Ein Plakat mit dem gemeinsamen Markennamen „Galeria“ hängt bereits im Schaufenster der ehemaligen Kaufhof Filiale in Köln. Foto: dpa

Die Fusion mit Karstadt gefährdet 2800 Vollzeitstellen bei Kaufhof. Das neue Management will nun 1800 statt der bisher genannten 1600 Jobs in den Filialen streichen. Der Gewerkschaft Verdi ist zudem die Tarifflucht ein großes Ärgernis. Aktionen werden vorbereitet.

Stuttgart - Der Stellenabbau bei Kaufhof droht im Zuge der Fusion mit Karstadt noch heftiger auszufallen als bisher bekannt: Nun hat das neue Management, das im Wesentlichen von Karstadt kommt, den Abbau von 1800 Vollzeitjobs in den Kaufhoffilialen verkündet. Bisher ging es um das Aus für 1600 Stellen in den Filialen sowie für weitere 1000 Stellen in der Kaufhof-Zentrale. Insgesamt könnten nach Einschätzung des Gesamtbetriebsrats wegen der vielen Teilzeitkräfte sogar 5500 Mitarbeiter davon betroffen sein. Die ersten Kündigungen sind erfolgt. Von Karstadt gab es dazu keine Stellungnahme.

Offen ist dem Vernehmen nach noch, wie die Zahl 2800 erreicht werden soll, weil von Filialschließungen weiterhin nicht die Rede ist. Klar ist, dass die Belegschaft – wie bei Karstadt vorgemacht – „spezialisiert“ wird: in ein Verkaufsteam, das etwa 50 Prozent ausmacht, in ein Kassenteam und ein Warenserviceteam (von jeweils einem Viertel). Mit dieser Umstrukturierung soll eine neue Personalbemessung einhergehen: Für jede Filiale wird festgelegt, wie viele Mitarbeiter in den Teams künftig noch beschäftigt werden sollen. Damit lassen sich nicht nur die Personalzahlen reduzieren, sondern in einem weiteren Schritt zum Beispiel die Warenserviceleute oder Verkäufer schlechter bezahlen, indem man ihnen Qualifikationen abspricht und sie schlechter eingruppiert – so die Furcht der Gewerkschaft. Damit wächst auch die Verunsicherung in der Belegschaft, weil in nächster Zeit in den Filialen verkündet werden dürfte, wie viele Mitarbeiter nicht mehr benötigt werden.

Zwei Filialverbünde in Baden-Württemberg

„Die neuen Herren beim Kaufhof haben keine Neigung, am alten Sanierungskonzept festzuhalten“, rügt Bernhard Franke, der bundesweite Verhandlungsführer von Verdi und Fachbereichsleiter in Baden-Württemberg für den Handel, im Gespräch mit unserer Zeitung. Vielmehr „überträgt Karstadt-Chef Stephan Fanderl sein Sanierungskonzept, was er bei Karstadt durchgezogen hat, eins zu eins auf Kaufhof“.

Dazu werden auch Filialverbünde ins Leben gerufen – für Baden-Württemberg genau zwei: einen Verbund für den württembergischen und einen für den badischen Teil. Der Kaufhof in Stuttgart und Karstadt in Karlsruhe werden als sogenannte Kopffilialen benannt, aus denen die jeweiligen Bereiche gesteuert werden. Ein wichtiger Effekt: Die Zahl der Führungskräfte bis hin zu den Abteilungsleitern wird verringert – derweil werden die örtlichen Geschäftsführer in ihren Kompetenzen sowie Spielräumen eingeschränkt und stärker über die regionalen Zentren gesteuert.

Austritt aus dem Flächentarif schon vollzogen

70 Millionen Euro pro Jahr sollen die Kaufhof-Beschäftigten zur Sanierung beitragen – zunächst mit einem Tarifvertrag, der den Verzicht auf tarifliche Ansprüche beinhaltet. Später wird eine dauerhafte Absenkung der Lohnkosten durch einen vom Management sogenannten „Segment-Tarifvertrag“ erwartet, der dann für Karstadt und Kaufhof gelten soll und an den Einzelhandelstarifvertrag angelehnt wird.

Mittlerweile wurde Kaufhof in allen Landesverbänden für die Mitgliedschaft in den OT-Verbänden (ohne Tarifbindung) angemeldet. In Baden-Württemberg kann der Austritt aus dem Flächentarif unverzüglich vollzogen werden. Das bedeutet: Spätestens mit Kündigung des Entgelttarifvertrags im Einzelhandel ist man an diesen nicht mehr gebunden – künftige Lohnzuwächse müssen nicht gezahlt werden. Doch wirken für die Beschäftigten die alten Tarifverträge, insbesondere zu zentralen Arbeitsbedingungen wie der Arbeitszeit, nach und werden weiter angewendet.

Tarifkommission stellt Gegenforderungen

Bei Verdi stößt das Management auf massiven Widerstand. Die Kaufhof-Tarifkommission, die Ende voriger Woche in Kassel getagt hat, habe sich Franke zufolge gefragt: „Warum sollten wir einen Sanierungstarifvertrag machen, der noch nicht einmal Beschäftigungssicherung realisiert.“ Das Gremium habe klar gemacht, dass es keine dauerhafte Absenkung der Einkommen akzeptiert. Vielmehr werde für etwaige Verhandlungen erwartet, „dass die Arbeitgeber endlich ein Sanierungskonzept vorlegen, das eine Vorwärtsstrategie beinhaltet und nicht nur Kostensenkung, damit wir wieder schwarze Zahlen und dauerhaft sichere Arbeitsplätze haben“. Das Karstadt-Konzept von Fanderl werde als nicht zukunftsträchtig betrachtet, weil es dort nicht wirklich zu einer Sanierung geführt habe. Franke geht sogar noch weiter: „Das Sanierungskonzept läuft im Prinzip auf Abwicklung hinaus, weil das Management den Profit aus der Immobilienvermarktung zieht – die haben keinen Plan, wie sie den Einzelhandel nach vorne bringen.“ Mit Galeria habe man eine „schöne Dachmarke“ entwickelt, aber es werde nichts getan, um das versprochene Einkaufserlebnis auf Dauer zu ermöglichen.

Zunächst will Verdi jedoch die Tarifflucht rückgängig machen. Noch für die Woche nach Ostern, also Ende April, wird die Arbeitgeberseite zu Verhandlungen über einen Anerkennungstarifvertrag aufgefordert. Geht das Management darauf nicht ein, wäre die Belegschaft womöglich von Mai an arbeitskampffähig. Weitere sichtbare Aktionen werden zur Begleitung der Tarifrunde im Handel vorbereitet.