Die neue Justizministerin Nicole Belloubet Foto: AFP

Frankreichs Staatschef Macron ersetzt die Minister der in eine Scheinarbeitsaffäre verwickelten Zentrumspartei Modem durch drei politisch unbelastete, aber auch politisch weitgehend unerfahrene Ministerinnen.

Paris - Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron macht Ernst mit der untadeligen Republik, die er seinen Landsleuten versprochen hat. Im neuen Kabinett, das Premierminister Edouard Philippe am Mittwochabend präsentiert hat, bleiben Spitzen der in eine Scheinarbeitsaffäre verwickelte Zentrumspartei Modem außen vor. Nachdem am Vortag bereits die bisherige Verteidigungsministerin Sylvie Goulard ihren Rückzug angekündigt hatte, zogen am Mittwoch der das Justizressort leitende Modem-Chef Francois Bayrou nach sowie Europaministerin Marielle de Sarnez. Ersetzt wird das Trio durch drei der breiten Öffentlichkeit bisher weitgehend unbekannte Politikerinnen.

Die Juristin Nicole Belloubet (62), die Bayrou als Justizministerin beerbt, war 2013 zur Richterin des Verfassungsrats ernannt worden. Über die Rechtsmäßigkeit von Gesetzen hatte sie dort in den vergangenen Jahren zu befinden oder auch den korrekten Verlauf von Wahlen zu kontrollieren. In der hohen Politik war Belloubet zuvor freilich kaum in Erscheinung getreten. Im Gemeinderat von Toulouse hatte sie sich mit Kultur befasst, später dann als Abgeordnete im Regionalrat des südwestfranzösischen Departements Midi-Pyrénées mit Bildungsthemen.

Diplomatin fürs Europa-Ressort

Während die Berufung einer Verfassungsjuristin an die Spitze des Justizministeriums einleuchtet, hat die Ernennung der Unternehmerin Florence Parly (54) zur neuen Verteidigungsministerin überrascht. Nach Beratertätigkeiten in verschiedenen Ministerien und einem Intermezzo als Staatsekretärin für Haushaltsangelegenheiten des früheren sozialistischen Premiers Lionel Jospin hatte sich Parly dem Luft- und Schienenverkehr zugewandt. Als Spitzenmanagerin heuerte sie zunächst bei Air France an, bevor sie dann als als Generaldirektorin der Sparte „Reisende“ zum Eisenbahnunternehmen SNCF wechselte.

Als bisherige Leiterin der Verwaltungshochschule ENA, die als Kaderschmiede politischer Führungskräfte gilt, ist die zur Europaministerin gekürte Nathalie Loiseau (53) sicherlich die bekannteste der drei neu zur Regierung gestoßenen Politikerinnen. Zu den illustren Abgängern der Straßburger Elitehochschule zählen nicht zuletzt diejenigen, die sie ernannt haben: Staatchef Emmanuel Macron und Premierminister Edouard Philippe. Für das Amt der Europaministerin hat sich Loiseau freilich als ehemalige Diplomatin empfohlen. Als sie 2012 zur ENA stieß, blickte sie auf 26 Jahre in den Diensten des Außenministeriums zurück. Weit herumgekommen war sie in dieser Zeit. Einer ihrer letzten Einsatzorte war Washington gewesen, wo sie Sprecherin des Botschafters gewesen war.

Unterstützung durch Konservative

Der bisher ebenfalls wenig ins Rampenlicht getretene Abgeordnete der Regierungspartei La République en Marche (LRM, Vorwärts die Republik) ist an die Spitze des Landwirtschaftsministeriums berufen worden. Der bisherige Amtsinhaber Jacques Mézard wiederum ersetzt Richard Ferrand, der wie den drei ausgeschiedenen Modem-Kollegen ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten ist und die Leitung des Ministeriums für territorialen Zusammenhalt aufgeben musste.

Noch am gleichen Tag erhielt der Präsident neuen Beistand aus den Reihen der konservativen Republikaner (LR) und der Zentrumspartei UDI. Der Macron nahestehende LR-Abgeordnete Thierry Solère kündigte an, er werde gemeinsam mit rund 40 an einer Zusammenarbeit mit dem Präsidenten interessierten LR- und UDI-Parlamentariern in der Nationalversammlung eine eigene Fraktion gründen. Bei einer für den 4. Juli angesetzten Abstimmung im Parlament werde man Macrons Premier Philippe das Vertrauen aussprechen.

Der Zerfall der Republikaner in ein Macron zugewandtes liberales und ein Frontalopposition betreibendes rechtskonservatives Lager dürfte damit kaum noch abzuwenden sein. Solère bezifferte die künftig seiner Fraktion angehörenden Republikaner mit 20, Tendenz steigend. Für Macron heißt dies, dass er auf den Beistand der bisher mit ihm verbündeten Modem-Mitstreiter verzichten kann. Sollten Bayrou und seine 42 Modem-Abgeordneten ins Lager der Opposition wechseln, der Abgang wäre durch den Zulauf aus den Reihen von LR und UDI wettgemacht. Ohnedies verfügt Macrons Bewegung La République en Marche (LRM, Vorwärts die Republik) mit 308 Abgeordneten in der Nationalversammlung über die absolute Mehrheit.

Bisher nur Voruntersuchungen

Angesichts umstrittener Reformvorhaben wie die geplante Flexibilisierung des Arbeitsrechts ist die Beistandszusage Solères dem Präsidenten aber gleichwohl hochwillkommen. Modem-Chef Bayrou hatte noch am Dienstag zu verstehen gegeben, dass ihn allein der Verdacht unlauterer Machenschaften seiner Partei nicht das Amt kosten würde. Nach wie vor hat die Staatsanwaltschaft gegen Modem lediglich Voruntersuchungen eingeleitet. Die Entscheidung, ob ihnen ein offizielles Ermittlungsverfahren folgt, steht noch aus. Bayrous Partei sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, rund zehn ihrer in Pariser Zentrale tätige Mitarbeiter als angebliche Assistenten von Europaabgeordneten auf EU-Kosten beschäftigt zu haben. Parteiübergreifend war bisher Konsens, dass die Unschuldsvermutung Vorrang haben müsse, solange die Staatsanwaltschaft lediglich Voruntersuchungen anstellt. „Da weht nicht mehr nur ein Wind der Tugend, da ist ein wahrer Orkan losgebrochen“, schrieb der Chefredakteur der politisch links stehenden Zeitung Libération am Mittwoch in seinem das Tagesgeschehen kommentierenden Newsletter.