Kontrolle der Verkehrspolizei in der Theodor-Heuss-Straße: Die Polizei soll für die Überwachung mehr Kapazitäten bekommen. Foto: Max Kovalenko

Stuttgarts Autofahrer müssen mit mehr Polizeikontrollen als bisher rechnen – angesichts einer Rekordzahl von Unfällen im letzten Jahr. Der neue Polizeichef will die Kräfte bei der Verkehrspolizei entsprechend bündeln.

Stuttgart - 26.500 Unfälle in der Landeshauptstadt – so viele wie 2012 gab es noch nie. Franz Lutz, der neue Stuttgarter Polizeipräsident, der am Montag im Präsidium auf dem Pragsattel offiziell in sein Amt eingeführt wurde, kann die Karambolagen nicht persönlich verhindern. Allerdings will er zur Vorbeugung beitragen – und in den Reihen der Verkehrspolizei die Überwachung stärken. „Da werfen wir gerade einen Blick drauf“, sagt Lutz.

Dazu muss freilich umgeschichtet werden: Mehr Überwachung, weniger Unfallaufnahme. „Die Frage ist, ob die Unfallaufnahme vermehrt von den Revieren erledigt werden kann“, sagt Lutz. Bisher machen die Unfallermittler 45 Stellen aus, bei den Verkehrsüberwachern gibt es 75 Stellen.

Dabei geht es nicht um mehr Blitzer am Straßenrand, die möglichst viele Schnellfahrer erwischen sollen. Verkehrspolizeichef Roland Haider hatte vor Wochen die neue Philosophie der Polizei vorgestellt, sich aus dem Massengeschäft der Tempokontrollen zurückzuziehen. Vielmehr will man sich auf die schweren Verkehrsverstöße konzentrieren. Rasen ist in der Stadt nämlich nicht die Hauptursache für Unfälle – der Anteil beträgt nicht einmal fünf Prozent.

Stuttgarts neuer Polizeipräsident Franz Lutz. Foto: Leif Piechowski

Mehr Kontrollen soll es dagegen an roten Ampeln geben. Im Frühjahr gingen bereits mehr als 500 Rotlichtsünder ins Netz. Mit Laserpistolen wird Jagd auf Raser gemacht, die über 40 km/h zu viel auf dem Tacho haben und an normalen Kontrollstellen durch einen Blitz vorgewarnt worden wären. Die Zahl der Erwischten stieg binnen Jahresfrist prompt um 60 Prozent.

Konzentration aufs Wesentliche: Lutz weiß, dass man bei weniger Personal nur an den Strukturen etwas ändern kann, um Kräfte freizusetzen. Immerhin war er fast zehn Jahre lang im Innenministerium für verschiedene Reformen und Reorganisationen diverser Minister zuständig.

OB Kuhn kontert Forderung nach Alkoholverbot

Mit seiner Forderung nach einem zeitlich und örtlich begrenzten Alkoholverbot muss er allerdings noch Überzeugungsarbeit leisten – vor allem bei Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne). Am Rande der Amtseinführung verteidigte Lutz seinen Vorstoß: „Es muss doch möglich sein, mit Hilfe einer gesetzlichen Regelung an Brennpunkten agieren zu können“, so Lutz. Die Betonung liegt auf können: „Ein solches Verbot kann nur die letzte der möglichen Maßnahmen sein.“

Mit dieser Idee gegen Exzesse in der Vergnügungsszene liegt Lutz zwar voll auf der Linie von Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU), der eine ähnliche Forderung schon einmal im vergangenen Jahr erhoben hat. Lutz verweist auf Erfahrungen in Reutlingen, wo es ebenfalls eine oftmals ausufernde Partyszene im sogenannten Bermudadreieck zwischen Kanzlei- und Oberamteistraße gibt. „Dort gehen Polizei und Ordnungsdienste gemeinsam vor“, sagt Lutz. Die Präsenz habe durchaus „eine dämpfende Wirkung“.

Doch bei OB Kuhn stößt das Ansinnen des neuen Polizeipräsidenten auf wenig Gegenliebe: „Weil ich nicht überzeugt bin, dass das etwas bringt“, so Kuhn am Montag bei der Amtseinführung auf dem Pragsattel. Die Befürworter eines solchen Verbots müssten unter anderem praktische Widersprüche auflösen: „Wenn ich dieser Tage über das Weindorfgelände laufe, kann ich nicht gerade von einem Alkoholverbot in Stuttgart sprechen“, so Kuhn. Bei Exzessen dürften Barbetreiber und Gastronomie nicht aus der Verantwortung entlassen werden. Freilich: Kuhn wirft dem neuen Polizeipräsidenten nicht den Fehdehandschuh hin: „Für ideologische Scharmützel sind wir alle miteinander viel zu klug.“

Richtig Schwerpunkte gesetzt

Schließlich pflegt die Stuttgarter Polizei mit ihrer Linie des transparenten und konsequenten Handelns „eine moderne Umgangskultur“: Das bescheinigt zumindest Innenminister Reinhold Gall (SPD) den 2600 Beschäftigten. Dabei sei das Polizeipräsidium Stuttgart für 26.500 Unfälle und 59.000 Straftaten zuständig, täglich gingen 443 Notrufe ein.

Ob und was der neue Polizeipräsident noch bei der Kriminalpolizei ändern könnte, ist unklar. Die Schwerpunkte sieht Lutz jedenfalls richtig gesetzt: „Wohnungseinbrüche und Gewaltkriminalität“, so Lutz. Eine erste große Herausforderung wird der 3. Oktober sein: Der Tag der deutschen Einheit mit nationalen und internationalen Gästen wird dann zentral mit einer Großveranstaltung in Stuttgart gefeiert.