Das könnte ins Auge: Hinter dem Wechsel von Frisch-Auf-Keeper Primoz Prost zum Schweizer Erstligisten TSV St. Otmar St. Gallen steht plötzlich ein ganz dickes Fragezeichen. Seinem Teamkollegen Jens Schöngarth geht es nicht besser. Foto: Baumann

Primoz Prost und Jens Schöngarth werden den Handball-Bundesligisten Frisch Auf Göppingen am Saisonende verlassen. Was danach kommt ist plötzlich wieder offen. Der Schweizer Club TSV St. Otmar St. Gallen will die unterschriebenen Verträge nicht anerkennen. Drohen die Wechsel zu platzen?

Göppingen - Primoz Prost (35) steht seit 2013 im Tor von Frisch Auf Göppingen. Wie es im Profigeschäft passiert, kam es zu keiner Verlängerung des am 30. Juni diesen Jahres auslaufenden Vertrags. Der frühere slowenische Nationalkeeper fand einen neuen Verein und unterschrieb genauso wie der Noch-Göppinger Linkshänder Jens Schöngarth (30) im Februar einen Vertrag beim Schweizer Traditionsclub TSV St. Otmar St. Gallen. Die Medizinchecks sind längst absolviert. Prost und seine Frau haben in der Schweiz für ihre beiden kleinen Kinder einen Kindergartenplatz gefunden und für die größere Tochter die Schule ausgewählt, Schöngarth seine Immobilie in Göppingen bereits weitervermietet. Doch plötzlich drohen die Wechsel zu platzen. Der Schweizer Verein bezeichnet die Verträge als nicht rechtskräftig unterzeichnet. „Ich bin geschockt und weiß nicht wie es weitergeht“, sagt Prost.

Auch Robert Weber sollte kommen

Was ist passiert? Beim TSV St. Otmar St. Gallen hat der Präsident Hans Wey kalte Füße bekommen, weil er offenbar befürchtet, den Handball-Großangriff auf die Spitzenclubs Kadetten Schaffhausen, Pfadi Winterthur und Wacker Thun finanziell nicht stemmen zu können. Schon 2007 und 2009 entging der Verein zweimal knapp dem Konkurs. Neben Prost und Schöngarth soll auch der österreichische Bundesliga-Top-Torjäger Robert Weber (33/SC Magdeburg) in die Ostschweiz wechseln. Der Etat zwischen 1,5 und zwei Millionen Euro müsste geschätzt um eine Million Euro erhöht werden.

Trennung von Sportchef Beat Kaiser

Vor gut einer Woche kam es nun beim TSV St. Otmar St. Gallen zum großen Knall: Die Trennung von Sportchef Beat Kaiser wurde verkündet. „Aufgrund unterschiedlicher Auffassungen in Bezug auf die mittelfristige sportliche Ausrichtung des Vereins“, so die Mitteilung des mehrfachen Schweizer Meisters (letztmals 2001). Im Klartext: Es gab Streit um die Kaderzusammenstellung. „Wir können und wollen uns die drei Spieler aus finanziellen Gründen nicht leisten“, wird Wey in der „Neuen Zürcher Zeitung“ zitiert.

Präsident unterschreibt nicht

Das Problem: Die Verträge mit den hochkarätigen Neuzugängen aus der Bundesliga waren von Vereinsseite aus nur von Sportchef Kaiser unterschrieben. Auf dem entscheidenden Papier blieb der Platz für die erforderliche Unterschrift des Präsidenten leer. Darauf beruft sich nun der Verein – und behauptet, die Arbeitsverträge seien nicht rechtskräftig. „In unseren Statuten steht, dass ein Vertrag nur mit Kollektivunterschrift gültig ist. Unterschreibt ein Spieler bei uns, nimmt er von diesen Statuten Kenntnis, das steht im Vertrag“, sagt Wey. Markus Becker, den Berater von Schöngarth, wundert dies alles sehr: Der Vereinschef sei bei den Gesprächen mit den Spielern selbst dabei gewesen.

Berater Becker früher bei den Kickers

Seit der Verein am 10. Mai mitgeteilt hat, dass die Verträge nicht zustande kommen würden, hat Becker den Fall deutschen und Schweizer Anwälten übergeben. Die Handlungsempfehlung der Experten will Becker, Ex-Handballer der Stuttgarter Kickers, abwarten, ehe er sich öffentlich äußert.

Experte Breucker sieht Chancen für die Spieler

Der Stuttgarter Sportrechtsexperte Marius Breucker sieht in dem Fall durchaus Chancen für die Spieler, ihre Interessen durchzusetzen: „Ein Sportchef ist salopp formuliert nicht der Hausmeister. Wenn ein Sportchef mit Kenntnis des Vorstands nach außen auftritt, als sei er vom Vorstand bevollmächtigt, spricht man von einer sogenannten Duldungsvollmacht, und die Gegenseite kann sich im Rechtsverkehr darauf verlassen“, erklärt Breucker auf Nachfrage. Das heißt: Der Vertrag wäre dann trotz der fehlenden Unterschrift des Präsidenten rechtswirksam. Breucker: „Im Falle einer Duldungsvollmacht könnten die Spieler auf Erfüllung des Vertrages pochen und bei Nichterfüllung Schadensersatz verlangen.“

Schwierige Suche nach neuem Club

Die fachkundige Einschätzung wird Prost und Schöngarth sicher freuen, was aber nichts daran ändern dürfte, dass sie ihre Planungen über den Haufen werfen müssen und beginnen dürften, sich nach einem neuen Verein umzuschauen. Was in dieser Phase der Saison nicht einfach ist, da die Kaderplanungen zum Großteil abgeschlossen sind.

Donnerstag Spiel mit Frisch Auf

An diesem Donnerstag (19 Uhr/EWS-Arena) spielt das Duo erst einmal mit Frisch Auf in der Bundesliga gegen die HSG Wetzlar. „Die Spieler sind Profis genug und können ihre aktuellen Probleme ausblenden“, meint Göppingens Sportlicher Leiter Christian Schöne. Wenns’ so einfach wäre.