Fredi Bobic blickt der Rückkehr nach Stuttgart mit gemischten Gefühlen entgegen. Foto: Getty Images

Fredi Bobic, Sportchef von Eintracht Frankfurt, spricht vor dem Duell mit dem VfB Stuttgart über den unerwarteten Aufschwung seines Clubs, seinen Ärger über den FC Bayern – und sein Verhältnis zu seinem Heimatclub, das sehr gelitten hat.

Stuttgart - Als Tabellendritter kehrt Eintracht-Sportchef Fredi Bobic am Samstag nach Stuttgart zurück. 15 Jahre verbrachte er beim VfB, erst als Spieler, dann als Manager. Jetzt kommt es zum nächsten Wiedersehen – mit gemischten Gefühlen.

Herr Bobic, Frankfurt ist Tabellendritter – und Sie haben sich zuletzt über den Klassenverbleib gefreut. Klang irgendwie lustig.
War aber mein voller Ernst.
Wir befinden uns aber schon im letzten Saisondrittel.
Unser Traumgedanke vor der Saison war, eine sorgenfreie Runde zu spielen. Jetzt haben wir schon Ende Februar 39 Punkte und damit die Klasse gesichert – das ist gefühlt so, wie wenn die Bayern schon im März Meister werden. Das ist ein schönes, nicht alltägliches Gefühl. Für uns ein Luxus.
Dann können Sie ja jetzt neue Ziele definieren. Die Champions League zum Beispiel.
Tun wir aber nicht. Auch wenn Sie enttäuscht sind: Wir machen so weiter wie bisher, denken von Spiel zu Spiel und schauen, was am Ende dabei herauskommt.
Wenn es am Ende Platz sieben wäre – würden Sie auch das als Erfolg empfinden?
Selbstverständlich. Wollen Sie von mir hören, dass ich bitter enttäuscht wäre, wenn wir nicht in den Europapokal kommen?
Zumindest scheint die Chance auf den ganz großen Wurf groß wie nie.
Wir sehen aber auch, welche Mannschaften sich um uns herum bewegen. Das sind ganz andere Kaliber, die haben ganz andere Budgets. Für diese Clubs ist diese Tabellenregion eine Selbstverständlichkeit – für uns ein Novum.
Machen Clubs wie Leverkusen, Leipzig oder Schalke, die hinter Ihnen liegen, zu viel falsch? Oder macht Frankfurt alles richtig?
Wir reden von drei Punkten, die zwischen Platz zwei und sechs liegen. Daher noch einmal: gemach, gemach. Wir sind als einer der meistgenannten Abstiegskandidaten in die Saison gestartet. Jetzt spielen wir eine unheimlich stabile Saison und stehen im Halbfinale des DFB-Pokals. Das haben wir uns nicht erkauft, sondern hart erarbeitet. Wir können aber auch einmal fünf Spiele hintereinander verlieren. Die anderen können fünf Spiele hintereinander gewinnen, dazu gehören auch noch Gladbach und Hoffenheim. Daher habe ich immer gesagt: Wenn wir einen einstelligen Tabellenplatz erreichen, haben wir eine überragende Saison gespielt. Das gilt auch weiterhin.
Ist es für einen Club wie Ihren auch möglich, da oben nicht nur einmal zufällig reinzuschnuppern, sondern sich zu etablieren?
Es ist nicht unmöglich, aber es ist ein sehr weiter Weg. Man sieht doch immer wieder, was für eine große Herausforderung es ist, international zu spielen und gleichzeitig den Bundesligaalltag zu bewältigen. Das ist auch für die Gladbacher keine Selbstverständlichkeit, obwohl die in den letzten Jahren in der Champions League waren. Es ist auch gut, dass es Beispiele wie aktuell den 1. FC Köln oder 2014 Eintracht Frankfurt mit den Euro-League-Festen und dem Fast-Abstieg gibt, weil es dabei hilft, den Leuten zu vermitteln, dass es auch nach einer erfolgreichen Saison wieder bei Null losgeht. Zehn bis zwölf Clubs in der Liga pendeln zwischen Europa League und Abstieg. Dazu gehören auch wir.
Überraschungsteams werden gerne die besten Spieler weggekauft – bei Ihnen ist Trainer Niko Kovac viel umworben. Können Sie ausschließen, dass er im Sommer geht?
Wir reden leider nicht nur bei Spielern, sondern inzwischen auch bei Trainern viel zu schnell darüber, dass sie gleich wechseln müssen, wenn sie Erfolg haben. Warum sollte ein Trainer nicht auch mal fünf, sechs oder sieben Jahre bei einem Club arbeiten?
Weil die Bayern dazwischenfunken.
Es ist mir egal, wer zu den Bayern geht. Die sollen sich um ihren Verein kümmern, wir kümmern uns um unseren.
