Ralph Hasenhüttl herzt Ramazan Özcan und Benjamin Hübner. Foto: dpa

Der FC Ingolstadt ist auswärts noch ungeschlagen und kassierte erst ein Gegentor – an diesem Sonntag soll der VfB Stuttgart die geballte Kampfkraft des Aufsteigers zu spüren bekommen. Vater des Erfolgs ist Trainer Ralph Hasenhüttl.

Stuttgart/Ingolstadt - Es gibt eine nette Geschichte, die viel aussagt über Ralph Hasenhüttl (48). Vor zweieinhalb Jahren verkleidete sich der Coach als Tourist, setzte sich auf sein Mountainbike und beobachtete mit Helm, Sonnenbrille und im Radfahrerhemd Trainingseinheiten verschiedener Topclubs. „Ich wollte halt kein großes Aufhebens machen“, sagt Hasenhüttl, der damals vereinslos war, im Rückblick: „Mich haben eben die Trainingsinhalte interessiert und wie die Einheiten angelegt sind.“

Uneitel, pragmatisch, locker, so gab sich Hasenhüttl, als er zwischendurch mal keinen Verein hatte – und so gibt er sich seit zwei Jahren als Trainer des FC Ingolstadt. Der Coach, der an diesem Sonntag mit dem so stark in die Saison gestarteten Aufsteiger auswärts auf den VfB trifft (17.30 Uhr/Sky), nimmt sich selbst nicht so wichtig. Und er überträgt seine innere Ruhe und die Lockerheit auf seine Mannschaft.

Das zeigt sich vor allem dann, wenn er über seine frühere Karriere als Stürmer spricht – und über seinen Führungsstil als Trainer. „Ich war als Profi nie der große Läufer, der Fleißigste war ich auch nie, die Einstellung war unter aller Sau“, sagt Ralph Hasenhüttl, früher immerhin österreichischer Nationalspieler: „Ich habe Spiele gehabt, wo ich aus einem halben Meter über das Tor geschossen habe.“ Aus seinen Schwächen als Profi macht der frühere Angreifer des 1. FC Köln als Coach eine Tugend. Er sagt: „Wenn man mal solche Dinge erlebt hat, kann man mit Fehlern ganz anders umgehen. Meine Spieler merken das. Sie dürfen Fehler machen.“ Und weiter: „Sie werden nicht ans Kreuz genagelt. Und mir fällt auch kein Zacken aus der Krone, Fehler zuzugeben. Wenn etwas nicht funktioniert, versuche ich, bei mir anzufangen und zu schauen, ob ich etwas nicht richtig gemacht habe.“

Bei Anpfiff ist der Kuschelkurs vorbei

Das muss Hasenhüttl, der so etwas wie ein sanfter Motivator ist, zurzeit eher seltener tun. Denn seine Mannschaft mischt die Bundesliga auf. 14 Punkte aus acht Spielen, auswärts nach drei Siegen und einem Unentschieden noch ungeschlagen – der FCI hat sich bereits ein Polster im Kampf um den Klassenverbleib angelegt. Hasenhüttls Wohlfühlklima wirkt sich auf die Leistungen auf dem Platz aus. Wobei das mit dem Wohlfühlklima so eine Sache ist. Denn wenn der Schiri anpfeift, ist es mit dem Kuschelkurs vorbei. Zumindest für den Gegner.

Der FCI ist ein eingespieltes Team, die Aufstiegself bildet weiter das Gerüst und wurde nur punktuell verstärkt – und in Liga eins zeigt sich das, was sich schon eine Klasse darunter in der Aufstiegssaison angekündigt hat. Es ist verdammt unangenehm, gegen diese bissige und kampfstarke Truppe kicken zu müssen. Oder, wie es Ralph Hasenüttl sagt: „Wir sind ekelhaft zu bespielen.“ Jeder Ingolstädter weiß, was er kann auf dem Platz und was nicht, es gibt einen klaren Plan. In Verbindung mit der Eingespieltheit der Mannschaft, dem fast schon unbändigen Ehrgeiz und dem Zusammenhalt ist das die Erfolgsmischung – und die Erklärung dafür, dass der FCI besser besetzte Teams hinter sich lässt. „Der unbedingte Wille, nicht zu akzeptieren, wenn etwas nicht funktioniert, der hilft dramatisch, um erfolgreich zu sein“, sagt Ralph Hasenhüttl, „es gibt in jedem Spiel enge Phasen, in denen der Gegner spüren muss, dass man nicht bereit ist nachzugeben. Wenn das gelingt, dann merkt der Gegner, dass da eine besondere Truppe auf dem Platz steht, die schwer zu schlagen ist.“

Der FCI besticht durch kalkuliertes Risiko

Das soll nun auch der VfB zu spüren bekommen. An diesem Sonntag schickt sich der FC Ingolstadt wieder an, ein von den Einzelspielern her besser besetztes Team zu schlagen. Kalkuliertes Risiko, mal bedingungsloses Gegenpressing, mal kompaktes Verteidigen, immer gepaart mit Kampfkraft und Aggressivität, so zieht der FCI vielen Gegnern den Zahn. Und wenn man so will, ist das Ziel, mit den Kleinen die Großen zu ärgern, sogar so etwas wie die tägliche Motivation für Ralph Hasenhüttl. „Ich möchte mit meinen Mannschaften viel mehr erreichen als Vereine, die größere Möglichkeiten haben als wir“, sagt er, „das zeichnet für mich einen guten Trainer aus.“

In Ingolstadt gibt es keine zwei Meinungen darüber, dass Hasenhüttl einen guten Job macht – und dass er der Vater des Erfolgs ist. Der Ex-Coach des VfR Aalen wurde im Oktober 2013 Trainer beim FCI, als der Club in der zweiten Liga in Abstiegsgefahr schwebte. Hasenhüttl formte schnell ein gefestigtes Team, in dem jeder für den anderen rennt. Er schaffte ein motivierendes Klima ohne Angst, mit Freiheiten und einem hohen Maß an Verantwortung für jeden Einzelnen. Diese Idee übertrug der Coach auf das Umfeld. „Man muss die Leute mitnehmen, um sie zu begeistern“, sagt er. Wenn er an die Entwicklung seines Teams denke, müsse er sich kneifen, meint der Österreicher, der vom Boulevard aufgrund seines Charmes und der Wortgewandtheit schon als „Alpen-Klopp“ bezeichnet wurde: „Das ging alles so wahnsinnig schnell, das hat keiner so erwartet.“

Erst recht, da der Lizenzspieleretat des FCI schon zu Zweitligazeiten im unteren Liga-Drittel war – und jetzt mit rund 20 Millionen Euro in der ersten Liga weit unten angesiedelt ist. Mit wenig Geld viel erreichen, so soll es beim FCI auch in den nächsten Wochen weitergehen. Oder, wie es Ralph Hasenhüttl sagt: „Es soll bloß keiner glauben, dass wir jetzt nachlassen.“