Im Alten Rathaus nahm die Geschichte des Kunst- und Geschichtsvereins ihren Anfang. Foto: Pressefoto Horst Rudel

Vor 100 Jahren gründete sich der Geislinger Kunst- und Geschichtsverein. Er hat das kulturelle Leben der Stadt bereichert und auch sonst Spuren hinterlassen. Für die Zukunft haben sich seine Mitglieder noch viel vorgenommen.

Geislingen - Aus dem Leben der Stadt Geislingen ist der Kunst- und Geschichtsverein nicht wegzudenken. Er setzte zur Rettung stadtbildprägender Gebäude mehr als einmal alle Hebel in Bewegung, er ist mit Ausstellungen im Museum Alter Bau präsent, er forscht und publiziert und widmet sich mit großem Engagement der Kunst. Viele seiner Kunstausstellungen fanden weit über Geislingen hinaus Beachtung, etwa eine Schau über zeitgenössische chinesische Kunst vor drei Jahren. Als nächster Coup ist geplant, die Geislinger Steige als Weltkulturerbe anerkannt zu bekommen. Doch zunächst ist der knapp 400 Mitglieder zählende Verein in eigener Sache unterwegs: In wenigen Tagen feiert er seinen 100. Geburtstag. Die Höhepunkte sind ein Festakt und ein Museumsfest am Sonntag, 15. September.

Die Welt lag noch in Scherben, als der Geislinger Sozialdemokrat Georg Preßmar am 20. Juni des Jahres 1919 im Gemeinderat vorschlug, einen Altertumsverein zu gründen. Die Idee kam an. Schon am 28. August stellte die Stadt zum Aufbau einer sogenannten Altertümersammlung den Saal des Alten Rathauses zur Verfügung. Einen Monat später wurde der Verein aus der Taufe gehoben – und gedieh wie auch die Sammlung prächtig.

Umzug in den Alten Bau

Schon bald platzte der Raum im Alten Rathaus aus allen Nähten. Doch die Stadt ermöglichte es dem Verein, sich zu vergrößern. Zur Bereicherung des kulturellen Lebens der Stadt initiierte dieser fortan auch Kunstausstellungen. Damit waren die beiden Hauptpfeiler errichtet, auf denen die Vereinsarbeit heute noch ruht und die sich auch in der heutigen Bezeichnung Kunst- und Geschichtsverein widerspiegeln.

Ein weiterer Meilenstein war das Jahr 1923. Die Stadt erwarb den ehemals ulmischen Fruchtspeicher, besser bekannt als Alter Bau. Dass dieses Fachwerkgebäude aus dem Jahr 1445, das zu den größten Deutschlands zählt, einmal komplett als Museum genutzt werden würde, war damals nicht abzusehen. Es diente zunächst als städtischer Bauhof, später wurde das Erdgeschoss dem örtlichen Boxring überlassen. Doch auch der Verein fand von Anfang an in einem Teil der Räume Unterschlupf. Da die Sammlung wuchs, war es nur folgerichtig, den Alten Bau zu einem Museum umzumodeln.

Der ehemalige Kornspeicher beherbergt nun das Museum der Stadt Geislingen und das Südwestdeutsche Schatztruhenmuseum, die der Verein betreut. Seit 1985 befindet sich im Erdgeschoss eine Galerie, die die Stadt bei der letzten Renovierung des Gebäudes eingerichtet hat. Sie bietet Platz für die jährlichen Weihnachtsausstellungen und zahlreiche Kunstschauen. Vor zwei Jahren kam eine neue Abteilung dazu: „Unsere Vogelwelt – Lebensräume, Artenvielfalt und Naturschutz“.

Der Verein bereichert das kulturelle Leben

Stolz ist „der Vorsitzende im dritten Jahr“, wie Roland Funk sich nennt, vor allem auch auf die Kunstausstellungen. Nach dem kulturellen Kahlschlag im Dritten Reich knüpfte der Geislinger Künstler Albert Kley nach dem zweiten Weltkrieg an die Zeit vor Hitlers Machtübernahme an. Heute sitzt im Kunstbeirat wieder ein Künstler: Ulrich Klieber. Der gebürtige Göppinger war Rektor der Burg Giebichenstein Kunsthochschule in Halle und gewann Studenten und Dozenten, in einer Ausstellungsreihe Arbeiten in Geislingen zu zeigen. Zum Dank widmete der Verein ihm die erste Ausgabe einer neuen Edition mit dem Titel „Kunstblicke“.

Auch außerhalb des Museums hat der Verein Duftmarken hinterlassen. Er machte sich stark für die Erhaltung der Siechenkapelle, einer von dreien im Regierungsbezirk Stuttgart, und des abrissgefährdeten Schubart-Hauses, um nur zwei Beispiele zu nennen. Er war mit dabei, als der Eisenbahnpfad errichtet wurde, und er ist bei der Veranstaltungsreihe Geislinger Kulturherbst mit an Bord.

Große Pläne für die Zeit nach dem Jubiläum

Der Verein beobachtet auch mit Argusaugen, was aus dem alten Gerberhaus wird, das schon lange vor sich hin kümmert. „Es befindet sich in Privatbesitz. Im Moment können wir nichts ausrichten“, sagt Funk. Regelmäßig sind Vereinsmitglieder im Historischen Jahrbuch des Landkreises vertreten. Roland Funk hat schon mehrere historische Ereignisse in Theaterstücke umgemünzt, etwa die „Sage vom Mordloch“. Das gleichnamige Stück führte die Theatergruppe Obere Roggenmühle mit großem Erfolg auf.

Im Blick hat der Verein auch Kinder. Für sie organisiert er Führungen im Museum und Angebote im Sommerferienprogramm. Nun peilt Roland Funk eine Nacht im Museum an – in Anlehnung an die Filmkomödie „Nachts im Museum“. „Das könnte man koppeln mit einem Moonlight-Shopping, aber noch sind das ungelegte Eier“, sagt er.

Und da wäre noch die Idee, der Unesco die Geislinger Steige als Weltkulturerbe anzutragen. Aber dieses Ziel sei vielleicht zu ehrgeizig, sagt Roland Funk. Einen Versuch aber sei es allemal wert. „Nach dem Jubiläum setzen wir uns zusammen und gucken, was zu tun wäre.“

Der Verein feiert sich

Eine Feier zum 100-jährigen Bestehen des Kunst- und Geschichtsvereins findet am Sonntag, 15. September, um 11 Uhr im Alten Bau statt. Der soeben in den Ruhestand verabschiedete Stadtarchivar Hartmut Gruber lässt die Geschichte des Vereins Revue passieren. Der Oberbürgermeister Frank Dehmer spricht ein Grußwort.

Nach dem Festakt wird im Alten Bau gefeiert. Um 13 Uhr tritt die Stadtratsband Die Stadtratten auf. Von 14 Uhr an sind Führungen durch die vier Museen im Alten Bau geplant. Außerdem wartet auf Kinder und Erwachsene ein Museumsquiz.

„Menschen aus aller Welt“ lautet der Titel einer Ausstellung mit Arbeiten des Künstlers und Kunstprofessors Ulrich Klieber, die anlässlich des Vereinsjubiläums von diesem Sonntag, 8. September, an im Alten Bau gezeigt wird. Die Vernissage ist um 11 Uhr.

Der Jubiläumsfeier vorgeschaltet ist am Freitag, 13. September, auch eine Lesung mit Ulrich Klieber, der im Kunstbeirat des Vereins aktiv ist. Außerdem wird die erste Ausgabe der neuen Katalog-Edition „Kunstblicke“ vorgestellt, die Ulrich Klieber gewidmet ist.