Sie sagten neulich, Sie wüssten wer neuer Bayern-Trainer wird.
Ich hatte dieses Thema angestoßen, weil ich es an der Zeit fand, klar zu machen, dass es nicht gut ist, wenn Trainer ständig mit anderen Vereinen in Verbindung gebracht werden und diese Vereine diese Diskussionen zulassen. Das hat mit Respekt zu tun. Man sollte es respektieren, wenn ein Trainer erfolgreich bei einem anderen Verein tätig ist. Und was Niko Kovac betrifft: Er weiß, was er an der Eintracht hat. Hier verliert niemand die Nerven, wenn man mal drei, vier Spiele verliert. Er kann in Ruhe arbeiten und etwas aufbauen. Wir sind noch lange nicht am Ende unseres Weges.
In Ihrem ersten Jahr stand die Eintracht im Pokalfinale, jetzt ist Frankfurt Dritter. Haben die Menschen, die Ihre Verpflichtung heftig kritisiert hatten, schon Abbitte geleistet?
Das ist für mich nicht wichtig. Entscheidend war, dass ich in dem Aufsichtsratsvorsitzenden Wolfgang Steubing von Beginn an einen Mann im Rücken hatte, der mich total absichert und mich machen lässt. Ich konnte sehr viele Dinge verändern – und zwar genau so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Ich spüre hier einen Geist und eine Dynamik, wie ich sie bei einem Verein selten erlebt habe.
Ist das einer der Hauptunterschiede zu Ihrer Zeit in Stuttgart?
Die entscheidende Frage ist immer: Wie geschlossen agieren die Verantwortlichen? Wollen sie Veränderungen oder nicht? Ich habe das in vier Jahren beim VfB versucht hinzubekommen. Aber es gab zu viel Bewegung – und zwar in die falsche Richtung. Es wurden ständig die handelnden Personen ausgetauscht, man ist mal den einen Weg gegangen und dann wieder einen ganz anderen. So lange sich die Verantwortlichen unter sich nicht einig sind, was sie überhaupt wollen, wird es immer schwierig sein. Dann gibt es keine Kontinuität und damit automatisch keinen Erfolg.
Ihr Ende in Stuttgart war unschön. Wie sehr hat Ihr Verhältnis zu VfB gelitten?
Stuttgart wird immer meine Heimatstadt, der VfB immer mein Heimatverein bleiben. Ich war dort insgesamt 15 Jahre – die wischt man nicht einfach beiseite. Aber ich spüre schon, dass die emotionale Distanz gewachsen ist. Es sind einfach auch Dinge vorgefallen, über die ich in der Öffentlichkeit nie sprechen werde. Die Leute, die es betrifft, die wissen, was ich meine. Ihnen habe ich es schon damals ins Gesicht gesagt und kann jetzt in den Spiegel schauen. Die Dinge sind genau so gekommen, wie ich es vorhergesagt hatte.
Klingt nach Genugtuung.
Ganz im Gegenteil. Es ärgert mich, dass man damals den Fokus nicht allein auf den Fußball und die Entwicklung gelegt hat.
Wie nehmen Sie den VfB heute aus der Distanz wahr?
Ich fand die Aufstiegssaison toll, es gab eine Rieseneuphorie, die Fans sind super zum Verein gestanden. Man konnte unheimlich viel mitnehmen – vielleicht wurde aber emotional ein bisschen überpowert. Jetzt muss der Schwabe akzeptieren, dass es nicht morgen in der Champions League weitergeht, sondern dass der VfB erst einmal wieder richtig in der Bundesliga ankommen muss. Es sind aber mit der Ausgliederung wichtige Voraussetzungen geschaffen worden. Nun stehen die Verantwortlichen in der Pflicht, etwas daraus zu machen.
Sind die richtigen Leute am Werk?
Ich schätze Michael Reschke persönlich sehr. Er ist ein Kenner der Szene, der sich nun in einer neuen Position beweisen muss.
Hat er mit Tayfun Korkut den richtigen Trainer ausgewählt? Sie kennen ihn gut.
Ich haben ihn damals beim VfB zum Trainer der U 19 gemacht und musste ihn dann schweren Herzens an die Türkei abgeben. Er ist ein fantastischer Fußballexperte, hat eine klare Handschrift, kann seine Mannschaften entsprechend einstellen und hat überall einen guten Job gemacht.
Trotzdem gab es jede Menge Kritik, als Korkut zum neuen Trainer ernannt wurde.
Deshalb freut es mich, dass er einen Superstart hingelegt hat. Denn jetzt verstummt dieses ganze oberflächliche, populistische Geschwätz. Man sollte die Leute erst arbeiten lassen und dann bewerten. In diesem Fall war es wieder einmal umgekehrt.