Niko Kovac will mit dem FC Bayern das Double holen Foto: dpa

Der FC Bayern München und Borussia Dortmund kämpfen am letzten Spieltag um die Meisterschale – zwei nicht unumstrittene Trainer prägen das Titelduell.

Stuttgart - Niko Kovac ist beim Spitzenreiter FC Bayern München längst nicht mehr unumstritten, auch Lucien Favre vom Tabellenzweiten Borussia Dortmund stand zuletzt in der Kritik – warum ist das so? Eine Traineranalyse in zwei Blöcken vor dem großen Saisonfinale an diesem Samstag.

Niko Kovac

Wenn Menschen betonen, dass etwas gerade mal ganz und gar nicht interessiert, dann ist meist das Gegenteil der Fall. Niko Kovac, der Trainer des FC Bayern München, wurde zu Beginn der Pressekonferenz am Donnerstag nach den Dauerthemen der vergangenen Wochen gefragt. Nach den Zukunftsdebatten über ihn, nach der mangelnden Rückendeckung im Verein. Nach „Nebensächlichkeiten“ also, wie Kovac zunächst entgegnete. Nach Dingen, die vor dem Saisonfinale gegen Eintracht Frankfurt an diesem Samstag „wirklich nicht interessieren“.

Niko Kovac hatte die Rechnung da allerdings ohne Niko Kovac gemacht. Denn nur wenige Minuten später wurden die Nebensächlichkeiten beim Trainer selbst zu den wichtigsten Dingen des Tages.

Sogenannte Brandreden sind ja zurzeit schwer in Mode bei Bundesliga-Trainern, meist geht es um fehlende Wertschätzung in der Öffentlichkeit und den angeblich immer schlechteren Stil mancher Medien. Niko Kovac nutzte nun die Frage nach seiner persönlichen Beurteilung der Saison für einen, nun ja, kleinen Rundumschlag.

Ereignisreiches Jahr für Kovac

„Es war sehr aufschlussreich, sehr lehrreich, ich hab’ vieles mitbekommen“, sagte Kovac über die Saison. Man könne kritisch sein, ergänzte der FCB-Trainer, „aber alles muss ein gewisses Niveau haben“. Offensichtlich, das klang durch im Subtext, ist das nach seiner Wahrnehmung nicht immer der Fall gewesen. Ob nun von der Vereinsführung aus oder nur von manchen Medien, das ließ Kovac offen. Es ist aber gut möglich, dass der Coach beide Bereiche meinte.

Es ist ja auch verdammt viel passiert im ersten Jahr des Niko Kovac beim FC Bayern. Da steht der Trainer mit seiner Mannschaft im DFB-Pokalfinale und kann am letzten Spieltag aus eigener Kraft die Meisterschaft klarmachen – und ist dennoch umstritten. Auch intern. Die große Frage, die sich die Clubbosse stellen: Ist Kovac der Mann, der den Umbruch von der neuen Saison an leiten soll? Ist er der Mann, der den Verein international wieder an die Spitze führen kann mit frischem Spielerpersonal?

Die Bayern selbst scheinen in dieser Frage ja noch gespalten zu sein. Präsident Uli Hoeneß verteidigt Kovac vehement, Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge dagegen lässt keine Gelegenheit aus, seinem Trainer eben keine Jobgarantie zu geben. Die spielerische Weiterentwicklung des Teams, so sieht es dem Vernehmen nach Rummenigge, sei unter Kovac gefährdet.

Ein unwürdiger Eiertanz

Dabei hatte es der Coach von Beginn an nicht leicht, er übernahm im Jahr vor dem Umbruch eine recht satte Übergangsmannschaft mit einigen neuen jungen Profis wie Serge Gnabry und Altstars in ihrer letzten Saison wie Franck Ribéry und Arjen Robben. Kovac schlitterte in eine Herbstkrise mit seinem Team, meisterte diese aber bravourös. Dennoch ist das Szenario, dass Kovac nun das Double holt und am Ende doch gehen muss, längst nicht ausgeschlossen – aus der Uneinigkeit der Bosse über die Entscheidung, ob Kovac der Richtige ist, ist ein öffentliches Debattenschauspiel der Chefs geworden. Einige Experten empfinden das längst als unwürdigen Eiertanz. Wahrscheinlich sieht es Niko Kovac selbst so.

