Anna Azargaeva, 23 Jahre alt, stammt aus Sibirien und ist Lehrerin. Deutsch und Englisch hat sie studiert und ist jetzt doch bei etwas ganz anderem gelandet: in einem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ). Foto: Leif Piechowski

45 Frauen und Männer aus dem Ausland beenden ihr FSJ – Behindertenarbeit als schöne Herausforderung .

Stuttgart - Sie trägt ein kurzes blaues Kleid, dazu eine helle Strickjacke und Sandalen. Ihre langen dunkelbraunen Haare hat sie zu einem Zopf zusammengebunden. „Ich bin Anna“, stellt sie sich lächelnd vor. Anna Azargaeva, 23 Jahre alt, stammt aus Sibirien und ist Lehrerin. Deutsch und Englisch hat sie studiert und ist jetzt doch bei etwas ganz anderem gelandet: in einem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ).

Anna Azargaeva mag es, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, ihnen etwas beizubringen. Seit etwa zwei Jahren lebt die junge Russin schon in Stuttgart. „Ich bin eigentlich hierhergekommen, um meine Deutschkenntnisse zu verbessern. Weil ich gleichzeitig gerne mit Kindern zusammen sein wollte, habe ich zuerst ein Jahr lang als Au-pair in Leonberg gearbeitet“, sagt die 23-Jährige. Doch gemäß den Richtlinien für Au-pairs darf dieses eine Jahr nicht verlängert werden, und so suchte die Russin eine andere Möglichkeit, in Deutschland zu bleiben – und fand sie mit einem FSJ.

Seit September hilft Anna Azargaeva in der Stuttgarter Nikolauspflege, einem Zentrum für blinde, sehbehinderte und mehrfach behinderte Menschen. Anna Azargaeva betreut Kinder und Jugendliche. „Ich habe hier zum ersten Mal mit behinderten Menschen zusammengearbeitet“, erzählt sie und gesteht: „Mir fiel es anfangs nicht leicht, die Kinder zu sehen, die teilweise sehr krank sind, nicht alleine essen und laufen können. Das tut weh.“ In Russland, bedauert die junge Frau, käme man mit behinderten Menschen leider nur ganz selten in Kontakt, weil sie überwiegend zu Hause und nicht in größeren Einrichtungen betreut würden.

Organisiert wird Programm für ausländische Freiwillige von württembergischer Diakonie

Ihre Arbeit in der Nikolaus-pflege sieht Anna daher als besonders schöne Herausforderung an: „Man kann den Menschen in der Behindertenpflege so viel geben. Wenn man sie beispielsweise massiert und sie einen dafür anlächeln, dann ist das einfach eine schöne Reaktion.“

Anna ist eine von 45 jungen Frauen und Männern aus 14 Ländern, die seit September ihr Freiwilliges Soziales Jahr in Einrichtungen hauptsächlich im Großraum Stuttgart gemacht haben. Organisiert wird das Programm für ausländische Freiwillige von der württembergischen Diakonie und soll künftig noch weiter ausgebaut werden. „Wir sind sehr zufrieden mit unseren Freiwilligen aus dem Ausland. Sie bringen sich aktiv ein und sind sehr motiviert“, so Martina Haas-Pfander, die das Programm organisiert.

Jetzt feierten die jungen Freiwilligen, die unter anderem aus Weißrussland, Madagaskar, Kenia, Kasachstan, Kirgisistan, dem Kosovo, Marokko, Turkmenistan und Peru stammen, den Abschluss ihres Freiwilligendienstes. Einige gehen in ihr Heimatland zurück, andere möchten in Deutschland studieren. Es gibt aber auch Freiwillige, die ihren Einsatz verlängert haben. So wie Anna. Weil ihr die Arbeit in ihrer Einrichtung bisher so viel Spaß gemacht hat, möchte sie noch ein paar Monate in der Nikolauspflege bleiben.

Neben Musik-, Koch- und Backunterricht spielt die Schulung der Körperwahrnehmung eine besondere Rolle

Den größten Teil des Tages verbringt Anna also weiterhin mit 13- bis 16-Jährigen, die dort zur Schule gehen. Neben Musik-, Koch- und Backunterricht spielt die Schulung der Körperwahrnehmung eine besondere Rolle. „Letzte Woche hatten wir beispielsweise einen Hund zu Besuch. Für unsere überwiegend blinden Kinder war es etwas ganz Besonderes, sein Fell anzufassen und ihn zu streicheln.“ Neben einem guten Fingerspitzengefühl ist bei der Arbeit mit behinderten Menschen laut Anna vor allem wichtig, dass man sehr aufmerksam mit ihnen umgeht, ihnen aber trotzdem Selbstständigkeit einräumt. Anstatt alles für sie zu machen, sei es besser, sie bei dem zu unterstützen, was sie alleine können.

Auch wenn Anna nach ihrem FSJ zurück zu ihrer Familie nach Russland gehen wird, ein paar Jahre würde sie gern noch in Deutschland verbringen und vielleicht Germanistik studieren.