Bundestrainer Joachim Löw ist verschnupft. Foto: dpa

Die Weltmeister fühlen sich bereit für das Gruppenfinale gegen Nordirland. Bedenken werden strikt zur Seite geschoben. Mit einem Sieg soll auch die EM-Stimmung in der Heimat angeheizt werden.

Paris - Der Bundestrainer ist leicht geschwächt, die deutschen Fußball-Weltmeister müssen gegen Nordirland aber endlich ihre wahre EM-Stärke beweisen. „Wir wollen von der ersten Minute an zeigen, dass wir das bessere Team sind. Damit die Nordiren gar nicht erst den Glauben entwickeln, gegen uns gewinnen zu können“, erklärte Innenverteidiger Mats Hummels vor dem Gruppenfinale am Dienstag (18.00 Uhr/ARD) in Paris.

Unabhängig von allen Konstellationen zur Achtelfinal-Qualifikation will sich das Team von Bundestrainer Joachim Löw unbedingt Platz eins in der Gruppe sichern. „Wir werden ein bisschen mehr Risiko suchen“, kündigte Hummels an.

Löw fehlte wegen einer leichten Erkältung bei der offiziellen UEFA-Pressekonferenz am Montag, leitete bei strömendem Regen in der französischen Hauptstadt aber sogar in kurzen Hosen das Abschlusstraining mit allen 23 Spielern. Die klare Botschaft hatte der Chef der EM-Mission bereits zuvor verbreitet: Für Zweifel ist kein Platz, wenn der Bus der deutschen Nationalmannschaft am Dienstag mit der Aufschrift „Wir meistern das“ in den Pariser Prinzenpark einfährt.

Selbstzweifel sind dem DFB-Tross fremd

Wie immer in dritten Vorrundenspielen unter Turniertrainer Löw soll auch gegen hartnäckig verteidigende und mit viel Euphorie konternde Nordiren nicht allein der Sprung als Vorrundenerster in die K.o.-Runde gelingen. Abwehrboss Jérôme Boateng und seine Kollegen möchten auch dafür sorgen, dass sich bei den Fans in der Heimat die Skepsis in Zuversicht verwandelt. Denn noch hat der Weltchampion bei der Europameisterschaft in Frankreich das Feuer nicht entzündet.

Selbstzweifel sind dem DFB-Tross fremd. „Wir haben viele Spieler, die ständig solche Spiele haben, die sehen es ganz nüchtern. Sie wissen um ihre Stärke. Das werden wir entsprechend umsetzen“, sagte Teammanager Oliver Bierhoff. Ob jedoch nach einer eher quälenden Qualifikation, nach Defensivlücken zum Endrundenauftakt gegen die Ukraine (2:0) und Offensivschwächen gegen Polen (0:0) auf Knopfdruck der Schalter umgelegt werden kann, bleibt abzuwarten.

Weder an der Art des Widerstandes beim Gegner noch an der personellen und taktischen Ausrichtung von Löws Team wird sich im dritten Gruppenspiel Entscheidendes ändern. „Sie werden auf jeden Fall mit sehr vielen Spielern rund um den eigenen Strafraum agieren. Es ist dann egal, wie hoch die fußballerische Qualität mit dem Ball ist. Es wird auf keinen Fall ein Spaziergang“, sagte Thomas Müller.

Kein Grund für größere Korrekturen

Der Torjäger, der noch ohne EM-Treffer ist, lief wie seine Offensivkollegen zuletzt den eigenen Stärken hinterher und stellte schon einmal das Wesentliche in den Vordergrund: „Keine Frage, dass wir der Favorit sind. Aber ich würde auch einen zähen Sieg mitnehmen.“ Wie das deutsche Team im Gegensatz zur Nullnummer gegen Polen zu mehr Torabschlüssen kommen kann, ist den Protagonisten zumindest in der Theorie klar. „Möglichst viel Tiefe schaffen, schnelle Spielverlagerungen“, sagte Mario Götze.

Für größere Korrekturen seiner Turnierstrategie sieht der Bundestrainer keinen Grund. Ihm mangelt es offenbar an stärkeren Alternativen im 23-Mann-Kader. Hoffnungsträger wie Marco Reus, Ilkay Gündogan und Antonio Rüdiger fehlen verletzt, andere Akteure wie Sebastian Rudy oder Karim Bellarabi sortierte Löw kurz vor EM-Start aus. Für die Jungprofis Joshua Kimmich oder Leroy Sané kommt ein Alles-oder-nichts-Match bei der EM aus Sicht von Löw noch zu früh.

Da sich Kapitän Bastian Schweinsteiger nach zwei Knieverletzungen erst mühevoll an Wettkampfniveau heranarbeiten musste, dazu Gomez als klassischer Mittelstürmer wohl wieder nur als Joker in Frage kommt, dürften die bisherigen Stammkräfte einschließlich des bisher wenig überzeugenden Götze wieder von Beginn an auflaufen. Möglicherweise rückt nur der Wolfsburger André Schürrle für Julian Draxler in die Startformation.

Für Löw sind die als 25. der FIFA-Weltrangliste in die EM gegangenen Nordiren „eine positive Überraschung“ des bisherigen Turnierverlaufs: „Sie haben eine unglaubliche Kampfkraft und Power in das Spiel gelegt, wahnsinnig viel Energie ausgestrahlt. Und sie können genauso gut verteidigen wie die richtig guten Mannschaften“, bemerkte Löw.

Auf dem Platz ist nicht das Reißbrett

Mit hohen Bällen würde man diesem Gegner „genau in die Karten spielen“, ergänzte der Bundestrainer: „Das Entscheidende ist, dass wir mit Tempo in die Spitze reingehen und dort mit vielen Leuten präsent sind. Nur dann kann man Tore erzielen.“ Für Hummels ist trotz aller Debatten um die deutsche Offensive die defensive Stabilität „der wichtigste Punkt, um ein Turnier zu gewinnen“.

Ein Stück Ungewissheit bleibt trotz Gegneranalyse, eigenem Matchplan und dem Wissen, dass man namentlich die bessere Mannschaft ist. „Der Gegner macht auch mit“, warnte Müller, in Turnieren eigentlich ein Torgarant. Und es sei kein Automatismus, dass es auf dem Platz funktioniert, was man sich auf dem Reißbrett aufmalen würde.

Ein Sieg gegen Nordirland wäre der 25. Erfolg der DFB-Elf bei einer EM-Endrunde. Der Gruppensieg wäre dennoch nicht garantiert, da ein hoher Erfolg der Polen im Parallelmatch gegen die schon ausgeschiedene Ukraine das deutsche Team auch noch auf Rang zwei befördern könnte. Dann würde Deutschland im Achtelfinale schon am kommenden Samstag in St. Etienne auf die Schweiz treffen.

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