Wer bezahlt die Aufsicht beim Mittagessen? Darum dreht sich noch der Streit Foto: dpa

Wie lange dauert es noch mit den Ganztagsschulen? Grün-Rot hat sie versprochen, ringt aber noch mit den Kommunen ums Geld. Die wollen den Eltern zwar Angebote machen, aber diese Schulform keinem aufnötigen.

Stuttgart - Die Betreuung von Schülern während der Mittagspause ist eine der größten Hürden in den Verhandlungen von Land und Kommunen zur Einführung von Ganztagsschulen. „Das ist der Knackpunkt, wir sind uns da noch nicht einig“, sagte der Präsident des Gemeindetags, Roger Kehle, unserer Zeitung. Die Verhandlungskommission hat das Thema auf Januar vertagt.

Während das Land darauf beharrt, in dieser unterrichtsfreien Zeit müssten die Schulträger – also die Gemeinden – die Aufsicht besorgen, argumentieren diese, die Mittagspause sei eine Pause wie jede andere. Die Lehrer seien ohnehin in der Schule, andere Kräfte ließen sich für eine Stunde kaum finden, so Kehle. Vor 8 Uhr morgens und nach 16 Uhr nachmittags sehen sich die Kommunen hingegen in der Pflicht: „Diese erweiterte Betreuung ist eher unsere Sache“, sagt Stefan Gläser, Hauptgeschäftsführer des Städtetags.

Einig sind sich beide Seiten, dass die rechtlichen Vorgaben für Ganztagsschulen, die im Südwesten bisher nur Versuchsstatus haben, möglichst großzügig sein sollen. „Wir brauchen einen Rahmen, in dem viele Formen von Ganztagsschulen möglich sind“, sagt Gläser. So seien „handgestrickte Varianten“ vorstellbar, bei denen Schulen, Eltern und Vereine zusammenarbeiteten. „Das Land sollte auch das bezahlen, und darüber besteht Einigkeit.“

Flexibilität ist ohnehin das Hauptanliegen. „Es ist uns wichtig, dass wir nichts übergestülpt bekommen“, sagt Kehle. Jede Gemeinde solle selbst entscheiden können, ob und wie sie ein Ganztagsangebot mache. Während in Ballungsgebieten die Nachfrage als riesig eingeschätzt wird, hält sie sich in ländlichen Gebieten offenbar in Grenzen. „Bedarfsorientiert“ müsse das Angebot sein, sagt auch Stefanie Hinz vom Städtetag.

Auch die Frage, ob eine Schule den Ganztagsunterricht verpflichtend macht („gebunden“) oder die Teilnahme freistellt, sollen die Kommunen selbst beantworten. Klare Rahmenbedingungen erwarten sie hingegen bei den Finanzen.

Drei oder vier Tage mit jeweils sieben oder acht Stunden Öffnungszeit hat das Land dazu in seinem Entwurf zum Schulgesetz als zeitlichen Rahmen vorgeschlagen. „Wie man das von Montag bis Donnerstag nutzt, soll jedem selbst überlassen bleiben“, fordert Kehle. Möglich sind also auch sieben Stunden an drei Tagen.

Und was ist mit Eltern, die Beruf und Familie an fünf Tagen vereinbaren wollen? Oder an viereinhalb, weil sie freitags ab 14 Uhr bereits freihaben? Nachfrage und Angebot aufeinander abzustimmen werde eine große Herausforderung, heißt es bei den Kommunen. Ziel von Grün-Rot ist es jedenfalls, Ganztagsschulen als Regelform im Schulgesetz zu verankern und für alle Schüler ein wohnortnahes Angebot zu machen. So steht es im Koalitionsvertrag. Die Regierungspartner wären aber schon froh, wenn das Angebot an allen Grundschulen gemacht werden könnte. Das ist eine Frage des Geldes, denn dabei entstehen Kosten in dreistelliger Millionenhöhe.

Die große Hoffnung ist, dass der Bund sich daran beteiligt. Im neuen Berliner Koalitionsvertrag gibt es dazu allerdings nur vage Andeutungen. Falls von Berlin Geld fließt, wollen die Kommunen die Vereinbarung mit dem Land ergänzt wissen. Kehle: „Es muss möglich sein, dies dann nachzuverhandeln.“

In die Rechnung wird auch jener Betrag einfließen, den die Kommunen bereits für die „verlässliche Grundschule“ aufwenden. Für diese Hortbetreuung am Vormittag und frühen Nachmittag, die seit Jahren besteht, bezahlen sie rund 100 Millionen Euro, das Land gibt weitere 55 Millionen dazu.

Geld werden schließlich auch die Mensen und andere Räumlichkeiten kosten, die für den Ganztagsbetrieb geschaffen werden müssen. Dafür hat das Land allerdings schon vor Jahren einen Topf geschaffen, aus dem sich die Gemeinden bedienen können. Mehr als 100 Millionen Euro, so heißt es, seien von der früheren Investitionsoffensive namens „Chancen durch Bildung“ noch nicht abgerufen. Das Problem sind also weniger die Investitions- als die Betriebskosten für die Ganztagsschulen.