Am Pfingstsonntag will Papst Franziskus gemeinsam mit Schimon Peres und Mahmud Abbas im Vatikan für den Frieden beten. Foto: dpa

Am Pfingstsonntag treffen sich Franziskus, Israels Präsident Peres und Palästinenserpräsident Abbas zum gemeinsamen Gebet

Rom/Stuttgart - Er kam als frommer Pilger und meisterte den vielleicht schwierigsten Balanceakt der Weltpolitik bravourös. „Es wird eine strikt religiöse Reise“, hatte Papst Franziskus am 21. Mai im Vatikan betont. Doch auf seiner Reise nach Israel und in die Palästinensergebiete Ende Mai hat das Kirchenoberhaupt einmal mehr bewiesen, dass er der Mann für schier ausweglose Fälle ist und sich auf politischen Minenfeldern mit schlafwandlerischer Sicherheit bewegt.

Auf seiner Tour nach Amman, Bethlehem und Jerusalem zeigte sich Franziskus als politischer Papst. Seine Einladung für ein israelisch-palästinensisches Friedenstreffen kam am Ende seiner dreitägigen Reise überraschend, doch war sie wohlüberlegt. Sie passt zum Stil des 77-Jährigen Pontifex, der sich auf spontane Gesten, gewinnende Freundlichkeit und das richtige Wort versteht.

Gemeinsames Gebet im vatikanischen Wohnhaus des Papstes

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und Israels Staatspräsident Schimon Peres nahmen die Einladung zum gemeinsamen Gebet sofort an. Weil die Amtszeit des 90-jährigen Peres Mitte Juni endet, musste das Treffen so rasch terminiert werden. Am Pfingstsonntag soll es im Wohnsitz des Papstes, dem vatikanischen Gästehaus Santa Marta, stattfinden. Vatikansprecher Federico Lombardi betonte zwar, es gehe dem Papst darum , „gemeinsam mit den Gesprächspartnern vor Gott zu treten und Gott um Beistand zu bitten“. Das Treffen werde keine diplomatische Friedensverhandlung sein. Doch der vorgeschobene rein spirituelle Charakter der Zusammenkunft täuscht. Angesichts der völlig festgefahrenen Nahost-Diplomatie ist das Friedensgebet ein eminent politisches Signal, die Bemühungen um einen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern nicht aufzugeben.

Erst jüngst hatte US-Außenminister John Kerry das faktische Scheitern der Friedensprozesses erklärt. Franziskus wollte sich mit diesem Stillstand nicht abfinden und unterlief mit der Einladung an Peres sogar ein Verbot von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu für direkte Gespräche von Mitgliedern seines Kabinetts mit palästinensischen Repräsentanten – was den Staatspräsidenten wohl mit einschließen sollte.

Ein politisches Signal für eine Fortsetzung des Dialogs

„Das Friedenstreffen ist ein deutliches politisches Signal. Wo von politischer Seite scheinbar nichts mehr möglich ist, soll jetzt der Blick nach oben das Unmögliche möglich machen. Zu mindest steht diese Hoffnung im Raum“, sagt der katholische Theologe Jan-Heiner Tück, der an der Universität Wien Dogmatik lehrt. Wie Johannes Paul II., der im Jahr 2000 Israel und Jordanien besuchte, sei Franziskus ein „Meister der symbolischen Gesten“. Benedikt als scheuer Gelehrter sei dagegen zurückhaltender und weniger wirkungsvoll gewesen. „Franziskus hat durch seine Gesten einen Neubeginn initiiert. Was dabei herauskommt, ist noch unklar. Aber das Friedensgebet im Vatikan ist zumindest ein deutliches politisches Signal.“

Niemand wird von diesem kurzen Treffen eine neue Nahost-Friedensinitiative erwarten, doch allein die Tatsache, dass sich die beiden höchsten Repräsentanten auf neutralem Boden treffen, zeigt das Bemühen, sich nicht dem Scheitern der politischen Gespräche abzufinden. Tück: „Damit wird in den Friedensprozess noch einmal eine ganz andere Dimension eingespielt, die nicht in kleiner Münze politisch umrechenbar ist.“

