Majestätisch anzuschauen, idyllisch gelegen: Das berühmte Schloss Elmau, Ort des G7-Gipfels Anfang Juni Foto: dpa

Deutschland empfängt am 7./8. Juni die mächtigen Staatschefs der Welt zum G-7-Gipfel im bayerischen Elmau. Gibt’s Krawalle, bleibt’s friedlich? Beobachtungen von den Vorbereitungen vor Ort.

Elmau - Eine Kurve, noch eine Kehre, dann ist der Blick frei. Plötzlich ist der dichte, dunkle Wald zu Ende, das Tal öffnet sich wie ein Reißverschluss. Links Berggipfel, rechts Berggipfel. Willkommen in Elmau, einem Fleckchen Erde scheinbar am Ende der Welt.

Aber die Abgeschiedenheit inmitten der bayerischen Alpen muss Angela Merkel einst gut gefallen haben, als sie hier unweit von Mittenwald die Wanderschuhe schnürte. Dietmar Müller-Elmau, Inhaber und Chef des noblen Fünf-Sterne-Hotels Schloss Elmau, erinnert sich an „gute, tiefgründige Gespräche“ mit der Kanzlerin, vor allem aber an einen entscheidenden Satz. „Wir machen mal was zusammen“, habe Merkel gesagt.

Ein Ausspruch, der beim kunst- und kulturbeflissenen Hausherrn große Hoffnungen weckte. Und siehe da, sie hält ihr Wort: Am 7. und 8. Juni treffen sich hier auf Einladung Deutschlands die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden westlichen Industrienationen zum G7-Gipfel.

Ausnahmezustand, Alarmstufe 1

Ein Gesprächszirkel, der bekanntlich mal aus acht Personen bestand. Aber seit Russland auf dem internationalen Parkett eher durch Alleingänge als durch gemeinsame Aktionen von sich reden macht, muss für die Herrenrunde ein Stuhl weniger an den Tisch gestellt werden. An der Bedeutung des Treffens hat sich freilich nichts geändert. Es herrscht Ausnahmezustand, Alarmstufe 1.

Auch in Elmau. Damals, Anfang 2014, ahnten die Bürgermeister der umliegenden Dörfer (noch) nicht, was ihnen da bevorsteht. „Wir haben einige Zeit gebraucht, um die Dimension der Veranstaltung zu erfassen“, erinnert sich Adolf Hornsteiner, Bürgermeister von Mittenwald, an jenen Moment, als das Telefon klingelte und das Kanzleramt am anderen Ende der Leitung war.

„Was wir hier erleben, ist ein Weltereignis“, weiß der Schultes. Es gibt keinen Stammtisch, keine Vereinsversammlung, keine Familienfeier mehr, in der nicht über das Treffen der Mächtigen aus Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Japan, Kanada und den USA diskutiert wird.

Wird der Gipfel der Gegend schaden oder nutzen?

Die meist gestellte Frage: Wird der Gipfel der Gegend rund um die Geigenbauerstadt Mittenwald schaden oder nutzen? Bleibt es friedlich oder gibt es Krawalle wie 2007 in Heiligendamm an der Ostsee, als Aktivisten versuchten, vom Meer her kommend den G7-Tagungsort zu entern. Zumindest Letzteres scheidet in Elmau mangels Ozeanen aus.

Und sollten Protestierende versuchen, über die Berge hinunter ins Tal zum Schloss zu kommen, um US-Präsident Barack Obama und Co. bei ihren Beratungen zu stören oder wie jüngst in Frankfurt bei der Eröffnung der neuen EZB-Zentrale für Chaos zu sorgen, werden sie auf bis zu 15 000 Polizisten treffen, die den Tagungsort und die Umgebung wie ein Tiergehege voller Gemsen schützen.

„Krawalle wie in Frankfurt wollen wir in Bayern nicht erleben“, sagt Bayerns Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU). Auch Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert ist überzeugt, dass man die Lage im Griff hat: „Wir freuen uns, Gastgeber zu sein. Immer wenn ich vom Flughafen her fahre, geht mir das Herz auf, so schön wie es hier ist.“ Ein Gefühl, das man auch den Gästen vermitteln will.

