Hannover 96 und Thomas Doll stehen vor dem Duell mit dem VfB Stuttgart unter Druck. Foto: Bongarts

Die Fans verhöhnen ihre Mannschaft, der Trainer übt sich in Durchhalteparolen: Hannover 96 gibt im Kampf um den Klassenerhalt ein erschreckendes Bild ab.

Hannover - Thomas Doll wählte diesmal das Wohlfühlprogramm. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlenderte der Trainer von Hannover 96 bei strahlendem Sonnenschein über den Trainingsplatz, pickte sich immer mal wieder einen seiner stark verunsicherten Spieler heraus, legte ihm fast väterlich den Arm über die Schulter und führte Einzelgespräche.

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„Was die Jungs jetzt brauchen ist, dass wir das Positive aus ihnen rausholen“, sagte Doll. In schwierigen Situationen müsse man sich zeigen „und die Brust rausstrecken. Lasst euch nichts einsingen von draußen, die Fragen werden sicherlich nicht angenehmer, aber: Shit happens, da müssen wir durch.“ Doll beherrscht die Klaviatur der Trainersprache. Keine Frage. Und nachdem eine Wutrede zuletzt nicht zündete, entschied er sich nach der Heimpleite gegen Eintracht Frankfurt - dem dritten 0:3 in seinem vierten Spiel bei 96 - diesmal für die versöhnlichen Töne.

Doch die Mannschaft wirkt schwer angeschlagen, von einem Doll-Effekt ist an der Leine nichts zu spüren. 0:3, 2:0, 0:3, 0:3 - den Start in seine Rettungsmission hatte sich der als Hoffnungsträger verpflichtete Doll ganz anders vorgestellt. „So was habe ich in meiner Karriere noch nie erlebt, da muss ich mich erstmal dran gewöhnen“, sagte der 52-Jährige. Das Gute an der momentanen Situation sei, „dass die anderen da unten auch verlieren, sonst wären die wahrscheinlich schon neun oder zehn Punkte weg“.

Die Stimmung ist auf dem Nullpunkt angelangt

Hoffnung auf den Klassenerhalt und Überzeugung in die eigene Stärke klingen anders. „Auch wenn man am Boden liegt, und das tun wir, geht es darum, Ideen zu entwickeln, wie wir uns wieder aufraffen“, sagte 96-Manager Horst Heldt und richtete den Blick auf das Kellerduell am kommenden Sonntag (15.30 Uhr) beim VfB Stuttgart: „Wir dürfen auf keinen Fall in Stuttgart verlieren. Sonst sind sie fünf Punkte weg.“ Nach echtem Glauben an eine Trendwende, klang auch er nicht.

Die Stimmung in Hannover ist nach 23 Spieltagen auf dem Nullpunkt angelangt. Vier Wochen nach dem Trainerwechsel reift in der niedersächsischen Landeshauptstadt die Gewissheit, dass die aktuelle Mannschaft nicht über die notwendige Qualität für die Bundesliga verfügt. Einsatz und Bereitschaft stimmten gegen die Eintracht zwar, doch offensiv gelang den Roten wenig bis gar nichts. „Wir brauchen mehr Durchschlagskraft im Sturm, mehr Mut und auch ein bisschen mehr Coolheit“, sagte Doll lapidar.

Kredit bei den Fans scheint vollends verspielt

Während sportlich kaum etwas geht, scheint auch der Kredit bei den Fans vollends verspielt. Schon lange vor dem Schlusspfiff flüchteten viele der ohnehin nur 39.100 Zuschauer aus der Arena, andere verhöhnten ihr Team mit Pfiffen und Sprechchören. In der Schlussphase wurde in Hannovers Fankurve zudem ein Banner gegen Präsident Martin Kind, seinen Vize Uwe Krause und Aufsichtsratschef Gerhard Schröder enthüllt - es klang wie eine Drohung: „Packt eure Koffer, sonst tun wir es für euch.“

Und so gleicht Hannover im Frühjahr 2019 einem Pulverfass. „Wir müssen weiter zusammenstehen und dürfen nicht auseinanderbrechen“, beschwört Doll den Zusammenhalt. Er weiß: Gelingt ihm und seinem Team nicht schleunigst der Turnaround, könnten bei den Niedersachsen schon sehr bald die Planungen für die 2. Liga beginnen.