Frank Dittel (rechts) und sein Kollege Dominik Schäfer im Eduard’s Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Wie schafft man es, dass die Gäste sich wohl fühlen und wieder kommen? Gastronomen sollten Geschichten inszenieren, um erfolgreich zu sein, raten Experten.

Stuttgart - Ein paar Tische und Stühle, ein angenehmes Ambiente und ein aufmerksamer Kellner, der Köstliches zur rechten Zeit serviert – wenn Gastronomie nur so einfach wäre. Tatsächlich müssen sich die Verantwortlichen heute einiges einfallenlassen, damit sich der Gast rundum wohl fühlt – und, vor allem: wieder kommt. Die Trend komme aus dem Einzelhandel, der wegen der Online-Konkurrenz neue Ideen für die Revitalisierung brauche, sagt der Stuttgarter Architekt Frank Dittel. Und das habe Einfluss auf die Gastronomie. Er schätzt, dass 30 Prozent der Restaurantbetreiber inzwischen einen Innenarchitekten beauftragen – mit steigender Tendenz.

Eine Kombination aus guter Küche, gutem Design und der Authentizität des Betreibers, „damit können Sie fast überall erfolgreich sein“, ist der 42-Jährige überzeugt. Seine Aufgabe ist es, eine Wohlfühl-Atmosphäre zu schaffen – und zwar stilunabhängig. Eines der jüngsten Projekte seines Büros ist das Eduard’s im Dorotheen Quartier, eine 100 Quadratmeter kleine Fläche, die den ganzen Tag über bespielt wird – tagsüber als Cafébar, abends als Cocktailbar. Die Bar ist deshalb das Schlüsselelement in dem Raum geworden, dessen Grundriss auch durch die Farbgestaltung gegliedert wird, damit die Gäste zu jeder Tageszeit gerne hier sitzen.

Die richtige Beleuchtung ist enorm wichtig

„Es geht bei unserer Arbeit nicht um Gemütlichkeit im bayerischen Sinne, sondern um Wohlbefinden und Sicherheit“, sagt die Stuttgarter Innenarchitektin Birgit Nicolay, deren Team aus Architekten, Lichtplanern und Grafikdesignern schon viele Hotels und Restaurants eingerichtet hat. Sie nennt einige Grundregeln: Die Inneneinrichtung muss zum kulinarischen Konzept passen, der Gast sitzt am liebsten als Beobachter mit dem Rücken zur Wand, nur große Gemeinschaftstische können auch mitten im Raum platziert werden.

Am häufigsten unterschätzt wird den Experten zufolge die Beleuchtung. „Ich muss sehen, was ich esse, aber der Raum sollte trotzdem gemütlich sein“, beschreibt Nicolay die Herausforderung. Der Wein müsse funkeln, das Essen ins rechte Licht gerückt werden, die Beleuchtung der Tageszeit angepasst sein – und zugleich dürfe sich der Gast nicht so fühlen, als seien alle Scheinwerfer auf ihn gerichtet. Wie entscheidend sich Sinneseindrücke auf den Genuss auswirken, hat Nicolay schon selbst bei einer Weinprobe erlebt: Werden dieselben Weine bei unterschiedlicher Beleuchtung präsentiert, werden jene, die weniger schön funkeln, schlechter bewertet. Ähnliche psychologische Effekte hat die Akustik. Musik kann störende Geräusche maskieren – sie darf aber nicht die Gespräche übertönen und vom Essen ablenken.

Ohne Design kann der Gast ausschließlich übers Essen reden

Als sei das nicht kompliziert genug, brauche das Lokal auch noch eine Identität, betont der Tübinger Junggastronom und Wirtschaftswissenschaftler Dimitris Katsaras. Denn ohne Design könne der Gast ausschließlich übers Essen reden. Zusammen mit einigen Mitstreitern entwirft er für seine Kunden das Gesamtkonzept, „wir kümmern uns auch um die Auftritte in den sozialen Medien, um die Cocktailkarte und die Dekoration“. Der 29-Jährige vermittelt auch Innenarchitekten, die sich auf Gastronomie spezialisiert haben. Hilfe holt er sich auch in Griechenland. „Dort oder in Spanien ist man schon viel weiter, weil die Wirtschaftskrise die Leute gezwungen hat, kreativ zu werden“, meint Katsaras, dessen jüngstes Projekt in Stuttgart das Gasthaus Bären im ehemaligen Zwölfzehn ist. Die Grundidee: eine schwäbische Tapas-Bar und Weinstube, nicht zu glatt und zu stylisch. Die Teller sind bunt zusammengewürfelt, vieles findet das Team von Unique Interior Design auf Flohmärkten und bei Ebay.

Birgit Nicolays Erfolgsformel lautet, Geschichten hinter den Produkten zu inszenieren und die Küchenphilosophie sichtbar zu machen. Sie arbeitet dabei gerne mit grafischen Elementen. Ein Kunde in Wiesbaden, der norditalienische Küche anbietet, etwa wollte, dass seine Gäste auf den ersten Blick erkennen, dass sein Lokal keine Pizzeria ist. Also wurde eine Lichtwand mit dem Mailänder Dom und Tauben hinter der Bar angebracht. Durch ihre internationale Tätigkeit – Nicolay hat auch ein Büro in New York – und ihre vielen Reisen, spürt sie stets neue Trends auf. Im Londoner In-Lokal Inamo etwa sitzen die Gäste an interaktiven Tischen und können mittels Küchen-Cam den Köchen zusehen, erzählt sie, in Belgien sei ein Restaurant Teil einer Metzgerei.

„Farm to table“ als Zukunftsmodell

Für ein Zukunftsmodell hält sie „Farm to table“, eine Art urbaner Gemüsehof mit angeschlossenem Restaurant. Da werden Salate, Kräuter und Gemüse im Keller gezüchtet und frisch aufgetischt. In einer Halle in Hamburg wird bereits Salat für die Gastronomie angebaut – und Restaurantbesucher können ihn später aus der beleuchteten Vitrine ernten. Street Food bleibe ein wichtiges Thema, meint Nicolay, man hole sich den Markt ins Lokal und präsentiere dort die frischen Produkte, ebenso bleibe der Trend, Lounge und Restaurant zu vermischen und eine Art Wohnzimmer zu schaffen.

Und wo steht Stuttgart? Früher sei das Amici führend gewesen, findet Nicolay, zuerst aß man, dann ging man oben tanzen – ein Gefühl wie in einer internationalen Metropole. Leider hätten aber viele engagierte Gastronomen Stuttgart verlassen. Das Delice immerhin erzähle Geschichten, da sei der Koch mittendrin. „Der Gast fühlt die Qualität und ignoriert, dass das Delice eher ein Kellerlokal ist.“ Wirklich trendig ist aus ihrer Sicht lediglich das 5 mit der stylischen Bar und dem darüberliegenden Restaurant. Mit dem richtigen Licht könne man aber noch mehr Flair schaffen. Frank Dittel hält das Origami an der Hauptstätter Straße für ein „Meisterstück“: „Da stimmt das Produkt.“ Insgesamt sei Stuttgart lange das Schlusslicht unter den deutschen Großstädten gewesen, „aber seit einigen Jahren holt die Stadt auf“, sagt er, „ und sie hat noch Potenzial“.