Gibt nun bei Hertha BSC den Balleroberer: Santiago Ascacibar, der in der Winterpause vom VfB Stuttgart nach Berlin kam. Foto: dpa/Soeren Stache

Hertha BSC hat unter Jürgen Klinsmann große Pläne, muss aktuell aber erst einmal der Abstiegszone der Fußball-Bundesliga entkommen. Kampf ist gefragt – was einem Ex-Spieler des VfB Stuttgart besonders entgegenkommt.

Wolfsburg/Berlin - In Berlin malen sie bei Hertha BSC, seit Jürgen Klinsmann dort mitmischt, ja das Bild vom „Big City Club“. Glamour, Gala-Auftritte, die ganz große Bühne – und natürlich Titel. Noch aber ist die Realität eine andere. Der Rückrundenstart ging beim 0:4 gegen den FC Bayern in die Hose, der Kampf gegen den Abstieg bestimmt die tägliche Arbeit. Immerhin: Durch das späte 2:1 beim VfL Wolfsburg am Samstag hat sich die Alte Dame ein bisschen Luft verschafft. Nicht durch einen Gala-Auftritt übrigens, sondern durch „Mehrarbeit“, wie Klinsmann das Pensum der vergangenen Wochen nennt. Und durch eine Art des Fußball, die auf einen anderen Neu-Berliner wie zugeschnitten ist.

Lesen Sie hier: So liefen die letzten VfB-Duelle gegen den 1. FC Heidenheim

„Es ist schön zu sehen, dass die Jungs kapiert haben, um was es hier geht“, lobte Klinsmann am Samstag und ergänzte energisch: Man brauche „Kampf, Aufopferungsbereitschaft und Willenskraft“. All das also, was Santiago Ascacibar in sich vereint.

Der VfB kassierte elf Millionen Euro

In der Winterpause kehrte der Argentinier dem VfB Stuttgart den Rücken und ging für elf Millionen Euro zu Hertha BSC. Er kam mit dem Ex-VfB-Trainer Tim Walter nicht klar, er spielte auf einer Position, auf der er seine Stärken als Balleroberer nicht einbringen konnte, er wollte schnell wieder in die Bundesliga – auch, um sich für die Nationalmannschaft zu empfehlen. Im Sommer finden die Copa America und das olympische Fußballturnier statt. Ascacibar sagt gegenüber der „Bild“: „Die Copa ist mein Ziel. Falls das nicht klappt, habe ich Lust auf Olympia.“ Lust auf die Hertha hat er sowieso – und Hertha hat Lust auf ihn.

Als einen der besten Sechser der Bundesliga hat ihn Klinsmann („Er ist ein Spieler, der in jeder Einheit den Unterschied ausmacht“) bezeichnet – was einerseits für Erleichterung sorgte beim 22-Jährigen, weil er erkannte: „Der Trainer sieht mich als Sechser.“ Anders als Tim Walter. Zum anderen fühlte er sich durchaus geschmeichelt: „Das macht mich sehr stolz, es ist eine Verpflichtung.“ Der er nur allzu gerne nachkommt.

Viel gelernt aus den Konflikten

„Santi ist ein Spieler, der unheimlich viel investiert“, sagt Herthas Co-Trainer Alexander Nouri in der „Morgenpost“, „mit seiner Zweikampfführung erobert er viele Bälle.“ Was beim aktuell auf Konter ausgelegten Berliner Spiel immens wichtig ist. Und so bringt Ascacibar in der Hauptstadt bisher das ein, für das ihn auch die Stuttgarter Fans liebten.

Sowohl beim 0:4 gegen den FC Bayern als auch beim 2:1 in Wolfsburg war er Herthas laufstärkster Spieler (12,58 und 12,37 Kilometer). Er gewann 15 und 16 Zweikämpfe, war bei den intensiven Läufen Erster und Zweiter seiner Mannschaft – aber: Er sah im Berliner Trikot noch keine Gelbe Karte.

Lesen Sie hier: Der große VfB-Formcheck vor dem Start am Mittwoch

In der vergangenen Saison waren es noch zehn gewesen, dazu kam der Platzverweis wegen der Spuckattacke gegen Kai Havertz samt Fünf-Spiele-Sperre, die Ascacibar im Nachhinein als „eine Katastrophe“ sieht. Nun will er auch bei der Hertha sein aggressives Spiel nicht grundlegend ändern – das würde ihm seine Stärken rauben. Er weiß aber: „Ich muss auf dem Platz geduldiger bleiben. Ich habe viel gelernt.“ Auch aus der Suspendierung in der Hinrunde beim VfB.

Die Familie findet Klinsmann gut

Mit Vehemenz hatte er für sich die Rolle aus Sechser eingefordert – der Coach sah in dort nicht, es kam zum Streit und zu einer Woche Einzeltraining. Was also, wenn auch Jürgen Klinsmann seine Meinung über Ascacibars Position ändern würde? Der Argentinier verspricht: „Dann spiele ich das, kein Problem.“ Zumal ihm seine Familie ja auch eine gewisse Ehrfurcht vor Klinsmann eingebläut hat.

„Meine ganze Familie kennt Klinsmann von der WM 1990“, sagt Ascacibar, „alle sagen: Du musst von diesem großen Spieler lernen, hör immer zu. Er macht dich besser.“ Letzteres muss ich noch zeigen. Dann nämlich, wenn vom 1,68 Meter großen Kämpfer wieder mehr verlangt wird, als den reinen Balleroberer zu geben.

Aktuell aber ist bei der Hertha im Kampf um ein Fortkommen aus der Abstiegszone genau das gefragt. „Solange wir untendrin stehen“, sagt Spielführer Niklas Stark, „hilft kein Schönspielen, sondern nur harte Arbeit.“ Arbeit à la Ascacibar.