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Kunstmuseum Stuttgart zeigt von Samstag an die Sammlung in Sonderschau-Manier im Kubus.

Stuttgart - Zuletzt waren die Türen des Kunstmuseums Stuttgart für vier Wochen geschlossen. Und jetzt das - die Lieblinge sind verschwunden. Oder doch nicht? Keine Sorge: Baumeister, Dix & Co. sind "aufgestiegen" und bis Oktober 2012 in den drei Stockwerken des gläsernen Kubus zu sehen.

Hat man sich nicht gerade erst daran gewöhnt? Zu Adolf Hölzels Glasfenstern aus dem Alten Stuttgarter Rathaus geht es im 2005 eröffneten Kunstmuseum Stuttgart am Schlossplatz geradeaus durch den gerne als "Spange" bezeichneten ersten großen Querraum und nach weiteren zehn Metern rechts und wieder rechts. Und nun? Sind die Türen in die Sammlung verschlossen. Undurchschaubar. Hinter den Türen wird fieberhaft gearbeitet. Erstmals umfassend soll das Werk des 2002 bei einem Flugzeugabsturz jung gestorbenen Luxemburger Malers Michel Majerus vorgestellt werden. Am kommenden Freitag, 25. November, ist Eröffnung - und das Berliner Fachmagazin "Monopol" lässt das Stuttgarter Majerus-Panorama schon jetzt auf 14 Seiten glänzen.

Ein Museum aber definiert sich aus und über seine Sammlung. Und so macht Kunstmuseumsdirektorin Ulrike Groos aus der Not ("wir brauchen Platz für die Großformate von Majerus") eine Tugend. "180·: Die Sammlung im Kubus" heißt eine Schau, die bis zum 14. Oktober 2012 in den drei Stockwerken des Kubus neue Blicke auf die hauseigenen Schätze ermöglicht.

Viele Werke schlummerten bisher im Depot

Die Hauskuratoren Simone Schimpf und Daniel Spanke haben sich für eine Ordnung nach Themen entschieden - und präsentieren zudem auf allen drei Kubus-Ebenen tatsächlich Entdeckungen - Arbeiten, die bisher tief in den Depots schlummerten. Ein Schachzug, der schon zum Auftakt im ersten Obergeschoss überzeugt. "Mein Stuttgart, wieder da" ist das erste Raum- und Kunst-Kapitel von "180·" überschrieben - und wir sehen zunächst zwei szenische Momentaufnahmen von Amandus Faure. Im Dunkeln noch sieht er in "Ausmarsch in Stuttgart 1914" eine Soldatenkolonne. Kein Hurra, nirgends. Eine eigene, keinesfalls aber feierliche Stille dominiert das Bild. Ebenso knapp dokumentarisch stellt Faure 1910 einen Zirkusartisten vor. Vorbei an einem der Eisenbahn-Bilder Hermann Pleuers und zwei Stuttgart-Blicke aus dem großen Reinhold-Nägele-Panorama geht es, vorbei auch immer wieder an Baustellen- und Abbruchszenen in der Stuttgarter Innenstadt. Hart waren die Schnitte in den 1920er Jahren.

Ein Wiedersehen gibt es mit Günter Förgs Fotosentenz über die Weißenhof-Bauten - und dann warten Schimpf und Spanke mit einem Coup auf. Im sich über zwei Stockwerke erstreckenden Zentralraum des Kubus ist ein pyramidenartiger Bau errichtet - Wolfgang Laibs Bienenwachs-"Zikkurat". Der Biberacher Materialpoet Laib, seit den 1980er Jahren Gast nahezu jeder Themenschau internationaler Gegenwartskunst, verblüfft auch hier gleichermaßen mit formaler Konsequenz und erlebbarer sinnlicher Dichte.

Dix zum Finale im dritten Obergeschoss

"Kein Ort. Nirgends" ist im Folgenden das Abstrakte im Stuttgart-Part überschrieben. Willi Baumeister gilt zu Recht ein eigener Raum. Kein Stankowski. Nirgends, ließe sich anfügen - versehen mit einem deutlichen "leider". Dabei ist doch das Konkret-Konstruktive mit dem Motor Stankowski von den 1950er Jahren an von eigener Kraft in einer Stadt, in der das Konkrete von Adolf Hölzel vorausgedacht wird und mit dem Bense-Kreis vom Bildnerischen aus in die Poesie vordringt. Auch hier aber eine Entdeckung - Adolf Fleischmanns "Komposition 145" von 1959.

Unter der Überschrift "Die Worte und die Dinge" weitet sich das Feld im zweiten Obergeschoss. Furios der Auftakt mit einem Großformat Dieter Kriegs von 2003, in der Raumtiefe lockt Walter Stöhrers "Nadia XI" von 1996, und bevor man sich der Malerei gänzlich ergibt, überraschen Schimpf und Spanke mit drei Wort-/Bild-Zeichnungen Adolf Hölzels. Vorbei an Stillleben - zeitlich rückwärts von einem Thomas-Locher-Doppel bis hin zu einer Arbeit von Robert Breyer von 1906 geht es in eine kleine Dieter-Roth-Hommage. Davor aber wartet Pia Maria Martins Animationsarbeit "Marche au Supplice" von 2004. Längst hat das Wiederzusammennähen eines Suppenhuhns Kultstatus erlangt - und behauptet sich auch hier.

Dix zum Finale im dritten Obergeschoss - alle sind sie da, "Anita Berber", das Triptychon "Großstadt", auch die jüngst für Stuttgart gesicherten "Spielenden Kinder". Vor allem aber die Kartons zu Hauptwerken - sie erst bieten die Möglichkeit, Dix' Bildaufbau zu durchschauen. Pietro Sanguinetis Leuchtschriftarbeit "Paradise" ist zum Schlossplatz hin hoch über den Dix-Abgründen platziert - und antwortet dem Figurenkampf, den Lambert Maria Wintersberger (einen Stock tiefer auch mit dem bestechenden Bild "Maniküre II" vertreten) in seinem Triptychon von 1981 inszeniert.

Freier Eintritt an diesem Samstag und Sonntag. www.kunstmuseum-stuttgart.de