungsgesellschaft in den Leerstand einreiht. Ein erneuerter Alter Zoll könnte nun helfen.