Willkommen – in Stuttgart gibt es fünf Geburtskliniken. Das Charlottenhaus besteht seit 1904. Foto: dpa-Zentralbild

Ein Belegarzt des Charlottenhauses scheidet aus, dem Vernehmen nach Ende des Jahres. Bisher ist die Lücke nicht gefüllt. Der Träger will die Geburtshilfe erhalten. Garantieren kann er es aber momentan nicht.

Stuttgart - In den Kreißsälen des Stuttgarter Charlottenhauses läuft der Betrieb wie immer. Doch intern gibt es Unruhe in der Geburtsklinik. Hintergrund ist, dass der am längsten praktizierende Belegarzt der Klinik, Kurt Götz Wurster, altersbedingt im Charlottenhaus aufhört – er ist zugleich der Sprecher der fünf Belegärzte der Klinik. Ein genaues Datum wird nicht kommuniziert, aber Ende des Jahres soll es dem Vernehmen nach soweit sein. Bisher konnte noch kein Nachfolger gefunden werden, der seine Schichten übernehmen will. Die offene Personalie ist ein Problem. Denn sollte sich letztlich kein Ersatz finden, könnte das zum Aus der Geburtshilfe am Charlottenhaus führen.

Mark Dominik Alscher, der medizinische Geschäftsführer des Robert Bosch Krankenhauses (RBK), zu dem die Klinik Charlottenhaus gehört, betont zwar, dass man das „auf keinen Fall“ wolle. „Wir werden alles tun, dass der Betrieb fortgeführt werden kann“, verspricht Alscher, schließlich sei die Geburtshilfe an dem traditionsreichen Haus „erhaltenswert“. Die Nachfrage sei da, Frauen schätzten das persönliche Umfeld. „Aber ich kann es nicht garantieren“, schränkt er ein. Denn: „Wenn Sie den Dienst nicht aufrecht erhalten können, dann können Sie das Leistungsangebot an dem Standort nicht aufrecht erhalten.“

Work-Life-Balance ist den Ärzten wichtig

Dass es so schwierig mit der Nachfolge ist, liegt dem RBK zufolge an zwei Hauptgründen: dem Fachkräftemangel und den finanziellen Belastungen durch viel zu hohe Haftpflichtprämien für die Belegärzte. Auch niedergelassenen Ärzten sei die Work-Life-Balance immer wichtiger, so Alscher. Als Belegarzt muss man aber auch mal am Wochenende und nachts in Bereitschaft sein. „Das ist für viele unattraktiv“, sagt er. Man sei aber in Kontakt mit mehreren Ärzten, der Träger Robert Bosch Krankenhaus werde positiv wahrgenommen. „Wir denken, dass wir die Nachbesetzung hinbekommen“, sagt der ärztliche Geschäftsführer. Von ihrer Seite kämen sie den Kandidaten weit entgegen – es könnten sich auch zwei weibliche Belegärztinnen den Posten in Teilzeit teilen. Natürlich könnte man auch vom RBK aus den Dienst erstmal überbrücken, aber langfristig „brauchen wir eine robuste Lösung“, betont Alscher. Was die hohen Haftpflichtprämien für die Belegärzte angeht, sieht er die Politik gefordert. So wie für die Hebammen eine Lösung wegen der gestiegenen Versicherungsprämien gefunden worden ist, müsse dies auch bei den Ärzten nachgeholt werden.

Tatsächlich sind die Prämien enorm gestiegen. Laut dem Berufsverband der Frauenärzte (BVF) müssen niedergelassene Frauenärzte, die belegärztlich Geburtshilfe leisten, bei einem Neuvertrag knapp 70 000 Euro im Jahr für die Haftpflicht zahlen. Auch günstigere Altverträge (20 000 Euro waren mal üblich) würden in der Prämie angepasst, so eine Verbandssprecherin. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft erklärt den Anstieg bei den Haftpflichtprämien mit den gestiegenen Kosten schwerer Geburtsschäden: Diese hätten sich von 2003 bis 2016 mehr als verdoppelt.

Krankenhäuser in Stuttgart

Noch in dieser Legislaturperiode müsse gehandelt werden, so die Forderung

Für eine normale belegärztlich betreute Geburt erhält ein Arzt 216,28 Euro Honorar. Die hohen Haftpflichtprämien seien nicht zu finanzieren, kritisiert der BVF. Bundesweit gäben immer mehr Belegärzte auf. Krankenhäusern sei es nicht mehr erlaubt, die Haftpflichtkosten für die Ärzte zu übernehmen, so die Sprecherin. Noch in dieser Legislaturperiode müsse gehandelt werden, fordert sie und verweist auf den Koalitionsvertrag. In dem hatten CDU/CSU und SPD festgehalten, „eine qualitativ hochwertige Geburtshilfe auch durch Belegärztinnen und -ärzte ist uns ein Anliegen. Wir werden die Finanzierungsgrundlagen dazu überprüfen.“

Auch an der St. Anna-Klinik in Bad Cannstatt sind die hohen Haftpflichtprämien Thema – wie im Charlottenhaus übernehmen auch hier Belegärzte die ärztliche Geburtshilfe. „Wir merken das grundsätzlich auch, dass es schwierig ist, Belegärzte zu finden“, sagt Katja Wagner, die bei der Klinik für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Die 70 000 Euro, die auf einen sich neu niederlassenden Frauenarzt zukommen würde, der Geburtshilfe leisten will, nennt sie „eine gewaltige Belastung für den Neustart“. Deshalb sei es auch ihnen ein Anliegen, dass sich hier etwas ändere, so Wagner. Immerhin – im Moment „toitoitoi“ höre keiner der eigenen Belegärzte auf.