Das Ensemble Franziskanerkirche/Gemeindehaus am Blarerplatz könnte den Besitzer wechseln. Foto: Rudel

Die evangelische Kirche bietet der Stadt Esslingen das Gotteshaus und das Gemeindehaus am Blarerplatz zum Kauf an. Das kann als kleine Sensation gewertet werden.

Esslingen - In die Diskussion über den besten Standort für die Esslinger Stadtbücherei kommt noch einmal überraschend Bewegung. Am Dienstagabend haben der evangelische Dekan Bernd Weißenborn und der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger vereinbart, in Gesprächen auszuloten, ob die Stadt Esslingen die Franziskanerkirche und das direkt angeschlossene Gemeindehaus am Blarerplatz erwerben und als Standort für die Stadtbücherei nutzen kann. „Noch ist nichts entschieden“, betonen Weißenborn und Zieger. Weißenborn fügt hinzu: „Es stimmt aber, dass wir ergebnisoffene Gespräche vereinbart haben, um zu klären, ob die Stadt in den beiden historisch bedeutsamen Gebäuden die Stadtbücherei unterbringen kann.“

Erste Prüfungen stimmen optimistisch

Auch der Esslinger Baubürgermeister Wilfried Wallbrecht will zu diesem frühen Zeitpunkt noch keine Prognose darüber wagen, ob es eine realistische Chance für die Verlagerung der Bücherei in das Gotteshaus und das angrenzende Gemeindehaus gibt. „Die erste Prüfung hat aber ergeben, dass sich zumindest theoretisch das Raumprogramm für eine Bücherei in dem Komplex unterbringen ließe.“ Nach Angaben von Weißenborn hat allein das Gemeindehaus am Blarerplatz rund 2500 Quadratmeter Nutzfläche. Die angrenzende und im Bau integrierte Franziskanerkirche ließe sich für Lesungen und andere Veranstaltungen der Stadtbücherei nutzen.

Roland Karpentier, der Sprecher der Stadt, betont, dass man nun zeitnah und in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz prüfen wolle, ob sich auch nach der Prüfung aller Detailfragen und Umbauvarianten das Raumprogramm für eine zeitgemäße Bücherei im Gemeindehaus und in der Franziskanerkirche darstellen lasse. Erst danach werde man sich mit den Kosten beschäftigen können.

Förderverein fordert zeitnahe Umsetzung

Gudrun Fuchs, die Leiterin der Stadtbücherei, will sich nicht zu dem Vorschlag äußern: „Das müssen wir alles zunächst sorgsam prüfen.“ Deutlich weiter aus dem Fenster lehnt sich der Förderverein der Stadtbücherei: „Entscheidend für uns ist die zeitnahe Realisierung der geforderten Verbesserungen“, heißt es in einer Mitteilung. Eine neuerliche Standortdiskussion dürfe „auf keinen Fall dazu führen, dass die notwendigen Maßnahmen, die der zeitgemäßen Ausrichtung der Bücherei dienen, auf die lange Bank geschoben werden“.

Erklärtes Ziel des Kulturausschusses des Esslinger Gemeinderats ist es, eine Grundsatzentscheidung für den zukünftigen Büchereistandort noch vor der Sommerpause zu treffen. Die Stadtverwaltung werde sich bemühen, das zu ermöglichen, betont Karpentier. Allerdings wolle man das neue Angebot zunächst seriös prüfen. Ob alle Erkenntnisse vor der Sommerpause vorlägen, könne er noch nicht sagen.

Ein dritter Standort ist jetzt in der Diskussion

Mit der Franziskanerkirche kommt ein weiterer Standort in die Diskussion über die Sanierung oder die Verlagerung der viel zu kleinen und den heutigen Ansprüchen an einen modernen Medienstandort nicht mehr genügenden Esslinger Stadtbücherei. Neben der Sanierung der bestehenden Bücherei in der Heugasse samt der dort dringend benötigten Erweiterung in das benachbarte, ebenfalls denkmalgeschützte Gebäude hinein hat der Gemeinderat den Bau einer komplett neuen Bücherei an der Kiesstraße angedacht.

Dort wiederum, so ist zu hören, könnten verschiedene Faktoren den Bau verzögern. Zum einen soll es entlang der Kiesstraße beim Bau einer dann notwendigen Tiefgarage Probleme mit dem Grundwasser geben. Unklar ist auch, ob tatsächlich alle der betroffenen Eigentümer bereit wäre, sich von ihren Immobilien zu trennen. Zudem könnte die archäologische Erforschung der Esslinger Stadtmauer, die entlang der Kiesstraße gestanden hat, für eine Bauverzögerung sorgen.

Die Geschichte der Franziskanerkirche und des Gemeindehauses

Gotteshaus

Im Jahr 1237 ließen sich die ersten Franziskaner in Esslingen nieder. Im Jahr 1270 begannen sie mit dem Bau der Franziskanerkirche. Unter anderem hieß sie Hintere Kirche und Georgskirche. Der steil aufragende Chor wurde um das Jahr 1300 herum erbaut.

Glasmalereien

Die eindrucksvollen, bunten Glasmalereien des Chors entstanden um das Jahr 1320 herum. Sie zeigen einen Bibelzyklus und wurden entgegen der damaligen Bauvorschriften für eine Bettelordenskirche nur geduldet, weil in Esslingen häufig Versammlungen der Äbte stattfanden.

Reformation

Nach der Reformation fiel das Gebäude zunächst an die Stadt. Diese ließ 1668 einen Teil abreißen. 1840 wurde dann auch das Langhaus der dreischiffigen Basilika abgerissen. Heute steht nur noch der Chor.

Neuzeit

1908 wurde eine Orgelempore eingebaut und die Sakristei errichtet. Sie ist renoviert und kann für Sitzungen und Seminare genutzt werden.

Gemeindehaus

Das evangelische Gemeindehaus am Blarerplatz entstand an der Stelle, an der bis 1840 das Langhaus der Franziskanerkirche gestanden hatte. Entworfen vom Architekten und Esslinger Stadtbaumeister Rudolf Lempp wurde es 1930 eingeweiht. Das Gemeindehaus hat einen Festsaal mit Bühne. Im Erdgeschoss gibt es ein Foyer und etliche Nebenräume, die auch von der Musikschule genutzt werden. Das Gemeindehaus ist direkt mit dem Chor der Franziskanerkirche verbunden.