Interreligiöses Gebet für Frieden und Versöhnung

Gebetet wird interreligiös – für Frieden und Versöhnung in Nahost. Vorbild dürften die vier Gebetstreffen von 1986, 1993, 2002 und 2011 im italienischen Assisi sein, zu denen Johannes Paul II. und Benedikt XVI. hohe geistliche verschiedener Religionen eingeladen hatten. Der Muslim Abbas, der Christ Franziskus und der Jude Peres würden wahrscheinlich nicht gemeinsam, sondern jeder nach seiner eigenen Tradition beten, während die anderen dabeistünden, meint Tück. Ein multireligiöses Gebet, bei dem alle drei zusammenbeten, sei aufgrund des verschiedenen Gottesverständnisses sehr unwahrscheinlich.

Theologisch steht Tück zufolge der Synkretismus-Verdacht im Raum – also die Vermischung religiöser Ideen zu einem neuen Glaubens- und Weltbild. Alle Seiten sind sich der Unterschiede zwischen den Religionen wohl bewusst. Doch am Pfingstsonntag geht es auch nicht um eine interreligiöse Revolution, sondern um ein politisches Signal.

Natürlich wird Franziskus den festgefahrenen Friedensprozess nicht zu neuem Leben erwecken können. Das war weder das Ziel seiner Nahost-Reise noch dieses Gebetstreffens. Er kann weder mit politischen Druckmitteln noch mit wirtschaftlichen Anreizen aufwarten. Wohl aber kann er seinen guten Willen demonstrieren und beiden Konfliktparteien seine klare politische Botschaft mitteilen wie er es mit seinem Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und mit seinem stillen Gebet an Trennmauer in Bethlehem getan hat, die die Palästinensergebiete von Israel trennt.

Der Papst will Palästinensern und Israelis gleichermaßen gerecht werden

Auch wenn Franziskus bemüht ist, beiden Seiten in dem Konflikt gerecht zu werden, so lässt er doch keinen Zweifel daran, dass er für die Zwei-Staaten-Lösung und den besonderen Status Jerusalems als Stadt dreier Weltreligionen eintritt. Dabei tariert er geschickt seine Gesten aus, ohne eine Seite zu bevorzugen. Nachdem er an der Sperrmauer, die Israel von den Palästinensergebiet trennt, gebetet hatte, besuchte er überraschend das Denkmal für die palästinensischer Terroristen und legte als erster Papst am Grab von Theodor Herzl, dem Begründer des modernen Zionismus, einen Kranz nieder.

Feines Gespür für Gesten und Symbolik

Franziskus bleibt seiner Linie treu: Mit untrüglichem Gespür für Symbolik und ohne falsche Rücksichtnahme auf diplomatische Etikette ergreift er Partei für die Benachteiligten und Notleidenden. So besuchte er im Juli 2013 die italienische Insel Lampedusa, als Europas Politiker das Flüchtlingsgelend verdrängen wollten.

Ebenfalls im vergangenen Sommer rief er angesichts einer drohenden Bombardierung Syriens durch die Nato zum Friedensgebet für die Opfer des Bürgerkrieges auf. „Die Pilgerreise nach Jerusalem war wie die reise nach Lampedusa ein extrem politisch aufgeladener Akt“, betont Türk. „Obwohl sie nach dem Verständnis Franziskus’ zutiefst theologisch motiviert sind – nämlich an die Peripherien zu gehen und den geringsten und Ausgeschlossenen zu begegnen, sie aufzurichten und Signale der Hoffnung zu senden.“ Es gebe kein Inflation an Gesten, aber diejenigen, die gesetzt würden, seien genau bedacht und hätten bislang immer entsprechende Debatten ausgelöst.

Seine Einladung zum gemeinsamen Friedenstreffen zeigt, dass Franziskus bemüht ist, beiden Seiten gerecht zu werden und sich von keiner Partei vereinnahmen zu lassen. Den Palästinensern gesteht er das Recht auf einen eigenen Staat genauso zu wie er das Existenzrecht Israels in Frieden und Sicherheit anerkennt. Gerade weil er die jeweiligen Bedürfnisse und Interessen als legitim anerkennt, kann er Brücken bauen, wo die Diplomatie versagt.