Florian Wagner ist der Beweis dafür, dass manche Frugalisten tatsächlich in kurzer Zeit viel Geld ansparen. Foto: Christel Harnisch/geldschnurrbart.de

Florian Wagner ist 32 Jahre alt – und hat seinen Ingenieursjob gekündigt. Stattdessen arbeitet er an seinem Ziel, mit 40 Jahren auf kein Gehalt mehr angewiesen zu sein. Im Interview verrät er, wie das gehen soll.

Stuttgart - Davon träumt so mancher: Florian Wagner hat als Ziel, im Alter von 40 Jahren nicht mehr auf ein Arbeitseinkommen angewiesen und finanziell unabhängig zu sein. Seine Festanstellung als Projektmanager bei einem Autozulieferer hat der 32-Jährige nach vier Jahren gekündigt, um sich Themen zu widmen, die ihm derzeit mehr Freude bereiten. Dafür hat der studierte Wirtschaftsingenieur kontinuierlich seine Ausgaben effizienter gestaltet und regelmäßig investiert. Der Stuttgarter spart monatlich über 60 Prozent seines Einkommens – nach eigenen Worten ohne Einschränkung oder Verzicht.

Rente mit 40 – wie geht das?

Leute mit diesem Lebensstil nennt man Frugalisten. Frugal bedeutet einfach, bescheiden, mäßig. Menschen, die sich selbst so bezeichnen, überlegen genau, was ihnen im Leben die meiste Freude bringt und richten ihre finanziellen Handlungen danach aus. Sie sparen so einen möglichst großen Teil ihres Einkommens, investieren das Geld in Aktien und Fonds und häufen so im Erfolgsfall ein Vermögen an, mit dem sie bis an ihr Lebensende auskommen könnten, ohne einer Arbeit nachzugehen.

In dem Blog geldschnurrbart.de und seinem Buch „Rente mit 40 – Finanzielle Freiheit und Glück durch Frugalismus“ beschreibt Wagner Praxisgeschichten von Menschen, die mehr finanzielle Unabhängigkeit auf ganz unterschiedliche Arten erreicht haben: Mit Kindern, als Angestellter, Unternehmerin. Doch eigentlich geht es beim Frugalismus in erster Linie gar nicht um Geld, wie Wagner im Interview verrät.

In ihrem Buch beschreiben Sie, wie es möglich sein kann, mit 40 Jahren in Rente zu gehen. Ist das nicht unglaublich viel Verzicht?

Das ist ein gängiges Vorurteil, das viele Menschen haben. Beim Frugalismus - wie ich ihn verstehe - geht es aber überhaupt nicht um Einschränkung oder Verzicht. Das Sparen ist nur ein Nebeneffekt. Frugalisten haben das Ziel, das bestmögliche Leben für sich zu gestalten. Ich möchte in erster Linie glücklich sein und viel Lebensfreude haben – das Geld mache ich mir dafür zunutze. Wer sein Leben ernsthaft hinterfragt, merkt schnell: Wir sind ganz oft blind in Gewohnheiten und Alltagstrott gefangen. Man kauft Dinge, um andere Menschen zu beeindrucken oder weil man es eben schon immer so gemacht hat. Die entscheidenden Fragen sind aber: Was macht uns glücklich, welche Ausgaben, welche Tätigkeiten und in welchem zeitlichen Umfang?

Was meinen Sie damit konkret?

Ich verzichte nie auf etwas, damit ich mehr Geld spare. Zum Beispiel überlege ich gerade, mein Auto abzuschaffen, weil ich in Stuttgart lebe und es eigentlich nicht brauche. Mein Anreiz ist dabei in erster Linie, mehr an die frische Luft und mehr in Bewegung zu kommen. Der positive Nebeneffekt ist, dass ich dabei Geld spare. Noch ein Beispiel: Ich hatte früher die Gewohnheit, nach stressigen Tagen viel Fast Food zu essen. Als ich mich dann auf einen Marathon vorbereiten wollte, habe ich gemerkt: Es wäre besser für mich, mehr gesundes Essen selbst zu kochen. Die Hauptmotivation für meine Entscheidungen ist nicht, dass ich mehr Taler auf dem Konto habe, sondern ein besseres und gesünderes Leben führe.

Sie schreiben, dass ihre Lebensqualität mit größerer Sparquote gestiegen ist. Wie geht das?

Das ist eine ganz einfache Rechnung. Wer zum Beispiel schlechte Laster wie Rauchen oder Trinken reduziert, lebt gesünder und länger. Das heißt, die Lebensqualität steigt und man hat gleichzeitig noch mehr Geld auf dem Konto. So ist das bei mir mit dem Kochen zuhause. Ich kann dabei den Stress vom Alltag verarbeiten, gesünder leben – und gleichzeitig monatlich ganz schön was zurücklegen.

Wo kann jeder im Alltag sparen?

Es geht sicher nicht darum, die Toilettenspülung möglichst kurz zu drücken oder nur eine Glühbirne in der Wohnung brennen zu lassen. Es sind Entscheidungen, die wir treffen: Natürlich kann ich eine Pauschalreise in einem Luxushotel für 5000 Euro machen, wenn mir das Freude bringt. Aber vielleicht gefällt es mir ja besser, einfach mit den Kumpels in den Bergen zu wandern. Dann kann ich das gesparte Geld in mein Hobby investieren oder in Teilzeit gehen und so mehr Zeit für meine Kinder haben. Vielen hilft es bereits ungemein, sich einmal einen genauen Überblick über ihre Ausgaben zu verschaffen.