Schon jetzt Demonstrations-Anmeldungen

Kein Zweifel: Von diesem Gipfel sollen friedliche Bilder um die Welt gehen, die erwarteten 4000 Journalisten sollen nicht Fotos und TV-Szenen verbreiten, die von Vermummten, Schlagstöcken und Tränengas geprägt sind.

Ob das freilich gelingt? Schon jetzt gibt es Anmeldungen der G7-Gegner für Demonstrationen im nahen Garmisch-Partenkirchen. Trainer für zivilen Ungehorsam testen bereits ihr Vorgehen – unter anderem die Fünf-Finger-Taktik, bei der sich die Gegner in fünf Gruppen aufteilen, um so die Mauer der Polizei besser durchbrechen zu können.

„Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander“, begründet York Runte vom Bündnis „Stopp G 7“ die geplanten Proteste. Aber spätestens am Ortsschild von Mittenwald dürfte Schluss sein. „Schloss Elmau wird weiträumig abgesperrt“, sagt ein leitender Polizeibeamter.

Organisatoren machen den Gipfelverlauf so transparent wie möglich

Die Organisatoren des G7-Bündnisses jedenfalls tun alles dafür, den Gipfelverlauf so transparent wie möglich zu machen, auf dass sich das Misstrauen in Grenzen halte. Es gibt ein Bürgertelefon, regelmäßige Bürgerversammlungen, seit dieser Woche ein Bürgerbüro, dazu unzählige Flyer und eine Homepage mit allen notwendigen Informationen. Das Ziel: Den Bürgern die Angst vor der Zerstörung ihrer Heimat nehmen.

„Wir leben hier von der Natur. Was unsere Vorfahren aufgebaut haben und was wir pflegen, darf nicht innerhalb von zwei Tagen zerstört werden“, gibt Thomas Schwarzenberger, Bürgermeister von Krün, die Stimmung vor allem alt eingesessener Bürger wieder.

Es sind nicht wenige, die in Krün – quasi das Eingangstor zum Elmauer Tal – fürchten, dass Neugierige wild auf den Wiesen parken werden, dass sie ihr Geschäft im Wald verrichten, dass Protestierer irgendwo campen – und nach deren Abreise nichts bleibt außer Müllbergen und malträtierten Landschaften. „Die Leute sind dann weg, aber unsere Natur ist für die nächsten 100 Jahre kaputt“, warnt Schwarzenberger.

„Eher als Chance denn Gefahr“

Inzwischen schwinden solche Sorgen aber offenbar. Regierungssprecher Seibert jedenfalls ließ am Mittwochabend bei einer Bürgerversammlung in Krün keine Chance aus, die Leute positiv zu stimmen: „Zusammen wird der Gipfel ein Erfolg“, so sein Credo. In der Tat scheint es so, als würden die Einheimischen das politische Event zunehmend „eher als Chance denn als Gefahr“ sehen, wie es heißt.

Denn die 130 Millionen Euro, die der Gipfel kostet und die Seibert als „Kosten für die Demokratie“ bezeichnet, sind nicht nur für die Sicherheitsvorkehrungen nötig, sondern gleichen auch einem „riesigen Konjunkturprogramm für die ganze Region“, wie Schwarzenberger sagt.

Neue Feuerwehrfahrzeuge, die sonst für die Kommunen unbezahlbar gewesen wären, wurden gekauft. Hinzu kommen nunmehr schlaglochfreie Straßen, sanierte Bahnhöfe, neue Abwasserleitungen, Breitbandverlegungen.

An vielen Stellen im Tal ist das Geld gleich doppelt vergraben worden – für den Fall, dass eine Leitung ausfällt wurden zwei gebaut. Nicht auszudenken, wenn Mitarbeiter von Frankreichs Präsident Francois Hollande plötzlich keinen Internetzugang mehr hätten oder Gastgeberin Angela Merkel nicht mehr abhörsicher telefonieren könnte.

Mit dem Hubschrauber ins abgeschiedene Tal

Aber werden die Staatschefs die schönen, neuen Straßen überhaupt nutzen? Wohl seltener. Sie werden eher mit dem Hubschrauber ins abgeschiedene Tal fliegen. Ein Wanderparkplatz unweit von Schloss Elmau ist eigens zum Hubschrauberlandeplatz umgebaut worden.

