Haben einen Draht zueinander gefunden: die Außenminister Lawrow (r.) und Gabriel nach ihrem Gespräch in Moskau Foto: dpa

Außenminister Gabriel hat seinen Antrittsbesuch in Moskau absolviert. Er scheint sich mit seinem Amtskollegen Lawrow zu verstehen – ungeachtet aller Differenzen.

Moskau - Sie grinsen wie Schuljungen, die sich eine zünftige Schulhofrangelei gegönnt haben, zufrieden mit ihren Attacken und Kontern. Im Fußball würde man sagen: ein Unentschieden der besseren Art. Soeben ist im Gästehaus des russischen Außenministeriums eine denkwürdige Pressekonferenz zu Ende gegangen. Gastgeber Sergej Lawrow schüttelt seinem Amtskollegen Sigmar Gabriel fast kumpelhaft die Hand, so als wolle er ihm signalisieren, gut gemacht, für den Anfang. Gabriel ist seit nicht mal 13 Wochen im Amt, es ist sein Antrittsbesuch bei einem unverzichtbaren, aber schwierigem Partner. Wie geschaffen für Künstler der hohen Diplomatie, weniger für einen wie Gabriel, möchte man meinen. Oder ist es genau umgekehrt?

Mag sein, dass Lawrow seinem Gast nur ein wenig schmeicheln will, ahnend, dass dieser anerkennende Gesten gebrauchen kann, jetzt, wo er für seine SPD Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur aufgegeben hat und sein kurzes Glück als Außenminister sucht. Erfahren genug ist er, dieser alte knurrige Wolf in Diensten Wladimir Putins, der, wie Gabriel anmerkt, „auf den Tag genau 13 Jahre im Amt ist“. Es scheint , als hätten die beiden einen Draht zueinander gefunden. Schlecht wär’s nicht. Die Welt ist aus den Fugen, und man mag zu Moskau stehen, wie man will – ohne Russland geht nichts, nicht in Syrien und in Libyen, nicht in der umkämpften Ukraine, wo es sich erlaubte, erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa Grenzen neu zu ziehen.

Während der Pressekonferenz wird denn auch deutlich, dass die Positionen nach wie vor unterschiedlicher kaum sein könnten. Lawrow wähnt sein Land wegen der Stationierung von 4000 Soldaten im Baltikum und in Polen „von Nato-Waffen umzingelt“. Gabriel hält das für maßlos übertrieben. Das hatte er schon am Vortag bei einer Stippvisite in Polen zu Protokoll gegeben, zur Beruhigung der dortigen Gastgeber, die nichts gegen eine noch gewaltigere Truppenpräsenz der Nato einzuwenden hätten, weil sie sich vom Aufmarsch von Zehntausenden Soldaten auf russischer Seite und von der angeblichen Stationierung von Mittelstreckenraketen in Kaliningrad bedroht fühlen.

Nato-Partner im Osten sehen Gabriel kritisch

„Da haben wir eine andere Statistik“, kontert Lawrow tags darauf 1200 Kilometer weiter östlich frostig. „An unserer Grenze erscheinen Bodentruppen der Nato, auch aus der Bundesrepublik Deutschland.“ Man müsse nur mal „eine Landkarte auf den Tisch legen und eine Bestandsaufnahme machen, wer was wo stationiert hat“. Kein Wunder, dass Gabriel angesichts dieser Töne vor einem Rückfall in Zeiten des Kalten Krieges warnt.

Gabriel wurde bei seinem Amtsantritt von den östlichen Nato-Staaten misstrauisch beäugt. Dreimal war er während seiner Zeit als Wirtschaftsminister in Moskau, stets in Momenten, wo es Gründe gegeben hätte, den Kreml zu meiden. Gabriel reiste trotzdem und wurde zum Dank sogar stets von Präsident Wladimir Putin empfangen. Auch diesmal fährt Gabriel beim Präsidenten vor. Aber Zugeständnisse hat er nicht im Gepäck, stattdessen die Mahnung, nicht in eine neue „Aufrüstungsspirale“ zu geraten. Anders als noch vor zwei Jahren, zeigt er sich beim Abbau von Sanktionen hart. Erst wenn man in der Ukraine bei der Umsetzung des Minsker Abkommens weiterkomme, könne man darüber reden.

In Moskau wird deutlich, wie Gabriel seine kurze Amtszeit prägen will. Mit seinen russischen Gesprächspartnern sprach er vor allem darüber, wie sich deren Verhältnis zu den USA nach der Wahl von Donald Trump entwickeln könnte. Mit dem Außenministerium in Washington will er diese Erkenntnisse beraten. Eine Mittlerrolle zwischen Russland und den USA, das ist es, was ihm offenbar vorschwebt.

Die Hackerangriffe sind ein Thema

Leicht wird das nicht. Mit Lawrow kann er sich nicht mal darauf verständigen, wie es denn um „den Westen“ bestellt ist, den Lawrow für ein überholtes Machtkonstrukt hält, Gabriel aber für ein ewig gültiges Werteversprechen. Als eine Journalistin Gabriel fragt, weshalb deutsche Medien ständig über angebliche russische Hackerangriffe berichteten, antwortet Gabriel: „Deutsche Medien verantworten sich selbst. Das ist vielleicht der Unterschied zwischen Deutschland und anderen Ländern.“ Lawrow kommentiert das vieldeutig, dabei lächelt er ironisch: „Ich glaube, das ist auch richtig so.“