Mit der Überschreitung der Stickoxid-Grenzwerte begründen Politik und Gerichte die Dringlichkeit von Fahrverboten zum Schutz der Gesundheit. Nun hat sich herausgestellt, dass diese Grenzwerte mit der Gesundheit gar nichts zu tun haben. Foto: dpa

Gerichte und Politik peitschen Fahrverbote durch, die sich nicht mit gesundheitlichen Gefahren für die Bevölkerung begründen lassen. Doch der Zweck des Umweltschutzes heiligt nicht das Mittel der Bürgertäuschung, meint StN-Autor Klaus Köster.

Stuttgart - Der Richter, der das Land zu Fahrverboten verdonnerte, verfasste sein Urteil in hohem Ton: Aus der Grundrechtscharta der EU ergebe sich ein „staatlicher Schutzauftrag für das Leben und die Gesundheit von Menschen“, Fahrverbote seien zum „Schutz der menschlichen Gesundheit“ in Betracht zu ziehen. Hätte die Tiefe der Recherche mit der Überzeugtheit dieser Aussagen mitgehalten, wäre Hunderttausenden in der Region ein womöglich sinnloses Fahrverbot erspart geblieben. Denn die Aussagen, mit denen die Richter die besondere Dringlichkeit der schnellstmöglichen Einhaltung von Grenzwerten betonen, beruhen mitnichten auf Erkenntnissen über Gesundheitsgefahren. Die hehren Worte wirken da plötzlich ziemlich leer.

Gewürfelte Grenzwerte sind unseriös

Es musste erst ein Medizinprofessor aus Halle kommen, bis klar wurde, dass die Grenzwerte, auf die ganz Deutschland blickt wie das Kaninchen auf die Schlange, genausogut hätten ausgewürfelt werden können. Vage Vermutungen über den durchschnittlichen Ausstoß von Gasherden anzustellen und das Ergebnis zum Maßstab für Fahrverbote zu erheben hat mit seriöser Politik nichts mehr zu tun. Es ist, als wolle man den Dämon Diesel mit einem bösen Voodoo-Zauber vertreiben. Doch der Einzige, den man damit vertreibt, ist der Bürger. Sein Vertrauen in die Politik wird untergraben, wenn ihm Fahrverbote aufgezwungen werden, die letztlich auf blanker Willkür beruhen.

Dabei besteht bei der Luftreinhaltung nach wie vor Handlungsbedarf. Doch eine saubere Luft lässt sich nur mit dem Bürger schaffen, nicht gegen ihn. Wer meint, der Zweck des Umweltschutzes heilige das Mittel der Täuschung, kommt seinem Ziel keinen Deut näher. Er bringt stattdessen die Menschen gegen sich auf – und auch gegen seine Ziele.

klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de