Ursula von der Leyen bei einem Besuch von Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan mit einer Splitterschutzweste Foto: dpa

Mit Ursula von der Leyen scheidet die erste weibliche Verteidigungsministerin aus dem Amt. Doch die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundeswehr geht immer noch schleichend voran.

Stuttgart - Ursula von der Leyen gibt ihren Job als Verteidigungsministerin auf. Bereits zu Beginn der Woche hatte sie angekündigt, unabhängig von der Entscheidung über ihre Kandidatur als EU-Kommissionspräsidentin das Ministeramt in Berlin niederzulegen. In einem Tweet mit dem Titel „Meine Entscheidung für Europa“ kündigte sie dies an und äußerte zudem „tiefe Dankbarkeit für die Jahre mit der Bundeswehr“. Von der Leyen war seit 2013 Verteidigungsministerin und damit die erste Frau in dem Amt. Doch trotz dieses Meilensteins in der Geschichte der Bundeswehr ist es bis zu einer echten Gleichstellung von Frauen und Männern im Militär noch ein weiter Weg.

Seit 2001 stehen Frauen alle Laufbahnen in der Bundeswehr offen. Zwar konnten Frauen bis dahin schon auf freiwilliger Basis im Militärmusikdienst oder im Sanitätsdienst ihren Dienst leisten, aber ein Einsatz bei der kämpfenden Truppe war nicht möglich. Seitdem werden Frauen und Männer also in Bezug auf den Dienst an der Waffe (fast) gleichbehandelt. Der einzige Unterschied besteht nach dem Aussetzen der Wehrpflicht 2011 nur im Verteidigungsfall. So könnten in dieser Extremsituation Männer in die Streitkräfte eingezogen werden – Frauen hingegen nur begrenzt. Artikel 12 des Grundgesetzes spezifiziert: „Sie dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden.“

Heute sind nach Angaben der Bundeswehr rund 22000 Soldatinnen Teil der Truppe, das sind etwa 12 Prozent. Von der Leyen ist während ihrer Amtszeit stets für Gleichstellung in der Bundeswehr eingetreten und setzte einen Frauenanteil von 15 Prozent als Ziel.

Kritik an Werbekampagne der Bundeswehr

So hat die Bundeswehr zum Beispiel 2016 ein Projekt aufgelegt, das Frauen aus der Truppe in Kontakt mit Führungskräften bringen soll. Die Teilnehmerinnen sollen die Möglichkeit bekommen, ihre Netzwerke zu verbessern und damit auch ihre Aufstiegschancen zu steigern. Doch trotz einigen Verbesserungen kann man wohl nicht allzu optimistisch in die Zukunft blicken.

Denn während von der Leyens Amtszeit wurden nicht nur Fortschritte gemacht. 2014 erregte eine Werbekampagne der Bundeswehr Aufsehen, die Frauen beim Schuhkauf, als Mutter oder vor dem Kleiderschrank zeigte. Die Kampagne geriet schnell in die Kritik, da sie einem traditionellen weiblichen Rollenbild folgt. Eben jenem Rollenbild, das die Integration von Frauen in die „traditionelle Männerdomäne“ des Militärs erschweren kann.

Ebenfalls 2014 wurde eine Studie des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr präsentiert, die Rückschritte in der Integration von Frauen in der Bundeswehr deutlich macht. So denkt etwa ein Drittel der Soldaten, dass Frauen schlechtere Arbeit leisten als Männer. Und 22 Prozent sehen Frauen, auch andere Soldatinnen, als schutzbedürftig.

Frauenanteil bleibt unter der Zielgröße

Die Meinungen über die Situation der Gleichstellung in der Bundeswehr unterscheiden sich teils grundlegend. Merith Niehuss, Präsidentin der Bundeswehruniversität in München, äußerte sich gegenüber der „Welt“ sehr optimistisch. Sie begrüßt Veränderungen in der Kommunikationsweise und Atmosphäre. An der Universität sei der gemeinschaftliche Umgang lockerer geworden. „Die Frauen haben eben gefehlt“, meint sie.

Weniger frohgemut zeigt sich der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, in seinem Jahresbericht 2018. Zwar sind in allen Bereichen der Bundeswehr mehr Frauen als noch im Vorjahr. Trotzdem bleibt der Frauenanteil mit 12,1 Prozent deutlich unter dem selbstgesetzten Ziel von 15 Prozent. Zudem sind nur 8,3 Prozent der Aktiven außerhalb des Sanitätsbereichs Frauen.

Die Integration von Frauen in die Bundeswehr scheitere unter anderem auch an praktischen Dingen, wie etwa fehlenden geschlechtergetrennten Sanitäranlagen und Umkleiden.

Frauenfeindliche Sprüche sind keine Seltenheit

Neben solchen konkreten Problemen sei aber auch die Stimmung bei männlichen Soldaten bezeichnend. So seien Äußerungen wie „Warum müssen wir (…) eine Frau in der Gruppe haben? Die bekommt eh nix auf die Reihe“ und „Brot kann schimmeln, was kann sie?“ keine Seltenheit.

Herausforderungen sieht Bartels auch in der Führungsebene. „Spitzenpositionen sind immer noch weitgehend männlich besetzt“, steht in dem Bericht. Merith Niehuss sieht hingegen weniger Probleme in diesem Bereich. „Von einer Benachteiligung kann keinesfalls die Rede sein“, sagte sie der Welt.

Doch kann das in Zukunft besser werden? Schließlich braucht es lange, um in den Generalsrang aufzusteigen – also auch für die ersten Frauen um dort anzukommen. Ein sprunghafter Fortschritt scheint jedoch nicht in Sicht. An der Helmut-Schmidt-Universität, der Bundeswehruniversität in Hamburg, waren 2018 14,5 Prozent der Studierenden Frauen. Das kommt dem gesetzten 15 Prozent Ziel zwar schon näher, wird sich aber auch erst in einigen Jahren bei der Truppe bemerkbar machen können.

Kinderkrippe an der Bundeswehr-Uni München

Ähnlich sieht es bei der Universität der Bundeswehr in München aus. Michael Brauns, Pressesprecher der Uni, führt dies auf eine Kombination aus unterschiedlichen Faktoren zurück. Zum einen studierten Frauen an der Bundeswehruniversität wie an zivilen Universitäten öfter Gesellschaftswissenschaften als Ingenieurwissenschaften. Zum anderen werde die Bundeswehr oft als „klassischer vermeintlicher Männerberuf“ wahrgenommen. Damit sei die „Hemmschwelle noch ein bisschen da“. Im Studium spiele das Geschlecht jedoch keine Rolle: „Was zählt, sind die Noten.“

Mit Initiativen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wie etwa der Eröffnung der ersten Kinderkrippe der Bundeswehr an der Universität in München, habe von der Leyen auch bessere Rahmenbedingungen zum Beispiel für Soldatenpaare geschaffen, sagt er. Dies könne die weitere Integration von Frauen erleichtern.