Volles Tempo: Der Amateur-Jockey Dennis Schiergen (weiß-roter Helm) ist in Iffezheim in zehn Rennen mit zehn verschiedenen Pferden am Start Foto: Baumann

Dennis Schiergen ist erst 19 Jahre alt, seine Siegesliste aber umso imposanter. Experten trauen dem Amateur-Rennreiter eine Riesen-Karriere zu. Auch beim Frühjahr-Meeting in Iffezheim ist er schneller als die Profis. Doch um wirklich zu den Großen zu gehören, muss er klein blieben.

Iffezheim - „Nichts.“ Die Antwort auf die Frage, was Dennis Schiergen gegessen hat, ist kurz und knapp, und dennoch länger als sein Speiseplan an diesem Tag. Kein Frühstück, kein Mittagessen, kein Obst zwischendurch. Jockeys achten penibel auf ihr Gewicht. Im Sport der schnellen Pferde zählt jedes Gramm. „Außerdem mag ich es nicht, mit vollem Magen auf dem Pferd zu sitzen“, erklärt der junge Amateur-Reiter.

Dennis Schiergen ist 1,74 Meter groß und wiegt etwa 57 Kilogramm – für einen Jockey ist er somit eigentlich zu groß und zu schwer. Der Grund ist das Handicap-System im Galopp-Sport. Die Rennen sollen spannend sein, deshalb müssen die besten Pferde mehr Gewicht im Rennen tragen, die mit den schlechteren Ergebnissen im Vorfeld weniger. Insgesamt variiert das Handicap meistens zwischen 52 und 61 Kilogramm. Gewogen werden Reiter und Sattel. Für die unteren Gewichtsklassen kommt Dennis Schiergen mit seinen Maßen nicht infrage.

Und dennoch ist er „ein Top-Jockey“, sagt Pferde-Besitzer und -Trainer Christian Peterschmitt. Der junge Kölner ist einer, dem die Experten eine große Karriere zutrauen – wenn er sein Gewicht halten oder sogar noch reduzieren kann. „Dennis ist einer der besten Amateure, die Deutschland je hatte“, sagt Peterschmitt. Er weiß, warum er Schiergen beim Frühjahrs-Meeting in Iffezheim Wallach Nasibow anvertraut. Auch die Ergebnisse sprechen für Dennis Schiergen. Vor einem Jahr gelang ihm beim Großen Preis von Berlin etwas, was noch kein Amateur vor ihm geschafft hat: Er gewann ein Gruppe-I-Rennen. Das sind die prestigeträchtigsten Wettkämpfe im Galoppsport.

Kurze Anweisungen müssen reichen

Jetzt steht Schiergen in Iffezheim im Führring. Christian Peterschmitt gibt ihm die letzten Anweisungen fürs Rennen. „Geh nicht gleich nach vorne, aber lass ihn ungestört galoppieren. Die Innenseite liebt er.“ Die Anweisungen sind kurz und knapp. Sie müssen reichen. Schiergen hat nur sie und die paar Minuten auf dem Weg zur Startbox, um das edle Ross kennenzulernen. Die meisten Pferde, die er reitet, hatte er noch nie unterm Hintern. Jockeys sind Künstler, meint deshalb Christian Peterschmitt. „So etwas kann man nicht lernen, aber manche haben es im Blut.“ So wie Dennis Schiergen. Vater Peter brachte es als Jockey auf 1451 Siege, in der Saison 1995 stellte er mit 273 Erfolgen einen Europarekord auf, seit 1998 arbeitet er erfolgreich als Trainer.

Als sich Dennis Schiergen dafür entschieden hat, bei den Profis mitzugaloppieren, wusste er genau, was dieses Leben mit sich bringt. An diesem Morgen ist er zum Beispiel um 5 Uhr aufgestanden, um dem Papa im Stall zu helfen. Angekommen in Baden-Baden schlüpfte er in einen Neopren-Anzug und joggte um die Rennbahn. Danach ging’s in die Sauna – alles, um noch ein paar Gramm zu verlieren. „Man muss als Jockey aber seine Grenzen kennen und realistisch bleiben“, beruhigt Schiergen. Er wisse, was er seinem Körper abverlangen kann.

Bis zu 70 km/h schnell

Das Leben als Jockey ist hart. Die Reiter lieben es dennoch. Es ist dieses Gefühl, das auch die Zuschauer begeistert: Es ist die Vorfreude, wenn die Rennpferde in den Startboxen mit den Hufen scharren und dann im Galopp losfliegen, wenn der Boden leicht vibriert. Und es ist die Spannung, wenn die Reiter mit ihren Pferden auf die Zielgerade biegen – mit Geschwindigkeiten zwischen 60 und 70 km/h. „Das ist schon faszinierend“, sagt Peter Schiergen. Vor allem dann, wenn am Ende auch noch ein Sieg rausspringt.

In seinem ersten Rennen an diesem Tag klappt das bei Dennis Schiergen nicht. Platz sieben. „Am Ende ist Nasibow die Luft ausgegangen“, sagt der Reiter. „Seine zehn Jahre haben sich bemerkbar gemacht, aber ich bin mit Dennis sehr zufrieden. Er hat alles genauso umgesetzt, wie wir es besprochen hatten“, sagt Christian Petterschmitt.

Insgesamt ist Dennis Schiergen zehnmal in Iffezheim am Start. Es gibt andere Rennwochen, da sitzt er häufiger im Sattel, „aber hier sind die Top-Jockeys am Start. Nach Baden-Baden wollen einfach alle“, sagt Dennis Schiergen. In seinem dritten Rennen sitzt er auf der Stute Siberian Princess, die ein Grund für seine eiserne Disziplin war. Nur 57 Kilogramm muss sie laut Handicap tragen. Mehr sollte es dann auch nicht sein, denn die Faustregel lautet: Jedes Kilo ist eine Pferdelänge. Der Verzicht hat sich gelohnt.

Der einzige Amateur im Rennen ist der erste Reiter im Ziel. Trainer Uwe Stech ist begeistert: „Dennis reitet immer auf Zug. Das gefällt mir.“ Verdient hat der 19-Jährige an dem Erfolg übrigens nichts. Amateure bekommen weder ein Startgeld (üblicherweise 50 Euro) noch fünf Prozent von der Gewinnsumme – so wie es bei Profis üblich ist. Ob Schiergen diesen Weg irgendwann ganz einschlagen wird, weiß er noch nicht. Erst einmal will er sein Studium der Angewandten Medien in Köln beenden. So lange bekommt er jedoch keinen Sieger-Scheck, sondern nur einen feuchten Händedruck – und am Abend endlich auch was zum Essen.