Der Coach wurde am Donnerstag noch zum Kämpfer für Anstand und Moral. Kovac sagte auf dem Podium zu einem Journalisten: „Wenn ich Ihnen eine kleben würde, dann wären das kurzzeitig Schmerzen. Aber wissen Sie, was das Schlimme ist? Die Seele. Deswegen gibt es heute so viele Depressionen und Krankheiten.“ Und weiter: „Wir müssen mehr den Menschen sehen und nicht noch mehr drüberfahren und draufhauen.“

Lucien Favre

Oha, hört, hört! Lucien Favre, so lief es am Donnerstagmittag über den Ticker, gibt sich kämpferisch. „Der Titelkampf“, sagte der Trainer von Borussia Dortmund, „ist noch nicht entschieden.“ Diese Erkenntnis ist so neu ja nun nicht und vor dem Saisonfinale bei Borussia Mönchengladbach an diesem Samstag im Grunde nicht weiter erwähnenswert – wäre da nicht eben dieser Favre.

Der Mann also, der die Meisterschaft nach der fundamentalen Derby-Niederlage vor ein paar Wochen gegen den FC Schalke 04 schon abgehakt hatte. Das Ding sei durch, sagte Favre – hinterher waren viele in und um Dortmund erstmal durch mit dem Schweizer mit dem französischen Zungenschlag.

Alles, was es an diesem Favre zu kritisieren gab, wurde aufgetischt. Zu emotionslos, zu verkopft, zu zaudernd - und überhaupt: Der Kloppo hätte so was nie gesagt! Und: Mit dem Kloppo wären wir längst Meister!

Die dem BVB zugeneigten Menschen im emotionsgeladenen Ruhrgebiet trauern ja oft nicht nur hinter vorgehaltener Hand ihrem emotionsgeladenen Ex-Trainer hinterher, der nun in Liverpool Heavy Metal auf dem Platz spielen lässt. Immer in Krisenzeiten ist die Sehnsucht nach dem anerkannten Menschenfänger Jürgen Klopp besonders groß – in Lucien Favres speziellem Fall geht dessen zumeist formidable Arbeit in dieser Saison dann meist komplett unter.

Das Team wieder in die Spur gebracht

Fakt ist: Der 61-Jährige hat es in seinem ersten Jahr bei Borussia Dortmund geschafft, eine Mannschaft nach einer, nun ja, sehr schwierigen Saison mit zwei Trainern (Peter Bosz und Peter Stöger) wieder in die Spur zu bringen. Zur Erinnerung: In der Hinrunde stand das Dortmunder Spiel unter Favre für jugendliche Dynamik, Spielwitz, für frechen, begeisternden Fußball.

Auf solch einen mutigen Herausforderer des Münchner Serienmeisters hatte man seit Langem sehnsüchtig gewartet. Der BVB bot eine herausragende Saison – bis zum Einbruch von Februar an. Bis zum Verspielen von sage und schreibe neun Punkten Vorsprung auf den FC Bayern.

Aber ist das alles Favre anzukreiden? Der Tüftler, klar, er kann Spieler und die gesamte Mannschaft besser machen, er ist ein Taktikfuchs, und manchmal auch ein Taktikgenie. Aber wehe, es geht irgendetwas schief, wehe, es werden mal zwei Spiele vergeigt. Dann geht Favre die Dinge eben nicht wie Klopp früher emotional und mit langen Einzelgesprächen samt langem In-den-Arm-Nehmen seiner Jungs an – nein, er zieht sich dann zurück. Er verfällt in den Grüblermodus, er vertieft sich in Videoanalysen, er sucht nach Antworten. Taktisch – und selten menschlich.

Gut gefahren mit Favre

All das kann man nun gut finden oder schlecht, im Ruhrgebiet finden die sehr geradeaus denkenden Menschen das meist eher schlecht. Fakt ist aber: Die Verantwortlichen von Borussia Dortmund wissen, was sie an Favre haben. „Jeder Trainer hat seinen persönlichen Stil“, sagt der Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke: „Und mit dem von Lucien sind wir sehr gut gefahren.“