Kreide und Tablet – das soll für Lehrer im Unterricht zur Normalität werden. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Die große Koalition bringt ein 500-Millionen-Programm auf den Weg, und Unionspolitiker im Bundestag bauen Druck auf die Länder auf. Das trifft auch Baden-Württembergs Schulministerin Susanne Eisenmann.

Stuttgart - Die große Koalition in Berlin hat angekündigt, 500 Millionen Euro für die Ausstattung der deutschen Lehrer mit Dienstlaptops und den Aufbau einer bundesweiten Bildungsplattform zur Verfügung zu stellen. Über die Details will Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) jetzt zügig sowohl mit den Ländern als auch mit der EU-Kommission verhandeln. Das ist notwendig, weil das Geld für diese Offensive zur Anschaffung von mobilen Computern für rund 800 000 Lehrer in der Bundesrepublik mit Mitteln aus dem im Juni erst beschlossenen EU-Haushalt kommen soll. Dessen Finanzrahmen erstreckt sich auf die Jahre 2021 bis 2027. Das ist ein Teil der Erklärung dafür, warum Karliczek nicht damit rechnet, dass Tablets, Laptops und andere „mobile Endgeräte“ sehr rasch bei den Lehrern auf dem Schreibtisch stehen werden. Ob das im demnächst beginnenden, neuen Schuljahr 2020/21 klappt? Selbst wenn das Corona-Virus als Politbeschleuniger so weiterwirkt, wie in den vergangenen Monaten, ist das eher unwahrscheinlich. Denn auch die Verhandlungen mit den Ländern, die die Entscheidungshoheit über schulpolitische Fragen haben, über die Ausgestaltung des Programms brauchen Ihre Zeit.

Sie wolle die Corona-Pandemie nutzen, „um unser Bildungssystem auf ein mittelfristig höheres Niveau zu bringen“, kündigte Karliczek in Berlin an. In einem Interview mit unseren Berliner Kollegen, das an diesem Samstag erscheinen wird, verrät sie hoffentlich mehr über das Projekt.

Eisenmann dringt auf pragmatische Vorgaben

„Es ist positiv, dass der Bund zusätzliche Gelder für die Digitalisierung der Schulen bereitstellt“, erklärte Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) auf Anfrage unserer Zeitung Sie will bei den Gesprächen in der Kultusministerkonferenz darauf achten, „dass es pragmatische Vorgaben gibt, damit die Gelder rasch abgerufen und die Pläne von den Ländern und den Kommunen auch umgesetzt werden können“.

Ganz ungetrübt klingt die Freude über die neue Finanzspritze aus Berlin – es ist die dritte seit Ausbruch der Corona-Pandemie – bei der baden-württembergischen Schulministerin und CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im kommenden Jahr nicht, wie die Zwischentöne ihrer Äußerungen verraten. So betont Eisenmann, dass der Bund bereits beim Sofortausstattungsprogramm für die Anschaffung von Laptops und Tablets in der Corona-Pandemie Lehrkräfte hätte berücksichtigen können. „Wir hätten uns gewünscht, dass der Bund es bereits beim Sofortausstattungsprogramm möglich macht, insbesondere Lehrerinnen und Lehrer, die nicht über einen Laptop für den Fernunterricht verfügen, ein Leihgerät zur Verfügung zu stellen. Das ist leider nicht der Fall gewesen“, monierte sie. Auch aus diesem Grund habe die Landesregierung die Bundesmittel von 65 Millionen Euro aus dem damaligen 500-Millionen-Paket des Bundes für die Beschaffung von Leihlaptops für Schüler auf 130 Millionen Euro verdoppelt. Dadurch wurde laut Eisenmann ermöglicht, „auch Lehrerinnen und Lehrer einen Laptop ausleihen zu können“, die nicht über einen privaten mobilen Rechner verfügen.

Unionspolitiker im Bundestag machen Ländern Druck

Neben der sachlichen Kritik am Zeitablauf mag es Eisenmann, die seit einiger Zeit die Aufgabe der Koordinatorin der CDU-Länder in der Kultusministerkonferenz übernommen hat, zudem ärgern, dass sie bei dem Vorbereitungstreffen des Laptop-für-Lehrer-Programms der großen Koalition mit der Kanzlerin Mitte August, nicht mit am Tisch gesessen hat – anders als sieben andere Kultusminister der Länder. Schmerzlich dürfte auch sein, dass aus der Unionsfraktion im Bundestag mittlerweile unverhohlene Unzufriedenheit mit dem Tempo, das die Länder bei der Digitalisierung der Schulen anschlagen, zu hören ist. „Schulbildung ist Ländersache und ich erwarte, dass die Kultusminister ihre Verantwortung wahrnehmen“, erklärte der Digitalexperte Tankred Schipanski nach dem jüngsten Beschluss der großen Koalition. „Sie sind in der Pflicht, die beschlossenen Hilfen an die Schulen zügig weiterzuleiten.“ Hoch seien die Hürden dafür nicht, die Kultusminister müssten endlich auch digitale Lernmittel zulassen und die Weiterbildung für Lehrer im Online-Format als Standard etablieren. Auch Vize-Fraktionschefin Nadine Schön sparte nicht mit Kritik. „Ob Schulen bei der Digitalisierung vorne mit dabei sind, hängt allzu oft vom Engagement einzelner digital-affiner Lehrkräfte ab, die viel Zeit und Herzblut in die Entwicklung von Konzepten und sogar die Betreuung der IT-Infrastruktur vor Ort investieren. Das kann aber kein Dauerzustand sein“, wetterte sie. Die Digitalisierung müsse ins Zentrum der Bildungspolitik rücken. „Das ist natürlich ein politischer Kraftakt, der nur ebenenübergreifend gelingen kann“, betonte Schön. „Genau dafür brauchen wir eine Initiative des Bundes für einen digitalen Bildungsgipfel von Bund und Ländern.“ Auch Karliczek sprach im Blick auf den Aufbau einer bundesweiten Bildungsplattform von einem Kraftakt.