Erst mal die Schuhe aus: zwei Frauen in London überbrücken die Wartezeit – vermutlich an einer U-Bahnstation – mit Reden. Foto: Dieter Leistner

Auf die Ferien, auf den Feierabend, auf den Bus: das Leben besteht oft aus Warten. Der Fotograf Dieter Leistner hält den Zustand fotografisch fest. Die Ausstellung „Waiting“ zeigt seine Serie.

Stuttgart - Ist Wartezeit verlorene oder geschenkte Zeit? Alles eine Frage des Blickwinkels und der Persönlichkeit. Die einen vertreten sich an der Bushaltestelle unruhig die Beine, die anderen starren entspannt Löcher in die Luft. Den Fotografen Dieter Leistner interessiert das Thema Warten seit den Siebzigerjahren als er sich ein Projekt für sein Fotografiestudium überlegen musste. „Ich fand Haltestellen am spannendsten. Ich wollte wissen, was die Leute machen, wenn sie warten,“ sagt der 66-Jährige. „Der eine bohrt in der Nase, der nächste zieht dem Kind die Hose hoch, weil er mit ihm hinter der Haltestelle pinkeln war.“ Und so entstand über Jahrzehnte eine Fotoserie von wartenden Menschen, die Alltägliches mit universellen Fragen verbindet. Schließlich verliert der Wert des Innehaltens in einer sich stetig beschleunigenden Welt immer mehr an Bedeutung. Wie auf einer Bühne umrahmt die Architektur der Haltestellen die flüchtige Szenerie, die Leistner festhält.

Das Warten bringt einen weiter

Wie warten Menschen, auf dem Land, in der Stadt, in Südamerika oder in Europa? Dieter Leistner kann sagen: „Entspannter warten Menschen in Neuseeland, auf den Kapverden oder in Argentinien.“ Der deutsche Wartende sei sehr ernst. „Er guckt in Richtung Bus oder daddelt auf dem Handy.“ Dabei würde einen das Warten ja auch weiter bringen. „Wenn man einfach mal innehält und Zeit hat, über was nachzudenken, wozu man sonst gar nicht kommt. Das muss man aber aushalten können, so plötzlich ganz bei sich selbst zu sein.“