Klimaschutz wird bei Marianne, Miriam und Martina Siebeck (v. li.) intensiv diskutiert. Foto: Gann

Kinder und Jugendliche der Fridays for Future-Bewegung erhalten für ihr Engagement und fürs Schuleschwänzen viel Gegenwind – aus der Öffentlichkeit und manchmal von der eigenen Familie. Nicht so bei den Siebecks.

Stuttgart - Die Urlaubsplanung beschäftigt die Siebecks gerade. Die Transportmittel sind klar: Es geht mit dem Zug nach Venedig, dann mit der Fähre nach Patras auf der südgriechischen Halbinsel Peloponnes. Aber eine Sache gibt es, die alles kompliziert macht. Tochter Miriam ist noch auf einem Feriencamp und muss nachreisen. Alleine im Zug über den Balkan fahren, mit 14 Jahren, da hat die Mutter kein gutes Gefühl. Aber fliegen kommt für Miriam nicht infrage, „also wirklich nicht“, sagt die Schülerin. Das Flugzeug ist ihr zu schädlich für das Klima.

Kleine Konflikte trotz gemeinsamem Ziel

Familie Siebeck ist mitten in der Fridays-for-Future-Bewegung. Miriam und ihre 19-jährige Schwester Marianne sind im Organisationsteam und haben seit Januar kaum eine Demo ausgelassen. Mutter Martina war schon zweimal dabei. Der Bruder ist bei Greenpeace, das Auto ist verkauft, der Kühlschrank voller Biolebensmittel, und auch der Vater und die älteste Tochter spielen mit beim klimafreundlichen Haushalt – das alles schon vor Fridays for Future. Die kleinen Konflikte, die es gibt, drehen sich vor allem um die Schule, um verpassten Stoff, wenn man freitags demonstriert, statt Englisch und Russisch zu lernen. Das klingt dann so:

Miriam: „Die Frage ist, sind vier Schulstunden wichtiger, oder meine Zukunft?“

Mutter Martina: „Von meiner Seite ist klar, dass sie nachholt, was sie verpasst.“

Miriam: „Wenn ich was verpassen würde.“

Auch Tochter Marianne, die sich nach ihrem Abitur gerne in Vollzeit für den Klimaschutz einsetzen würde, legt die Mutter nahe, trotzdem zu studieren. Ein Studium lasse ja noch Freiheit. Martina will ihre Töchter trotzdem ihre Eigeninitiative ausleben lassen.

Der Klimaprotest ist auch ein Generationenkonflikt

Wer mit Miriam und Marianne über ihre Motivation für die Proteste spricht, kommt schnell zu dem Punkt, an dem es heißt: „Ich will nicht streiken. Ich will, dass es nicht nötig ist“, sagt Miriam. Sie dreht damit die Kritik, die der Bewegung fürs Schulschwänzen entgegenschlug, um und hält den Älteren ihre Untätigkeit und Scheinheiligkeit vor. „Ich schmeiße quasi gerade meine Bildung hin. Für eine Zukunft, die von der Generation über mir versaut wurde, die jetzt aber nichts tut, sondern sagt, ‚Ne, sorry, wir müssen arbeiten.‘“ Das ist ein Generationenkonflikt. Einer, in dem auch Martina steckt.

„Meine Mutter gehört zu der Generation, die nichts gemacht hat“, sagt Miriam. Ein Satz, der für diesen Generationenkonflikt steht. Einer, in dem die Jüngeren den Älteren vorwerfen, die Welt in einem Zustand zu hinterlassen, der kaum mehr reparierbar ist. Marianne etwa sieht sich dadurch in ihrer Lebensplanung behindert: „Ich habe Ideen, was ich mit meinem Leben machen möchte. Ich würde gerne Geige spielen, aber es geht nicht.“ Der Konflikt zeigt sich auch dann, wenn Mutter Martina erzählt, dass sie früher die Documenta angeflogen sei, weil es wegen beruflicher Termine fast nicht möglich gewesen wäre, mit dem Zug zu fahren. „Fast nicht möglich, Mama, ne?“, sorgt Miriam für eine Art nachträgliche Flugscham – ein Begriff, der in Schweden für das schlechte Gewissen für CO2-intensive Flüge erfunden wurde. „Wir konfrontieren unsere Mutter manchmal ganz schön happig“, sagt Marianne. Trotzdem: Das Gemeinsame steht letztlich über dem Trennenden.

„Wir alle sind Teil eines verantwortungslosen Systems“

„Wir können glücklich sein, so eine Mutter zu haben“, sagt Marianne. „Wir haben volle Unterstützung von daheim“, ergänzt Miriam. „Es ist nicht selbstverständlich, immer eine Entschuldigung zu bekommen“, erläutert sie, dass ihre Freitage auf den Demos doch immer von ihrer Mutter abgesegnet werden. Andere Kinder würden mit ihren Familien kämpfen, erzählt Miriam. Die echten Schuldigen an der Klimamisere, das sind andere, da ist man sich einig im Gablenberger Haus der Siebecks. Die Schuldigen, das sind zum einen Politiker, zum anderen eigentlich alle. Manches mache sie einfach nur wütend, sagt Marianne. Etwa eine Erhebung des Umweltbundesamtes, die sie sich angeschaut hat: 57 Milliarden Euro an umweltschädlichen Subventionen wurden demnach 2012 verteilt. „Und dann erzählen die mir, sie hätten nicht genug Geld, um die Kohle früher als 2038 zu stoppen“, sagt Marianne.

Die, das ist Merkels Bundesregierung. „Das ist einfach nur noch gestört und verrückt, es ist nichts mehr mit Verstand und Argumenten.“ Marianne wird immer schneller, immer lauter. Mutter Martina pflichtet bei: „Im Grunde müsste man die Politiker sofort anzeigen.“ Eine Grundlage dafür sehen sie sogar, in Artikel 20 a des Grundgesetzes, der aussagt, der Staat schütze für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen. Marianne mag aber nicht nur auf die Politiker zeigen: „Wir haben ein verantwortungsloses System, und jeder von uns ist ein Teil davon.“