Und zieht schon jetzt Neugierige an. Für diese Wochenende ließ ein pfiffiger Unternehmer dort ohne Genehmigung der Behörden ein riesiges Zelt aufbauen, um eine Privat-Party zu feiern. Nach dem Motto: Obama kann kommen, wir sind schon da. Der Vorfall sorgt in der Lokalpolitik inzwischen für heftige Debatten. „Eine echte Provinzposse“, amüsiert sich ein Gemeinderat.

Aber der Rauch um die Panne dürfte sich schnell wieder verziehen – und den Blick auf Schloss Elmau freigeben. „Es ist ein idealer Ort, um sich aus dem Weg zu gehen und doch zu begegnen“, charakterisiert Müller-Elmau die Philosophie seines Palastes.

Schloss bietet alles, was Gipfeltreffen braucht

Und wirklich: Das Schloss bietet alles, was ein solches Gipfeltreffen zum Erfolg braucht. Lange Flure für Vier-Augen-Gespräche in Form eines Spaziergangs. Kuschelige Kaminzimmer zum Brüten über den Problemen dieser Welt, die Ukraine, Jemen, Afrika, Nahost und internationaler Terrorismus heißen.

Gemütliche Lounges mit schweren Ledersofas, die keinen Ton nach außen dringen lassen, der den Raum nicht verlassen soll. „Wir haben genug Platz, um alle Wünsche zu erfüllen“, verspricht der Hotelchef.

Und das gilt nicht nur für den dienstlichen Teil des Gipfels. Nachdem Teile des Hotels vor Jahren abgebrannt waren, hatte sich Müller-Elmau zu einem Neubau entschieden.

Gedacht, geplant, gemacht. Neben dem historischen Stammhaus aus dem Jahr 1916 ist nun ein neuer Trakt mit exklusiven Zimmern entstanden, darunter ein gutes Dutzend Präsidentensuiten, jede mit eigenem Wellnessbereich. Kostenpunkt allein dieser Baumaßnahme: satte 40 Millionen Euro. Aber die Investition rechnet sich, da ist Müller-Elmau ganz sicher. Schon jetzt liegt die Auslastungsquote des Hotels im Jahresschnitt bei 80 Prozent.

G7-Wanderung: auf den Spuren der Gipfelteilnehmer wandeln

Künftig werde dieser Wert sicher „noch höher sein“, glaubt Müller-Elmau. Der Grund liegt im Neugiertrieb des Menschen. Wie in Heiligendamm setzen die Tourismus-Verantwortlichen der Region darauf, dass in den nächsten Jahren so mancher Urlauber in die Gegend kommt, um auf den Spuren der Gipfelteilnehmer zu wandeln.

„Es gibt bereits Pläne für eine G7-Wanderung“, sagt Sabrina Blandau, Geschäftsführerin bei der „Alpenwelt Karwendel“, einem Tourismus-Bündnis der Orte Mittenwald, Krün, Wallgau und Elmau.

Dass die Branche einen solchen Schub fürs Image gut gebrauchen kann, belegen die Zahlen. Zwischen 2005 und 2013 ist die Zahl der Übernachtungen in der Region mit jährlich 1,1 Millionen nahezu konstant geblieben, die Gäste werden aber immer älter.

Weißwürste, Schweinshaxe oder Sterneküche?

Vielleicht wird der Anreiz, dort seine Urlaubstage zu verbringen, ja noch etwas größer, wenn demnächst feststeht, wie das Damenprogramm während des Gipfels aussieht und welche bayerische Spezialität man den Gästen servieren wird. Weißwürste vielleicht? Schweinshaxe mit Knödeln? Eine deftige Brotzeit? Dazu ein süffiges Hefeweizen? Oder doch lieber ein exklusives Menu aus der Sterneküche.

„Das steht noch nicht fest“, sagt Blandau. Am typischen Unterhaltungsangebot für die Staatsgäste jedenfalls soll es auf Schloss Elmau nicht mangeln. „Wir können alles aufbieten, was gewünscht wird“, verspricht die Tourismus-Chefin. Und das heißt: Von Alphornbläsern über Schuhplattler und Trachtengruppen bis zum Zitterspieler steht alles parat – für den Gipfel unter den Gipfeln.