Für wenig Geld gibt es im Megastore Kleidung und gute Beratung. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Das Frauenunternehmen Zora ist auf die Bewilligung von Arbeitsgelegenheiten durch das Jobcenter angewiesen. Jetzt ist es wissenschaftlich belegt: Die Ein-Euro Arbeitsplätze sind viel besser als ihr Ruf.

Stuttgart - „Die Kaufhäuser von Zora sind ein kleiner Schatz im Osten“, mit diesem Kompliment setzte die Bezirksvorsteherin Tatjana Strohmaier dem ohnehin schon positiven Ergebnis einer Untersuchung über die Bedeutung von Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem zweiten Arbeitsmarkt die Krone auf. Die Kölner Sozialforscherin hat kürzlich im Zora-Megastore beim Kulturwerk Ost den Mitarbeiterinnen und den Frauen, die hier in Arbeitsgelegenheiten (AGH) beschäftigt sind, die Ergebnisse präsentiert. Auch Zora-Geschäftsführerin Waltraud Streit war darüber hoch erfreut: „Ich bin positiv überrascht über die Ergebnisse“, sagte sie. Dies bezieht weniger auf die direkte Weitervermittlung in den ersten Arbeitsmarkt, sondern auf den sozialen und persönlichen Gewinn der Frauen, die über das Jobcenter in den Zora drei Sozialkaufhäusern einen Ein-Euro-Job erhalten haben. Anlass für die Untersuchung war die häufige geäußerte Kritik, das AGH zu wenige Menschen in Ausbildung oder sozialversicherte Beschäftigungsverhältnisse vermitteln und dass sie zu Verdrängungseffekten führen.

Unsichere Zukunft für Zora

Das gemeinnützige Frauenunternehmen ist von der Bewilligung der AGH durch das Jobcenter abhängig. „Wenn wir keine solchen Mitarbeiterinnen haben, müssen wir zumachen“, skizziert Waltraud Streit das Szenario. Auch die Ausbildungsplätze, die Zora im Büro-und im Verkauf anbietet, wären dann weg. „Ohne Kaufhaus können wir ja nicht ausbilden“, sagt die Geschäftsführerin. Die derzeitigen AGH laufen im Februar aus, die neue Bewilligung steht noch aus. Für das Frauenunternehmen besteht somit keine Planungssicherheit. Nicht nur dies, sondern bei Zora wurde auch die Zahl der AGH- Arbeitsplätze verringert. „Wir haben noch 83, früher waren es 115“, rechnet Waltraud Streit vor und betont, dass an dieser Zahl auch die Stellen jener Sozialpädagoginnen hängen, die für die Anleitung und Betreuung der vom Jobcenter vermittelten AGH-Frauen eingestellt wurden.

Kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt

Seit 2013 haben 329 Frauen in AGH in den Zora-Sozialkaufhäusern gearbeitet. Die Hälfte hatte einen Migrationshintergrund. 70 Prozent waren Mütter, davon war ein Drittel allein erziehend. 68 Prozent der Frauen waren vorher langzeitarbeitslos, 24 Prozent waren noch nie berufstätig gewesen. Viele haben so genannte Multiproblemlagen, das heißt, dass sie neben familiären, finanziellen und sozialen Schwierigkeiten, gesundheitliche Einschränkungen habe, ein behindertes Kind versorgen müssen, dass sie für die Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt zu alt sind oder das sie einen hier nicht anerkannten Schulabschluss besitzen beziehungsweise nie einen gemacht haben.

Teilnehmerinnen sind zufrieden

Aufgrund dieser Faktoren werden die betreffenden Frauen auf dem ersten Arbeitsmarkt keinen Job finden. Aber sie haben Chancen auf dem zweiten Arbeitsmarkt betont die Kölner Sozialwissenschaftlerin, in ihrer Untersuchung. Die Frauen bewerten die AGH trotz der schlechten Bezahlung und der Befristung auf maximal drei Jahre mit Blick auf ihre persönliche Entwicklung, auf ihr Selbstwertgefühl, ihr Selbstbewusstsein und auf die Möglichkeit zur sozialen Teilhabe durchweg positiv. Dies ist das Ergebnis der Interviews, die Petra Pfänder mit 34 Frauen geführt hat. Eine 46-jährige Teilnehmerin mit zwei schulpflichtigen Kindern sowie massiven gesundheitlichen Problemen sagte beispielsweise: „ Für mich ist es hier wie ein Zuhause. Ich kann mein Deutsch verbessern. Zu Zora wollte ich nicht, weil man hier nur einen Euro in der Stunde verdient. Dann war ich überrascht. Es ist toll hier. Ich habe viele Freundinnen und ich bin in Bewegung gekommen.“

Eine gesellschaftliche Aufgabe

Auch die Kinder der befragten Frauen wurden interviewt und freuten sich darüber, dass ihre Mütter durch den Job ausgeglichener und zufriedener sind als vorher. Migrantinnen betonen, dass sie ihre Deutschkenntnisse verbessern, und über die Verbesserung ihrer finanziellen Situation freuen sich 80 Prozent der Frauen. Auch die Anleitung und die Betreuung durch die Zora-Mitarbeiterinnen wird durchweg gelobt. „Die AGH sind eine gesellschaftliche Aufgabe“, lautet das Fazit der der Untersuchung.

Soziale Kontakte fördern

In der Podiumsdiskussion, die sich an die Präsentation der Studie anschloss, warnte Sozialbürgermeister Werner Wölfe davor, „den Blick immer auf das goldene Kalb Arbeit“ zu richten. Auch der Leiter des Jobcenters, Jürgen Peeß, bedauerte die restriktive Haltung der Politik gegenüber den AGH. „Wir schätzen sie sehr“, erklärte er und war positiv verwundert, dass 23 Frauen durch die AGH eine berufliche Perspektive auf dem ersten Arbeitsmarkt fanden. Das Jobcenter müsse sich künftig auch während der Maßnahme um die Vermittelten kümmern, bekannte er. Auch die Auswahl der Klientinnen, die sich für einen Job im Sozialkaufhaus eignen, müsse besser mit Zora abgesprochen werden.

Geschäftsführerin Waltraud Streit betonte, dass sie sich neben einer sicheren Zukunft für die AGH und damit den Fortbestand des Frauenunternehmens wünsche, dass Kunden aller sozialen Schichten zum Einkaufen in die Kaufhäuser und in den Buchladen kommen: „Nur so entstehen soziale Kontakte.“