Peter Haupt (rechts) trainiert seit drei Jahren die Gehörlosen-Nationalmannschaft. Foto: Peter Haupt

Peter Haupt trainiert die besten gehörlosen Skifahrer Deutschlands. Über den Deaf Ski Europacup am vergangenen Wochenende, spezielle Trainingsbedingungen und den Kampf um Aufmerksamkeit.

Nesselwängle - Peter Haupt gibt sich zufrieden. „Es war okay“, fasst der Bundestrainer die Ergebnisse seiner Schützlinge beim Deaf Ski Europacup im Tannheimer Tal (Tirol) zusammen. Mit dem 44-jährigen Philipp Eisenmann (6.) und dem 18-jährigen Nachwuchstalent Marco Rehle (8.) landeten im Slalom zwei deutsche Athleten unter den ersten Zehn.

Am vergangenen Wochenende organisierte die Deutsche Gehörlose Sportjugend zum ersten Mal ein mehrtägiges Snowfestival in Nesselwang (Allgäu). Ein Rahmenprogramm aus Partys, Wettbewerben professioneller und spaßiger Natur brachte vom 23. bis zum 25. Januar circa 500 gehörlose Wintersportbegeisterte zusammen. Neben dem Europacup fanden parallel auch die deutschen Meisterschaften statt – wegen Schneemangels schließlich nicht im Allgäu, sondern 30 Kilometer entfernt im österreichischen Nesselwängle im Tannheimer Tal. Über 200 internationale Athleten aus Norwegen, Frankreich, Tschechien, Österreich und der Schweiz nahmen daran teil.

Der Gehörlosensport fristet ein Schattendasein

Während zur gleichen Zeit die ganze Ski-Welt auf die Hahnenkamm-Abfahrt in Kitzbühel schaute, gingen die Gehörlosen-Wettkämpfe am anderen Ende Tirols fast gänzlich unbeachtet über die Bühne. Der Gehörlosensport fristet hierzulande ein Schattendasein. Dabei leben in Deutschland knapp eine halbe Million Gehörlose. 8000 Sportler und Sportlerinnen sind im Deutschen Gehörlosen Sportverband (DGS) aktiv. Viele Gehörlose sind in hörenden Vereinen aktiv, wie Haupt berichtet, und wüssten gar nicht, dass es spezielle Wettbewerbe und eben auch eine Nationalmannschaft gebe. „Wir finden keinen Nachwuchs“, sagt er, „aber es ist nicht so, dass es keinen Nachwuchs gibt.“

Seit drei Jahren trainiert der 34-Jährige die gehörlose Ski-Alpin-Nationalmannschaft. Eine Nische, auf die der langjährige Skitrainer durch Zufall gestoßen war. Erfahrungen im Gehörlosen-Sport hatte Haupt bis dato nicht, beherrschte auch keine Gebärdensprache. Zu Beginn der laufenden Wintersportsaison wurde Haupt, der seit 18 Jahren als lizenzierter Skitrainer arbeitet, dann Cheftrainer des Nationalmannschaftskaders. Neben dem Anreiz mit einer Profi-Mannschaft an Weltmeisterschaften, den Deaflympics, dem gehörlosen Pendant zu den Olympischen Spielen, teilzunehmen, war es vor allem Neugier, die Haupt in die Welt der Gehörlosen brachte.

Geduld und Gelassenheit sind im Trainingsalltag gefragt

Die Arbeit mit den Sportlern birgt natürlich einige Herausforderungen. Mittlerweile spricht Haupt Gebärdensprache, was aber nicht immer vor Verständigungsproblemen schützt. Da kommt es auch schon mal vor, dass ein Sportler einfach zum Lift runterfährt, wenn Haupt gerade kurz nachdenken muss, wie er seine Verbesserungsvorschläge am besten kommuniziert. Auch der Mittagspausenort müsse sehr deutlich ausgemacht werden, „denn ab und zu geht jemand im Skigebiet verloren und es wird erst einmal eine Suchaktion gestartet“, erzählt Haupt und lacht. Neben Geduld und Gelassenheit ist Abstimmung mit den Athleten und dem Co-Trainer das Wichtigste im Trainingsalltag.

Das größte Handicap: Der beeinträchtigte Gleichgewichtssinn

Die Bundestrainer fahren viele Dinge selbst vor, auch die Videoanalyse nach jeder Einheit spielt eine wichtige Rolle. Für die gängige Korrektur „mehr Druck auf den Innenski“ gebe es beispielsweise nun mal keine Gebärde. Allerdings stehen alle Nationalmannschaftsfahrer meist schon seit ihrer Kindheit auf den Skiern und sind aktive Mitglieder in hörenden Skiclubs. Zwischen 20 und 3o Prozent fehlten den gehörlosen Ski-Profis laut Haupt zum Leistungsniveau der hörenden Weltcup-Fahrer. Der fehlende oder beeinträchtige Gleichgewichtssinn infolge der Gehörlosigkeit ist hierbei das größte Handicap. „Gehörlose fahren nur über die Augen und das Feedback aus den Beinen“, erklärt Haupt.

„Einfach ein riesiges Miteinander“

Zwar verfügen fast alle Athleten in Haupts Kader ein Cochlea-Implantat, welches das Hörvermögen in manchen Tonbereichen wieder herstellt, aber das muss während den Wettbewerben ausgeschaltet sein. Insgesamt acht Athleten und eine Athletin stehen aktuell im Kader der Nationalmannschaft. Knapp ein dutzend Mal trainiert die Nationalmannschaft im Winter, die Hälfte davon allerdings privat. Das heißt: Die Kosten werden nicht vom Verband gedeckt. Der DGS ist nicht an den Deutschen Skiverband gekoppelt, nur bei Großereignissen, wie dem Europacup am Wochenende fließen Fördergelder vom Bundesinnenministerium. „Wir brauchen dringend Aufmerksamkeit, um Sponsoren und Nachwuchs zu finden“, sagt Haupt.

Auch wenn bei den internationalen Wettkämpfen am Wochenende kein deutscher Podestplatz heraussprang, findet Haupt: „Das war schon eine runde Sache.“ Denn eins mache den Gehörlosensport unabhängig von sportlichen Erfolgen zu einer grandiosen Sache. „Der Zusammenhalt, die gegenseitige Freude für den anderen: Das ist einfach ein riesiges Miteinander“.