Bisher verloren sich 100 Besucher im weitläufigen Sindelfinger Bad – weit weniger als erlaubt. Foto: factum/Simon Granville

Die Corona-Beschränkungen für Freibäder reißen Löcher in die Stadtkassen. Wie tief sie sein werden, ist kaum abschätzbar. In Sindelfingen wird die Zahl der Badegäste auf das bis zu Zehnfache erhöht. Bademeister müssen mit uneinsichtigen Gästen streiten.

Böblingen - Der Sommer 2020 wird teuer, soviel steht fest. Mit rund zwei Millionen Euro bezuschusst die Stadt Böblingen ihren Freibadbetrieb in jedem normalen Jahr. Wie viel höher das Minus im Corona-Sommer ausfallen wird, kann niemand sagen, weder in Böblingen, noch an irgendeinem anderen Ort. „Es weiß ja keiner, wie es weiterläuft“, sagt die Sindelfinger Pressesprecherin Nadine Izquierdo, „womöglich müssen wir nächste Woche schon wieder schließen“. Die Stadtwerke Herrenberg haben ihren zusätzlichen Verlust aus dem Betrieb des Naturfreibads zumindest geschätzt. Demnach müsste zum Ende des Sommers das übliche Defizit von 830 000 Euro auf etwa 1,2 Millionen steigen. Die Böblinger sprechen von einem sechsstelligen Einnahmeminus.

Letztere haben bei einem Vor-Ort-Termin eine neuartige Bilanz gezogen: Die aus etwas mehr als drei Wochen Badebetrieb unter den Corona-Bedingungen, die das Land Baden-Württemberg gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen erlassen hat. Der Stadtwerke-Geschäftsführer Gerd Hertle fasst sie als „sehr aufwendige Hygiene-Anforderungen“ zusammen. Vor allem darf nur in Schichten gebadet werden, und Karten müssen vorab reserviert werden.

An heißen Sommertagen kommen sonst zehnmal so viele Besucher

Mehr als 600 Besucher dürfen nicht gleichzeitig aufs Gelände. Der Vergleich mit heißen Sommertagen der Vergangenheit gibt zumindest einen Eindruck vom zu erwartenden Einnahmeverlust. An ihnen waren es bis zu zehnmal so viele. Allein schon, weil die Saison verkürzt ist, müssen die Stadtkämmerer hohe Rote Zahlen schreiben. Selbst wenn der Betrieb von heute an vollständig freigegeben würde, könnte die Besucherzahl in Herrenberg bis zum Saisonschluss höchstens noch auf 45 000 steigen. Üblicherweise sind es doppelt so viele Badegäste.

Die Herrenberger unterteilen ihren Badetag in vier Abschnitte, die Sindelfinger den ihren in drei. In Böblingen gelten zwei Schichten, grob der Vormittag und der Nachmittag. Demnächst soll auf drei Schichten erhöht werden. Vor jedem Besucherwechsel muss das Bad gereinigt werden, was Schließzeiten zwischen einer halben und einer Stunde erfordert.

Sindelfingen verzehnfacht die zulässige Zahl der Badegäste

Üblicherweise errechnet sich die Höchstzahl der Besucher aus der Fläche der Liegewiesen und der Wasserfläche. Bisher galten aber ausgerechnet im weitläufigen Sindelfinger Freibad die strengsten Zutrittsregeln. Höchstens 100 Badegäste durften gleichzeitig aufs Gelände. Diese Zahl wird von diesem Freitag an kräftig steigen – auf das bis zu Zehnfache. Am Morgen werden bis zu 600 Schwimmer eingelassen, am Mittag und Nachmittag sogar bis zu 1000. „Wir gehen davon aus, dass die Frühschwimmer auch wirklich schwimmen wollen“, sagt Izquierdo, „später will dann mancher einfach nur in der Sonne brutzeln“. Die anfängliche Vorsicht begründet die Pressesprecherin damit, dass der erste Gedanke nicht dem Freizeitvergnügen galt, sondern dem gesundheitsfördernden Schwimmsport. In den beiden anderen Bädern sind derzeit keine Lockerungen geplant.

Die Vorschriften und Verbote unterscheiden sich von Stadt zu Stadt. Mancherorts ist der Sprungturm geöffnet, andernorts geschlossen. Gleiches gilt für Kioske oder Duschen in Räumen. Wo letztere geschlossen sind, mehren sich die Beschwerden vor allem älterer Badegäste. Eigenmächtig ändern dürfen die Städte solche Einschränkungen nicht. Sie richten sich nach den Möglichkeiten, Abstand zu wahren. Alle Verbote gelten landesweit einheitlich, manche muten zunächst sonderbar an. Beispielsweise dürfen schnelle Schwimmer keine langsamen überholen.

Die Vorschriften will nicht jeder akzeptieren – erwartungsgemäß. In Böblingen zählte zu den Vorbereitungen auf eine bisher einzigartige Saison, dass das Personal darin geschult wurde, wie mit widerspenstigen Gästen umzugehen ist. Die Kurse waren offenkundig hilfreich. „Tatsächlich müssen unsere Schwimmmeister sehr viel diskutieren“, sagt Hertle, der Stadtwerke-Geschäftsführer – auch darüber, ob Corona-Regeln überhaupt nötig sind.