Die Empfehlung der Grundschullehrer ist nicht mehr verbindlich. Foto: dpa

An den Haupt- und Werkrealschulen im Südwesten hat sich die Schülerzahl binnen zwei Jahren halbiert.

An den Haupt- und Werkrealschulen im Südwesten hat sich die Schülerzahl binnen zwei Jahren halbiert.

Stuttgart - Die Eltern im Land streben höhere Schulabschlüsse für ihre Kinder an. 2013 wurden 44,6 Prozent der Viertklässler an einem Gymnasium angemeldet, das ist der bisher höchste Anteil. An Realschulen wechselten 36,2 Prozent, 0,9 Prozentpunkte weniger als ein Jahr zuvor. Den größten Rückgang erlebten die Haupt-/Werkrealschulen mit 11,9 Prozent. Dort werden nicht einmal mehr halb so viele Fünftklässler unterrichtet wie vor zwei Jahren. Viele Schulen werden deshalb in absehbarer Zeit schließen müssen. „Wir gewährleisten mit der regionalen Schulentwicklung zusammen mit den Schulträgern vor Ort, dass die Schüler alle Schulabschlüsse in zumutbarer Entfernung erreichen können“, sagte Kultusminister Andreas Stoch (SPD) in Stuttgart.

Hauptgrund für die auffälligen Veränderungen ist die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung 2012. Bis dahin brauchten Kinder fürs Gymnasium einen Notenschnitt von 2,5 oder besser in Deutsch und Mathematik, für die Realschule 3,0 oder besser. Zwar raten Lehrern den Eltern weiter zu einer bestimmten Schulart, das letzte Wort bei der Wahl der weiterführenden Schule haben jetzt aber die Eltern.

„Der Trend weg von der Hauptschule/Werkrealschule ist durch den Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung beschleunigt worden, begonnen hat er aber viel früher“, sagte Stoch. Die Eltern stimmten „mit den Füßen ab in Richtung eines zweigliedrigen Schulsystems“.

Aufgrund dieser Entwicklung werden die Leistungsunterschiede innerhalb der einzelnen Schularten größer. Am stärksten gilt das für die Realschule. Nur 57 Prozent ihrer Fünftklässler haben eine Realschulempfehlung. 24,3 Prozent kamen mit einer Empfehlung für die Haupt-/Werkrealschule, 18,4 Prozent mit einer Empfehlung fürs Gymnasium. „Die Realschule ist von ihrer Schülerschaft her eigentlich das, was die Gemeinschaftsschule per definitionem ist: eine Schule, in der Kinder unterschiedlicher Leistungsstärke gemeinsam unterrichtet werden“, so Stoch. Deren pädagogische Konzepte zur individuellen Förderung müssten auch an den Realschulen und Gymnasien verstärkt eingesetzt werden. Dafür erhielten die Schulen Extrastunden.

An eine der 128 neuen Gemeinschaftsschulen wechselten 5,7 Prozent der Viertklässler. Dass nur zehn Prozent von ihnen eine Empfehlung fürs Gymnasium haben, hält Stoch für unbefriedigend. Viele Eltern wüssten noch nicht, dass auch dort nach gymnasialen Standards unterrichtet werde.

Bei den Übergangsquoten gibt es große regionale Unterschiede. Im Stadtkreis Heidelberg wechselten 65 Prozent der Viertklässler zum Gymnasium, nur noch zwei Prozent besuchen eine Haupt-/Werkrealschule. Den niedrigsten Anteil an Gymnasiasten hat der Landkreis Waldshut mit 30 Prozent, den höchsten Anteil an Haupt-/Werkrealschülern Pforzheim mit 22 Prozent.

Die Gesamtzahl der Schüler ist um fast zwei Prozent gesunken. Rund 1,038 Millionen Schüler besuchen eine allgemeinbildende Schule, 19 200 weniger als vor einem Jahr. An den beruflichen Schulen stieg die Zahl um 1700 Schüler (0,5 Prozent) auf rund 359.000. Insgesamt liegt die Zahl der Schüler um 27 000 höher als vom Statistischen Landesamt vorausberechnet. Die Differenz sei unter anderem auf zusätzliche Klassen an beruflichen Gymnasien und den Wegfall von Notenhürden zurückzuführen, sagte dessen Präsidentin Carmina Brenner.