Sie meinen, dass man die Kontrolle über sein Leben hat?

Ja, genau richtig! Viel Geld fließt einfach raus, ohne dass wir es merken. Ein Klischeebeispiel: Eine Frau gibt beim Shopping 500 Euro im Monat für Klamotten und Schuhe aus – ihr ist das aber vielleicht überhaupt nicht so richtig bewusst, kauft aber jedes Mal mit einem schlechten Gewissen ein. Wenn sie nun einen Überblick über ihre Finanzen gewinnt, könnte sie wieder bewusst entscheiden: 500 Euro für Schuhe bringen mir Lebensfreude, ich behalte die Ausgabe in dieser Höhe bei. Oder: Ich shoppe jetzt nur noch für 300 Euro und spare das Geld für Kinder oder Hobbys.

Die Frugalisten sind in der Regel gut ausgebildet, verdienen überdurchschnittlich und können einen großen Teil ihres Einkommens beiseitelegen. Funktioniert das auch bei Geringverdienern?

Natürlich ist es nicht realistisch, dass ein Geringverdiener mit einem Mindestlohn mit 40 in Rente gehen kann. Er müsste nur von Brot und Wasser leben. Doch einen Überblick über die Ausgaben zu haben, hilft jedem und auf allen Einkommensniveaus. Der Durchschnitts-Deutsche spart etwa zehn Prozent seines Einkommens im Monat. Wer einmal die eigenen Gewohnheiten bewusst hinterfragt und sein Geld effizienter für das einsetzt, was ihm wirklich Freude macht, kann ganz schnell auf eine Sparquote von 20 Prozent oder mehr kommen. Das heißt nicht, dass ein Geringverdiener mit 40 in den Ruhestand kann. Aber er hat weniger finanzielle Sorgen, hat einen Puffer auf dem Konto und muss keine Disposchulden aufnehmen, wenn die Waschmaschine kaputt geht. Das ist auch schon Gewinn an Lebensqualität und mehr finanzielle Unabhängigkeit.

Was ist eigentlich so toll an der Rente mit 40? Viele Menschen arbeiten doch gerne im Alter.

Absolut, die meisten finanziell unabhängigen Menschen arbeiten sogar noch mehr – aber es fühlt sich dann nicht mehr nach Arbeit an, weil sie selbst entscheiden, wie sie ihre Energie einsetzen. In meinem Buch schreibe ich über einen Zahnarzt, der seinen Beruf liebt. Und trotzdem hat er die finanzielle Unabhängigkeit als Ziel. Weil er sich so für manche Behandlungen mehr Zeit lassen kann und nicht mehr diesen wirtschaftlichen Druck spürt. Niemand muss im Alter die Beine hochlegen. Frugalisten haben oft nur eine zusätzliche Option. Ein geschickter Umgang mit Geld und der schrittweise Aufbau von Vermögen verschafft mehr Freiheit und erleichtert die Erhöhung der Lebensqualität.

Frugalisten streben nach finanzieller Unabhängigkeit. Dafür investieren sie den größten Teil ihres Einkommens in Aktien, Fonds oder Immobilien. Aber nicht jeder Mensch ist ein Anlageexperte und risikoaffin?

Man muss kein Mathematiker oder Börsenexperte sein, um die Grundlagen des Investierens zu verstehen. Wer all sein Geld auf dem Sparbuch hat, verliert durch die Inflation Jahr für Jahr an Kaufkraft. Die meisten Menschen vertrauen heute blind ihrem Bankberater ohne wirklich zu verstehen, was für sie am Sinnvollsten wäre. Heute kann man sich durch Blogs im Internet an einem verregneten Samstag die nötigen Grundlagen selbst beibringen. Ich beschäftige mich im Monat 20 Minuten mit meiner Anlage. Ich empfehle, Vermögen langfristig über 20, 30 Jahre aufzubauen und nicht wild zu spekulieren und darauf zu wetten, ob die Tesla-Aktie morgen steigt oder fällt.

Frugalismus klingt auch nach Gesellschafts- und Konsumkritik. Ist diese Lebensweise politisch?

Ich will kein Missionar sein! Jeder entscheidet sich für sich selbst, wie er glücklich lebt. Ich sehe allerdings, dass viele den Nachhaltigkeitsgedanken der Frugalisten-Bewegung spannend finden. Wer seine Ausgaben hinterfragt, lebt automatisch viel umweltbewusster, kauft mehr Dinge gebraucht, fährt häufiger Bahn oder mit dem Rad anstatt Auto, isst weniger Fleisch dafür aber von besserer Qualität und leistet sich eher die eine gute Bohrmaschine, die 30 Jahre hält anstatt das Schnäppchen, das schnell kaputt geht und auf dem Müll landet.

Zum Buch „Rente mit 40“

Florian Wagners Buch „Rente mit 40 – Finanzielle Freiheit und Glück durch Frugalismus“ erscheint im Ullstein-Verlag. Die Erlöse aus allen Vorbestellungen bis zum 13. September spendet der Inhaber des Blogs Geldschnurrbart.de an ein Schulprojekt in Argentinien, bei dem er 2010 mitarbeitete.