Kein Urlaub ohne Selfie – sonst glaubt am Ende keiner, dass man wirklich dort war. Foto: AFP

Die Generation Selfie dokumentiert ihr gesamtes Leben. Mit Drohnen geht das noch besser als mit Selfie-Sticks. Aber wen interessiert das eigentlich?

Stuttgart - Früher gingen viele ältere Menschen am Stock. Heutzutage flitzen durchtrainierte Senioren mit E-Bikes über die Radwege, stählen sich im Fitnessstudio oder bereiten sich auf den nächsten Halbmarathon vor. Stöcke wären dabei nur hinderlich. Die heißen inzwischen ohnehin Sticks und werden vor allem von jüngeren Leuten genutzt – allerdings nicht als Gehhilfe, sondern um sich mithilfe des eigenen Smartphones optimal ins Bild zu setzen. Wer mit der Zeit geht, stellt sich an steile Felskanten und lächelt in die Kamera seines an einem Selfie-Stick befestigten Handys. Manche Nutzer sind so begeistert von ihrem eigenen Anblick, dass sie sich beim Posen in lebensgefährliche Situationen bringen. Immer wieder sind Fälle zu beklagen, in denen überambitionierte Selfie-Fotografen durch unüberlegte Bewegungen im Gebirge abgestürzt sind – nach dem Motto: „Noch ein Schritt rückwärts in Richtung Abgrund, und ich sehe gleich noch viel cooler aaaaaauuuuuus!“

Kein Bock auf Integralrechnung

Nach Ansicht führender Psychologen sind die oft aufwendig arrangierten Selbstporträts der Generation Selfie ein Ausdruck extremer Selbstverliebtheit und einer übersteigerten Sehnsucht nach Anerkennung. Laut einer Umfrage im Auftrag des Industrieverbandes Körperpflege- und Waschmittel träumt in Deutschland rund ein Drittel der 14- bis 21-Jährigen davon, durch Bild-Postings von sich selbst eines Tages berühmt zu werden. Entsprechend groß ist die Motivation mancher Vertreter dieser Altersgruppe, sich in der Schule mit so anstrengenden Dingen wie Grammatik oder Integralrechnung zu befassen. Wozu auch. Wenn man erst mal ein großer Star geworden ist, übernimmt das Rechnen der Manager und das Sprechen oder Schreiben irgendein Public-Relations-Fuzzi.

Viele Menschen nehmen sich auch mit Begeisterung auf Youtube-Videos auf, während sie irgendwelchen Beschäftigungen nachgehen . Dabei kann man nicht nur seine narzisstischen Persönlichkeitsanteile ausleben, sondern auch noch Geld verdienen, indem man Klamotten, Kosmetik oder Haushaltsgeräte bestimmter Hersteller anpreist. Immer mehr Teenager träumen davon, als Influencer ohne Anstrengung zu Geld und Ansehen zu kommen. Sie werben in der Regel für vollkommen überflüssige Produkte und nie für etwas Sinnvolles wie zum Beispiel für Grippeschutzimpfungen. Vielen wäre es vermutlich peinlich, wenn sie ihren Freunden erzählen müssten, dass sie sich als Influenza-Influencer betätigen. Dabei sind diese Sorgen vollkommen unbegründet. Oder können Sie sich ein besseres Thema für virales Marketing vorstellen als eine weit verbreitete Viruskrankheit?

Trump redet über Trump

Narzissmus gilt in unseren individualistisch geprägten Gesellschaften als eine Art Volkskrankheit. Ein häufig zu beobachtendes Symptom ist, dass davon betroffene Personen mindestens jeden zweiten Satz mit dem Wort „Ich“ beginnen. Insofern besteht bei Donald Trump, dem Beobachter eine hochgradig narzisstische Persönlichkeit bescheinigen, vielleicht doch noch etwas Hoffnung. Denn der redet auch gerne mal in der dritten Person von sich, was unter anderem dem Microsoft-Gründer Bill Gates aufgefallen ist.

Donald Trump nutzt wahrscheinlich auch keinen Selfie-Stick, weil man so schlecht twittern kann, wenn man das Handy weit vom Körper weghält. Aber wie einschlägige Publikationen berichten, ist der Selfie-Stick ohnehin ein Auslaufmodell. Er könnte schon bald von der autonomen Selfie-Drohne abgelöst werden, die ihren Nutzer überall begleitet und seine Aktivitäten für die Nachwelt dokumentiert. Allerdings könnte so ein Gerät dank Künstlicher Intelligenz irgendwann feststellen, dass das Leben der meisten Menschen über weite Strecken ziemlich banal und langweilig ist – und sich aus dem Staub machen. Und tschüss!