Den Blick fest nach oben gerichtet: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Foto: AFP

Der französische Präsident Emmanuel Macron prescht mit seiner Politik ungestüm voran. Das ist angesichts verkrusteter Strukturen zwar verständlich, doch er droht seine polititsche Linie zu verlieren, kommentiert Frankreich-Korrespondent Axel Veiel.

Paris - Die Stimmung ist umgeschlagen – sie ist deutlich besser geworden. Im vergangenen Jahr gemahnte der Anfang August fällige Aufbruch der Franzosen in die Sommerferien an eine Massenflucht. Mit Frankreich, ja Europa, schien es wirtschaftlich und politisch bergab zu gehen. Ermutigt vom Brexit frohlockten die Rechtspopulisten. Aber anstatt Marine Le Pen kam dann eben Emmanuel Macron an die Macht mit dem Versprechen, Frankreich und Europa umzukrempeln.

An Nachweisen der Entschlossenheit hat es der Staatschef seither nicht fehlen lassen. Als Göttervater Jupiter oder oberster Start-up-Unternehmer wird er gehandelt. Und auch als sich die Nation anschickte, geschlossen in Ferien aufzubrechen, hat der Erneuerer noch einmal nachgelegt. Die Einrichtung von Hotspots in Libyen kündigte er an, die Wirtschaftsflüchtlinge zurückhalten sollen. Es folgte die vorläufige Nationalisierung der unter der Präsidentschaft Hollandes dem italienischen Konzern Fincantieri zugesagten Werft STX. Beides kam bei den Franzosen gut an. „Ich löse das Flüchtlingsproblem in Afrika an Ort und Stelle“, lautete die erste Botschaft des Präsidenten; „Ich sichere in Zeiten der Globalisierung französische Arbeitsplätze vor fremdem Zugriff“, die zweite.

Macrons Worte wirken auf viele verstörend

Erstmals seit Jahren schöpft die Mehrheit der Franzosen Hoffnung: 52 Prozent glauben, dass die Globalisierung ihnen Vorteile verheißt. Nach eigenem Bekunden weder einer rechten noch linken Doktrin verpflichtet, zählt für den früheren Banker Macron hauptsächlich, was unterm Strich herauskommt. Dazu passend hat er seine Mitmenschen kürzlich in zwei Kategorien unterteilt: „Diejenigen, die Erfolg haben, und diejenigen, die nichts haben“.

In einem Land wie Frankreich, das in verkrusteten Strukturen gefangen ist, mögen solche Worte therapeutische Wirkung entfalten. Verstörend sind sie allerdings auch, denn sie lassen soziales Einfühlungsvermögen vermissen. Zudem droht über dem pragmatischen Vorpreschen des Präsidenten die politische Linie verloren zu gehen. Wie passt zusammen, dass Macron, eben noch überzeugter Europäer, die EU mit der Ankündigung von Hotspots in Libyen überrumpelt? Zumal die Voraussetzungen für solche Erfassungsstellen im Bürgerkriegsland Libyen bisher nicht gegeben sind. Und wieso „rettet“ Macron, eben noch ausgewiesener Gegner des Wirtschaftsprotektionismus, eine französische Werft vom Zugriff der italienischen Nachbarn?

Macrons Pläne kosten Geld, doch er will sparen

Nach Blendwerk, Stückwerk sieht das aus. Kohärente Politik ist es nicht. Die Rede vom Göttervater Jupiter dürfte denn auch bald verstummen. Mitte Juli war Macron in Beliebtheitsumfragen erstmals abgestürzt. Ein Minus von zehn Prozent hatte er zu verkraften. Weitere Sympathieverluste zeichnen sich ab. Die geplante Flexibilisierung des Arbeitsmarkts dürfte den Rückhalt weiter schmälern. Die Reform erhöht die Einstellungschancen der Erwerbslosen, verringert zugleich aber auch den Kündigungsschutz der Beschäftigten.

Gewiss, der Staat will dafür sorgen, dass Entlassene dank hochwertiger Fortbildungsangebote schneller einen neuen Job finden und während der Suche finanziell besser abgesichert sind. Aber das kostet Geld. Und energisch sparen will Macron ja auch. Doch dem Präsidenten ist zuzutrauen, dass er beides durchzieht: Arbeitsmarktreform und Haushaltssanierung. Er weiß, dass Frankreich nur eingebettet in eine schlagkräftigere EU im internationalen Kräftemessen Gewicht auf die Waage bringt. Und er weiß, dass er die EU nur dann nach seinen Vorstellungen stärken kann, wenn er die Partner (zumal Deutschland) mit Strukturreformen überzeugt und mit Einhaltung der Defizitgrenzen Glaubwürdigkeit zurückgewinnt. Fragt sich noch, ob die Franzosen es ihm danken werden, ob er Erfolg haben oder am Ende zu denen zählen wird, die nichts haben.