Studierende in einem Hörsaal in Ulm Foto: dpa/Stefan Puchner

Baden-Württemberg stemmt sich gegen die sinkenden Studierendenzahlen. Doch einigen Studis ist der Südwesten offenbar schlicht zu teuer.

Jahrelang hat in Baden-Württemberg ein Rekord an Studierendenzahlen den nächsten gejagt. Das ist Geschichte. Es gibt weniger Studierende, doch Fachkräfte werden mehr denn je gebraucht. Besonders die Ingenieure sind gefragt im Kampf gegen den Klimawandel und bei der Transformation der Autoindustrie.

Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) sieht das Problem. Sie sagte unserer Zeitung: „Wir haben die Entwicklung der Studierendenzahlen nach der Dekade des kontinuierlichen Ausbaus von 2007 bis 2017 seit einigen Jahren wieder verstärkt im Blick.“ Sie setzt auf eine bundesweite Werbekampagne für ein technisches Studium in Baden-Württemberg, aber auch auf eine Verbesserung des Angebots. „Es gilt nun, die Maßnahmen zur Profilierung des Studienangebots, zur besseren Vermarktung des hervorragenden Studienstandorts und zur Verbesserung des Studienerfolgs weiter voranzubringen.“

Hochschulen begrüßen Werbekampagne

Eine Kampagne gegen den Fachkräftemangel in den Mintberufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) befürworten die Hochschulen. Gerade in den Ingenieurwissenschaften fehle es an Studienanfängern, bestätigte eine Sprecherin der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW).

Beim Bemühen um mehr Ingenieure sehen die HAW auch die Wirtschaft in der Pflicht: „Das Beschäftigungssystem als Abnehmer der Absolventinnen und Absolventen muss sich engagieren“, verlangt die HAW-Sprecherin Kim Strütjen. Doch das reiche nicht: „Es bedarf einer gesellschaftlichen Gesamtanstrengung, um deutlich zu machen, warum Technik und technische Innovation so wichtig für das Land Baden-Württemberg sind.“

Keine Studienplätze abbauen

Die Spitzen von Wissenschaft und Wirtschaft in Baden-Württemberg haben bereits vor Monaten davor gewarnt, Studienplätze abzubauen, wenn sie nicht gefragt sind. Die HAW erneuern diese Forderung: „Die Finanzierung der Hochschulen sollte nicht so stark an die Studierendenzahlen geknüpft sein“, sagt Strütjen und appelliert an Olschowski, die Vorgaben zu überdenken.

Die Zahl der Studierenden geht nicht nur bei den Ingenieuren, sondern im Allgemeinen zurück. Ein Prozent ist es in diesem Wintersemester. Das liegt zum einen an der Demografie, aber auch daran, dass der Anteil der Abiturienten in einem Geburtsjahrgang weniger wird. Die Quote lag im Jahr 2021 bei 38,8 – im Jahr 2015 machten dem Statistischen Bundesamt zufolge 43,9 Prozent eines Jahrgangs in Baden-Württemberg Abitur.

Rektor fordert mehr Studierendenwohnheime

Die seit Jahren rückläufige Zahl der Studierenden im Land hat nach Einschätzung von Thomas Puhl, dem Rektor der Universität Mannheim und Sprecher der Landesrektorenkonferenz der baden-württembergischen Universitäten, auch ganz profane Gründe. „Die Wohn- und Lebenshaltungskosten in unseren Unistädten sind recht hoch, sodass wir Abwanderungsbewegungen in andere Bundesländer zu verzeichnen haben“, sagte Puhl unserer Zeitung. Dagegen könnten spezielle Stipendienprogramme helfen, „aber auch der verstärkte Bau von Studierendenwohnheimen“.

Frauen und internationale Studierende im Fokus

In diesem Wintersemester erwartet Baden-Württemberg nach Jahren des Rückgangs etwas mehr Studienanfänger. Man geht von 55  092 Anfängern aus, das wäre ein Plus von 0,9 Prozent, allerdings hatte es in den Coronajahren große Einbrüche gegeben. Ministerin Olschowski will sich nicht auf den leicht positiven Trend verlassen. „Allen Verantwortlichen ist bewusst, dass es erheblicher weiterer Anstrengungen bedarf, um weiter genügend Studieninteressierte für die baden-württembergischen Hochschulen zu begeistern und um eine ausreichende Anzahl an akademischen Fachkräften auszubilden“, sagte sie. Auch Puhl fordert gemeinsame Gegenmaßnahmen von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. „Dabei sind natürlich die unausgeschöpften Potenziale im Fokus“, sagte Puhl. Er nennt junge Frauen und internationale Studierende.

Das kostet eine Studentenwohnung in Baden-Württemberg

Anstieg
Der Finanzdienstleister MLP hat zusammen mit dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) den „Studentenwohnreport 2022“ zusammengestellt. Demnach sind die Mieten deutlich gestiegen. Der auf 360 Euro erhöhte Wohnzuschlag im Bafög-Höchstsatz reicht für eine 30-Quadratmeter-Musterwohnung in keiner der baden-württembergischen Universitätsstädte aus.

Städte und Kosten
In Stuttgart mussten Studierende im Jahr 2022 für eine Musterwohnung im Durchschnitt mit 786 Euro Miete rechnen (plus 6,7 Prozent) , ein WG-Zimmer (20 Quadratmeter) kostet 473 Euro (plus 6,2 Prozent). Von den acht baden-württembergischen Unistädten liegt Karlsruhe hinter Stuttgart mit 616 Euro für die Wohnung und 398 Euro für das WG-Zimmer.

Bundesdurchschnitt
Im Bundesdurchschnitt kostete die Miete in der Musterwohnung 521 Euro (5,9 Prozent mehr als im Vorjahr), das WG-Zimmer 345 Euro (9,4 Prozent mehr als im Jahr 2021).