Auf einer Internet-Plattform für deutsche Dschihadisten wird Waffendrillfür Kinder gezeigt – rechts im Hintergrund: Der aus Georgien stammende Terrorist Murad Muslim Margoshvili Foto: Screenchot/youtube

Zur Hochzeit bekommt Mama eine Kalaschnikow. Mit der lernen Kinder schon als Sechsjährige zu schießen. Terrorgruppen haben entdeckt, wie wichtig Familien für ihren Kampf sind.

Stuttgart - Als Sarah am 31. Oktober 2013 Konstanz verließ und in den Krieg zog, war sie 15. Amatul’ Aziz Al-Muhajira nennt sie sich seither – Sklavin des Allmächtigen, die Kriegerin Gottes. Eine silberne Pistole begleitet sie durch den Krieg in Syrien, wie die Gymnasiastin stolz auf ihrer Facebookseite präsentierte: „Meine neue Perle.“

Ihre Freundinnen ließ sie an ihrem neuen Leben in der Levante teilnehmen: Das Mädchen in einem langen, lilafarbenen Gewand, verschleiert, schwarze Handschuhe, die ein Kalaschnikow-Sturmgewehr umgreifen. Darunter beschrieb die Konstanzerin ihren Tagesablauf: „Schlafen, Essen, Schießen, Lernen, Vorträge anhören.“ Und jubelte Tage später: „Bin jetzt übrigens bei El-Kaida.“

Ein Leben, das für Salafistinnen höchst attraktiv zu sein scheint. Mindestens 70 Frauen, so sind sich Verfassungsschützer sicher, sind bislang aus Deutschland nach Syrien und in den Irak gereist, wo sie das Paradies vermuten. Wenn auch den meisten von ihnen jene Ehre verwehrt bleibt, die der jüngsten Frau des Propheten Muhammad zuteilwurde: Aischa soll bei einer Schlacht die Kämpfer auf einem Kamel begleitet haben und zur Schlacht getrommelt haben. Die heutige Realität sieht anders aus.

„Die Frauen sind vor allem ermutigt, nach Syrien zu reisen, um zu heiraten und dort auch Kinder zu gebären“, sagt die Doktorandin Géraldine Casutt von der Universität im Schweizer Freiburg. Vor allem für die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) ein schon überlebenswichtiges Ziel: „Je mehr Familien von Dschihadisten in den eroberten Gebieten sind, desto dauerhafter ist die IS-Herrschaft. Die Frau wird sozusagen als die Hüterin der Familie und der Werte bezeichnet.“

Männer und Frauen haben dieselbe Pflicht

Nach der Vorstellung der Chefideologen des IS haben Männer und Frauen dieselbe Pflicht: Sie sollen ein weltumspannendes Kalifat aufbauen. Wenn auch mit klarer Aufgabentrennung. Frauen sind die Gefährtinnen der Männer. Ihre ritterlichen Kämpfer lassen sie nicht im Stich. „Und wenn unsere Löwen schlafen, tragen wir die Verantwortung für die Ummah“, schrieb Sarah im vergangenen Jahr auf ihre Facebookseite. Wenn sich die Männer zur Ruhe legen, wachen die Frauen über die islamische Gemeinschaft.

Mitunter sehr eigenwillig. Zu einem besonderen Festtag verrät eine der Dschihadistinnen ihren Glaubensschwestern das Rezept für „Hummuspaste mit frittiertem Brot zum 9/11“. Für den Tag, an dem 2001 in New York und Washington El-Kaida-Terroristen Flugzeuge in das World Trade Center und das US-Verteidigungsministerium stürzten.

Auch praktische Tipps tauschen die Frauen im zum Paradies hochstilisierten Syrien aus. So sollten Schwestern, die zwischen Euphrat und Mittelmeer heiraten und Kinder bekommen wollten, „Schwangerschaftskleidung, Still-BHs und Babyfläschchen“ mitbringen, weil die aktuell in Syrien Mangelware seien. Eine andere rät, an Durchfalltabletten zu denken. „Ihr werdet sie für den ersten Monat brauchen.“

Wasser und Kernseife hingegen gibt es scheinbar genug. Die, weiß eine britische Kriegsreisende, seien notwendig, um die im Kampf verdreckten Uniformen der Männer wieder sauber zu bekommen. Eine detaillierte Anleitung, wie das Wasser zu erhitzen und der Drillich zu schrubben sind, gibt es dazu.

Flinten beim Einkaufsbummel und Spaziergang dabei

Wie auch eine Kalaschnikow als Brautgabe. Wenn auch die Mudschahida, die Gotteskriegerinnen, nur in Ausnahmefällen in den Kampf ziehen, tragen sie die Flinten beim Einkaufsbummel ebenso oder wenn sie ihre Kinder auf den Spielplatz bringen. Genau das entspricht dem Bild, das El-Kaida-Chef Aiman az-Zawahiri von einer modernen Frau zeichnet: „Sie sind die nächste Generation des Dschihad!“

Zusammen mit ihren Kindern. Einen bislang einzigartigen Einblick in deren Erziehung bekam im vergangenen Jahr der US-Internet-Fernsehsender Vice-News. Die Reporter begleiteten tagelang Kämpfer des IS und erhielten so auch Einblick in ein militärisches Ausbildungslager für Kinder. Ein mit dem Wohnmobil aus Belgien angereister Dschihadist befragte vor laufender Kamera seinen „Abdullah“ genannten Sohn, einen sechs-, siebenjährigen Knirps: „Was möchtest du werden? Ein Kämpfer oder ein Märtyrer?“ Der Junge antwortete: „Ein Kämpfer!“ Abdullah lobt den Bub: „Ein Kämpfer! Warum töten wir Ungläubige? Was haben die Ungläubigen getan?“ Der Junge: „Sie töten Muslime.“ „Weil sie Muslime töten“, fasst der Vater die gelungene Gehirnwäsche zusammen.

Im militanten Salafismus, sagt der israelische Terrorismusexperte Professor Assaf Moghadam, „ist der Dschihad eine Aufgabe für die Familie“. Die binde ausdrücklich Kinder mit ein, „so früh wie das nur irgend geht“. Auf der Internet-Plattform Youtube finden sich zahlreiche Videos, in denen dschihadistische Gruppen den Kinderdrill mit Kalaschnikow und Hindernisbahn dokumentieren.

Ein Plan vom Leben, der der Konstanzerin Sarah zu gefallen scheint: „Wir unterstützen unsere Ehemänner im Kampf und vermehren beziehungsweise gebären Kämpfer“, schrieb sie ihren Freundinnen. Am 4. Januar, knapp drei Wochen vor ihrem 16. Geburtstag, heiratete sie Ismail S.. Einen Dschihadisten aus Köln.