Der Steinkauz zeigt sich selten. Foto: dapd

Wenn Eulen kaum heulen: Der Nabu hat zu einer vogelkundlichen Führung nach Feierabend geladen. Doch bei Regenwetter machen es sich Nachvögel lieber gemütlich.

Plieningen - Kluge Leute denken vor. Der Maschinenbauer Stefan Böttinger hatte morgens noch festes Schuhwerk im Kofferraum deponiert, bevor er in seiner üblichen Bürokleidung zur Arbeit fuhr. Nach Feierabend wechselte er einfach die Lederschuhe gegen Wanderstiefel. Noch kurz eine Regenjacke übergestülpt, und schon ist das Outfit perfekt für das „After Work Birding“, zu dem die Ortsgruppe Stuttgart des Naturschutzbunds (Nabu) nach Plieningen geladen hat.

Die englische Wortkombination klingt nach einer ungewöhnlichen Konstruktion. „After Work“ beschreibt im deutschen Sprachgebrauch eigentlich Tätigkeiten, die Berufstätige unmittelbar nach Feierabend ausüben. Meist geht es darum, etwas zu trinken, in dem ein Schirmchen schwimmt und dabei Musik zu hören. Das englische Wort „Bird“ wiederum heißt übersetzt „Vogel“. Beim „After-Work-Birding“ geht es aber nicht darum, in Gesellschaft – etwa von Papageien – den einen oder anderen Cocktail zu trinken.

Entspannend soll sie sein, die vogelkundliche Führung entlang der Körsch. Doch echte Entspannung gibt es eben nur nach ein bisschen Anstrengung, In diesem Sinne geht es um 17.30 Uhr los an der Stadtbahn-Haltestelle „Garbe“ in Richtung Naturschutzgebiet Weidach- und Zettachwald. Die Gruppe, die unter trübem Himmel am frühen Abend auf den zweiten Vorsitzenden des Stuttgarters Nabus, den Vogelkundler Ulrich Tammler, wartet, ist recht groß und bunt gemischt.

Alles habe schließlich mit allem zu tun

Viele der Teilnehmer sind Mitglieder der Naturschutzorganisation. Nicht wenige haben Biologie studiert oder einen Job, der im weiteren Sinne mit Natur und Umwelt zu tun hat. Andere wie der Maschinenbauer Stefan Böttinger kommen beruflich aus einer anderen Ecke. Böttinger findet zwar nicht, dass ein Ingenieur mit Interesse für die Vogelwelt ungewöhnlich ist. Alles habe schließlich mit allem zu tun, sagt er. Anders ausgedrückt, enthalten Klischees eben nicht immer einen wahren Kern.

Ulrich Tammler hat einen Kassettenrekorder bei sich. Auf ihm kann er Eulenlaute abspielen. Damit will er die scheuen Tiere anlocken. Allerdings bestehe kaum eine Hoffnung, die Tiere auch zu sehen, sagt er. Stattdessen würden sie sich durch ihre Laute bemerkbar machen, sagt Tammler. Ob dies überhaupt geschieht oder die Tiere doch lieber im Verborgenen bleiben, könne vorher niemand sagen, erklärt der Naturschützer. Er wirft einen prüfenden Blick in den grauen Himmel. Noch ist es trocken, doch es sieht nicht so aus, als würde es lange so bleiben. „Eulen mögen kein Regenwetter, genauso wie Menschen“, sagt Ulrich Tammler.

Regentropfen vereinigen sich zur kalten Dusche

Tatsächlich fängt es bald an zu nieseln, und die einzelnen Regentropfen vereinigen sich zur kalten Dusche. Es dämmert, während die Vogelkundler tiefer in das Naturschutzgebiet dringen. Je weniger das Licht, je stärker der Regen und je matschiger der Waldpfad wird, desto mehr erinnert die Führung an einen Ausflug im Schullandheim. Eine Nachtwanderung, und um die Ecke lauert gleich der als Gespenst verkleidete Deutschlehrer.

Tatsächlich ist es aber die Waldschnepfe, die den Vogelkundler Ulrich Tammler in Aufregung versetzt. „Das ist selten, dass jemand die zu Gesicht bekommt“, sagt er, während der kleine Vogel am dunklen Himmel davonflattert. Tammler stoppt während der Wanderung an bestimmten Stellen, an denen er Eulen vermutet. Dann drückt er auf den Startknopf, und das Gerät beginnt wie eine Eule zu rufen.

Die Eulen machen es sich bei Schmuddelwetter gemütlich

Gleich zu Beginn reagiert eine echte Eule. Doch dann scheinen die Tiere keine Lust mehr zu haben. Sie antworten auf der Wanderung nur selten. „Die machen es sich bei dem Regen lieber gemütlich“, sagt Tammler. Er hat dafür einiges über die Raubvögel zu erzählen. Etwa, dass sie sich an den konstanten Lärm des Flughafens gewöhnen können, während andere Lärmquellen stören. Auch den Rekorder verwende er nur dosiert, sagt er. Eulen sind offenbar nicht nur bei Regen am liebsten unter sich.